Etiketten aus Gras und Marmor

In der Verpackungs- und Papierindustrie setzen Unternehmen aus Sachsen-Anhalt auf natürliche Rohstoffe

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft ist die Bioökonomie ein wichtiger Baustein. Sachsen-Anhalt entwickelt sich dafür immer mehr zu einer Modellregion. Auch in der Verpackungs- und Papierindustrie gewinnen die Verarbeitung natürlicher Rohstoffe und umweltfreundliche Produktion immer mehr an Bedeutung. So nutzt die Aleithe Haftetiketten GmbH aus Lutherstadt Wittenberg für ihre Etiketten Gras oder Marmor. Auf umweltfreundliche Produktion in der Papierindustrie setzen auch die Progroup AG mit ihrer Hightech-Papierfabrik in Sandersdorf-Brehna oder der Zellstoff-Hersteller Mercer Stendal.

Selbstklebende Etiketten für Produkte in ganz Deutschland

Das Papier, das Kerstin Aleithe in den Händen hält, schimmert grünlich und duftet unverkennbar – nach Gras. „Das liegt schlicht daran, dass dieses Papier tatsächlich aus Gras besteht, zumindest anteilig. Bei der Herstellung wird 30 Prozent der Zellstoffe durch Gras ersetzt. Das ist ökologisch günstiger: Gras wächst schneller als Holz und verbraucht in der Papierherstellung 99 Prozent weniger Frischwasser, 20 Prozent weniger CO2 und 97 Prozentweniger Energie“, sagt die Geschäftsführerin der Aleithe Haftetiketten GmbH aus Lutherstadt Wittenberg. Sie leitet gemeinsam mit Ihrem Bruder Thomas Aleithe das Familienunternehmen, das auf die Herstellung von selbstklebenden Etiketten für Abnehmer etwa aus der Pharmaindustrie, der Chemischen Industrie oder auch Nahrungsmittelindustrie spezialisiert ist. Mittels der selbstklebenden Etiketten aus Sachsen-Anhalt können sich Verbraucher deutschlandweit auf Verpackungen über den Inhalt eines jeweiligen Produkts informieren – von Medikamenten bis zur abgepackten Wurst im Supermarkt.

Unterschiedliche Abfallstoffe als Rohstoff nutzbar

„Die Bioökonomie, die Umstellung der erdölbasierten auf natürliche Rohstoffe, ist auch für uns ein wichtiger Trend. Zunehmend fordert der Markt nachhaltige Materialien für unsere Etiketten“, sagt Kerstin Aleithe. Darauf habe man sich seit längerem spezialisiert und biete den Kunden für die Produktkennzeichnung eine große Auswahl an Papier und Folien an, die nicht mehr erdölbasiert sind, sondern aus Naturmaterialien bestehen, beispielsweise aus Marmor. „Für diese ,Steinpapier‘ genannte Folie werden Abfälle aus Steinbrüchen ganz fein gemahlen und mit einem kleinem Recyclingkunststoff-Anteil vermischt. Das Marmormehl wäre ansonsten Abfall. Die Folie kann dem normalen Recyclingstrom zugeführt werden“, erläutert Kerstin Aleithe. Im Vergleich zu herkömmlichen Kunststofffolien spart das 80 Prozent Kunststoff. Wie Marmor könne man auch alle möglichen natürlichen Rückstände für Etiketten nutzen, beispielsweise gepresste Apfelschalen oder Reste von Gerste oder Weizen.

Aus der Vielfalt tausender Materialien und deren Kombinationsmöglichkeiten bietet Aleithe den Kunden Verpackungsetiketten an. „Wir empfehlen je nach Verwendung der Verpackung und nach Wunsch ein geeignetes Material“, so Kerstin Aleithe. Die Kunden könnten das Etikett zur Kennzeichnung auch als Marketingmittel nutzen.

Aleithe produziert mehrere Millionen Quadrameter Folie pro Jahr

2015 hat die Betriebswirtin gemeinsam mit Ihrem Bruder Thomas die Geschäftsführung der Aleithe Haftetiketten GmbH von ihrem Vater Bernd Aleithe übernommen. Dieser hatte die Firma 1992 in Lutherstadt Wittenberg buchstäblich als Ein-Mann-Unternehmen gegründet. Heute beschäftigt Aleithe 70 Mitarbeiter und gehört nach zwei großen industriellen Unternehmen in der Produktkennzeichnungsbranche zu den größten Dienstleistern Deutschlands. Jährlich werden in Lutherstadt Wittenberg Rohmaterialien zu einigen Millionen Quadratmetern Folie verarbeitet.

Und das Unternehmen wächst weiter: Aktuell ist eine bauliche Erweiterung für eine neue Spezialmaschine geplant. Die rund eine Million Euro teure Maschine kann beispielsweise 100.000 Banderolen je Stunde, unter anderem für Lebensmittel, herstellen. Kerstin Aleithe: „Dafür haben wir ein ebenfalls ökologisch sinnvolles Verfahren entwickelt: Denn die Banderole besteht nur noch an jener Stelle, auf der die Kennzeichnung aufgedruckt wird, aus Kunststoff, ansonsten kann man Papier nutzen, das zurück in den Recyclingkreislauf geht.“

Green Hightech auch bei Progroup: 100 Millionen Euro für Nachhaltigkeit

Eine Green Hightech-Strategie verfolgt auch der Wellpappenhersteller Progroup, der als Rohstoff für die Papierherstellung ausschließlich Altpapier verwendet. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen in Sandersdorf-Brehna eine neue Papierfabrik zur Herstellung von umweltfreundlichen und hochwertigen Wellpappenrohpapieren in Betrieb genommen. Die Anlage verfügt über eine Jahreskapazität von 750.000 Tonnen. „Die neue Papiermaschine ist so konzipiert, dass sie die nächsten 50 bis 60 Jahre nachhaltig und energieeffizient Wellpappenrohpapier produzieren wird. Allein 100 Millionen Euro investieren wir deswegen in Nachhaltigkeitsmaßnahmen“, sagte Maximilian Heindl, Chief Development Officer und Mitglied des Vorstands von Progroup, bei der Eröffnung der Fabrik im Jahre 2020. Eine nachhaltige Produktion wird unter anderem erreicht durch die größte Altpapiertrommel der Welt und eine neuartige Kreislaufwasserbehandlungsanlage. Letztere bereitet das eingesetzte Prozesswasser auf und führt es in das geschlossene Kreislaufsystem der Papierproduktion zurück. So verringert Progroup den Frischwassereinsatz um 80 Prozent, was einer Menge von 3,7 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr entspricht. Zudem werden Altpapierverunreinigungen biologisch abgebaut und in Biogas umgewandelt. Dadurch verbraucht die gesamte Anlage zehn Prozent weniger fossile Ressourcen.  „Die Papierfabrik – eine der modernsten und leistungsfähigsten der Welt – steht exemplarisch für erfreuliche Entwicklung: Sachsen-Anhalt wandelt sich zum Land der Zukunftstechnologien“, so Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann anlässlich der Eröffnung.

Bioökonomie ersetzt fossiles Erdöl: Kraftzellstoff von Mercer Stendal

Ein Beispiel für den Bioökonomie-Boom im Rahmen des Strukturwandels ist auch Mercer Stendal. Das Unternehmen stellt nachhaltig besonders hochwertigen und reißfesten Kraftzellstoff als Rohstoff für die Papierindustrie her. Dabei werden im Produktionsprozess aus dem Harz der verarbeiteten Nadelbäume Biochemikalien wie Tallöl gewonnen. Als erneuerbarer Rohstoff ersetzt Tallöl fossile Ölrohstoffe. Es findet in der chemischen Industrie unter anderem bei der Herstellung von Farben, Lacken oder Klebstoffen Verwendung. Eine weitere Anwendung für Tallöl ist die Herstellung von Biodiesel.

Autor: Michael Falgowski/IMG Sachsen-Anhalt


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