Die grüne Zukunft ist zum Greifen nah

Stoffkreisläufe, Bildung, Initiativen: Kreative Ideen für den Ausbau der Bioökonomie

Damit der grundlegende Strukturwandel bis zum geplanten deutschen Kohleausstieg im Jahr 2038 gelingt, werden in Sachsen-Anhalt neue industrielle Wachstumskerne aufgebaut. Eine zentrale Rolle spielt dabei im Mitteldeutschen Revier die biobasierte Wirtschaft. Die Entwicklung zur Modellregion der Bioökonomie ist in vollem Gange. Gewachsene Strukturen, wissenschaftliche Kompetenz  und auch kreatives Potenzial sind die Basis für den Erfolg.

Max Greiner hat sich mit Kunststoffen beschäftigt und mit Insekten. Das Ergebnis seiner Gedanken ist eine Synthese aus beidem: ein neuartiger Biokunststoff aus Chitin, dem Exoskelett von Insekten. Der Student der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle ist ein frischgebackener Gewinner des kreativen Landeswettbewerbs BESTFORM. Die Jury war sich bei seinem Projekt „madeLocal“ schnell einig: Das ist eine „Vision des Jahres“. Mit dieser Auszeichnung würdigte sie „einen faszinierenden Kreislauf, bei dem ein sehr nachhaltiges Material eingesetzt, die lokale Bindung und Skalierbarkeit auf viele Bereiche geachtet wird“. Damit reiht sich der junge kreative Kopf aus Halle (Saale) ein in die Riege der Menschen, die in Sachsen-Anhalt den Strukturwandel voranbringen, indem sie den Aufbau innovativer Branchen unterstützen – in diesem Fall die biobasierten.

Immer im Stoffkreislauf: Produkte aus Chitosan

Im Forschungslabor „BioLab“, das als „Gestaltungsraum für lebendige Zukünfte“ in der BURG fungiert, liegt die Idee des Studenten zum Greifen nah: farbige Prototypen von Brillengestellen, die aus Chitosan bestehen. Ein Alleskönner unter den Biokunststoffen, der bisher trotzdem kaum bekannt ist. Der Industriedesign-Student wählte das Material im Semesterprojekt „full circle“ aus verschiedenen Biokunststoffen. Die Aufgabe: Entwicklung von zirkulierenden Anwendungen und tatsächlichen Kreisläufen für und mit dem Material. Fasziniert von den Möglichkeiten hat der 22-Jährige, betreut durch Mareike Gast, Professorin für Industrial Design mit dem Schwerpunkt material- und technologiebasierte Produktentwicklung, einen Kreislauf für den Biokunststoffentwickelt. Unterstützt wurde das Chitosan-Projekt von der Firma „madebymade“ aus Leipzig, bei deren Produktion von Maden als Futtermittel große Mengen Chitin anfallen.

Max Greiners Kreislauf dreht sich um das fiktionale Unternehmen „madeLocal“ – einer Fusion aus Insektenfarm und „Maker-Space“. Und so soll das Ganze nach Vorstellung von Max Greiner funktionieren: Auf einem Bauernhof gibt es mit den Abfällen genügend Futter für Maden. Die hier gezüchteten Insekten sind in erster Linie Protein-Lieferanten für Futtermittel.  Was übrigbleibt, wird an umliegende Firmen und Industrien verkauft. Für eine weitere Wertschöpfungskette wird das Chitin aus den Insekten-Exoskeletten und Madenhüllen in Chitosan umgewandelt und als Biokunststoff in eine beliebige Form gegossen. Max Greiner hat Brillengestelle geformt. „Bei Kindern gehen die Brillen schneller kaputt, sie wachsen oder ihre Dioptrienzahl verändert sich schnell, haben also eine kurze Haltbarkeitsdauer“, begründet er. Beim Optiker könnten die Kundinnen und Kunden verschiedene Gestelle ausprobieren und sich für eine Abo-Modell entscheiden. Ist das Gestell zu klein oder kaputt, geht es zurück an den Optiker. Der tauscht es gegen ein neues. Das alte Material wandert zurück in die Anlage. Greiner erklärt: „Die Chitosan-Gestelle können schnell wieder recycelt und in neue Formen gebracht werden. Rezykliertes Chitosan wird dem neugewonnenem zugegeben und gelangt wieder in ein neues Gestell oder in andere chitosanbasierte Anwendungen. Damit bleibt das Produkt im Biokunststoff-Kreislauf erhalten.“

Dieses Brillen-Leasing ist indes nur eine von vielen möglichen Kreisläufen. Max Greiner ist überzeugt, dass „aufgrund der zahllosen Eigenschaften von Chitosan noch viele andere Anwendungen möglich sind.“ Wichtig ist dem Studenten, dass der Stoff mehr Aufmerksamkeit erhält. Er sagt:. „Chitosan hat auch Potenzial für eine Wirkung in der Medizin oder als Wundheilcreme, ist biologisch abbaubar und zersetzt sich im Boden.“ Mit seinen Experimenten im „BioLab“ wollte er genau das beweisen und zeigen, dass so ein Projekt umzusetzen ist. „Das Forschungslabor ist dafür die richtige Umgebung. Wir arbeiten hier an vielen zukunftsweisenden Projekten“, bestätigt Prof. Mareike Gast.

Ideenreichtum befördert Entwicklung als Bioökonomie-Region

Insgesamt hat in den vergangenen Jahren die Bioökonomie in Sachsen-Anhalt kräftig an Fahrt aufgenommen. Große Konzerne wie der finnische Konzern „UPM“ investieren hunderte Millionen Euro in Projekte wie die Bioraffinerie in Leuna. Fachleute bescheinigen dem Bundesland „optimale Voraussetzungen durch gewachsene Strukturen, wissenschaftliche Kompetenz und die regionalen Ausprägungen relevanter Branchen“. Bei der Preisübergabe an Max Greiner im Mai hob Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann als Schirmherr des Wettbewerbs einen weiteren Aspekt hervor: „Die erfolgreiche Entwicklung der Bioökonomie in unserem Land fußt ganz wesentlich auch auf dem Ideenreichtum kreativer Köpfe wie dem Bestform-Preisträger Max Greiner. Es ist dieser kreative Mix, mit dem es in den kommenden Jahren gelingen kann, Sachsen-Anhalt weiter zu einer führenden Bioökonomie-Region zu entwickeln.“

Wie geht das mit den Algen? Experimentierkasten für nachhaltige Bildung

Um Experimente geht es auch bei einem anderen kreativen Projekt, das mittelbar die Weiterentwicklung der Bioökonomie beeinflussen kann – in dem es dem nämlich dem Nachwuchs nahebringt, was man mit Algen alles machen kann. Die Industriedesignerin Lara Rockenstein, die ihren Masterabschluss in Magdeburg absolvierte, hat mit der Klötzer Algenfarm „Roquette“ und dem Berliner Pädagogen Christian Bass einen Algen-Experimentierkasten entwickelt. In zwölf Varianten können Kinder damit selbst rühren, mischen und lernen – unter anderem, wie die Photosynthese funktioniert.  „Roquette“-Geschäftsführer Jörg Ullmann hofft nun auf einen potenziellen Partner, der die Produktion des gläsernen Kastens mit Anleitungen, Proben und selbst erdachter Pumpe übernehmen möchte. „Es wäre großartig“, sagt Ullmann, „wenn Mädchen und Jungen bald Algen verstehen könnten, die Abläufe und Auswirkungen, ihre Auswirkung auf Gewässer oder wie sie in der Lebensmittelbranche verwendet werden.“

Sendung mit der Maus besucht Algenforscherin in Sachsen-Anhalt

Warum Algen als Lebensmittel der Zukunft gelten – damit hat sich jüngst auch „Die Sendung mit der Maus“ beschäftigt. In der Jubiläumsausgabe zum 50. Geburtstag ging es um Zukunftsthemen aus der Wissenschaft. Bei seiner Entdeckungsreise machte das „Maus-Team“ einen Stopp in Sachsen-Anhalt und besuchte Prof. Dr. Carola Griehl. Die Leiterin des Kompetenzzentrums Algenbiotechnologie der Hochschule Anhalt erklärte Algenzucht und -nutzung. Zum Probieren hatte die Algenforscherin einen Tisch vorbereitet mit vielen Sachen aus Algen, die man essen konnte, Kekse mit Mineralstoffen und Vitaminen oder mit Chlorella-Mehl gebackenes Brot. So auf den Geschmack gekommen, filmte das Fernsehteam noch moderne technische Anlagen, in den Algen wachsen, die zum Pulver getrocknet werden.  

Autorin: Manuela Bock/IMG Sachsen-Anhalt


Auch mit nachwachsenden Ressourcen und biotechnologischen Verfahren als Basis für Industrie,
Energie und Ernährung kennen wir uns bestens aus – schließlich sind wir ein Traditionsstandort für Ernährungs-, Chemie-, Holz/Zellstoff- und Agrarwirtschaft. 

>> HIER haben wir die Kreisläufe der Natur verstanden, denken bioökonomisch und setzen so Maßstäbe.

vorheriger Beitrag nächster Beitrag