Energie für die AIDA Nova - Schwergewichte aus Sachsen-Anhalt erobern den Weltmarkt
Die Ilsenburger Grobblech GmbH, das einzige Stahlwerk an einem Ort, in dem Kurtaxe erhoben wird.
Treibstofftanks, Windenergieanlagen, Förderplattformen oder Hängebrücken auf der ganzen Welt haben eins gemeinsam: hochfeste und leistungsstarke Bleche aus Sachsen-Anhalt. Denn wo Grobbleche in speziellen Güten und Maßen benötigt werden, ist die Ilsenburger Grobblech GmbH (ILG) zur Stelle. Als Tochterunternehmen der Salzgitter AG produziert sie jährlich rund 700.000 Tonnen Grobblech für unterschiedlichste Branchen. Mit der aktuellen Großinvestition betont das Unternehmen die Zukunftsfähigkeit des Standortes Ilsenburg.
Erfolgsgeschichten: Sauberere Schifffahrt durch Innovationen aus Sachsen-Anhalt
Eine der aktuellsten Erfolgsgeschichten der ILG sind die Tieftemperaturtanks für Flüssigerdgas, die unter anderem auf der „AIDA Nova“ zum Einsatz kommen. 300 Tonnen Ilsenburger Grobblech aus 9 Prozent Nickel-legiertem Stahl wurden in dem Kreuzfahrtschiff verbaut, um die Energieversorgung über Flüssigerdgas (LNG) statt des üblichen Schweröls zu gewährleisten. Die „AIDA Nova“ ist das erste von sechs Schiffen, die mit dieser Technologie ausgerüstet werden. Die Stähle mit Nickellegierung aus Sachsen-Anhalt entsprechen den hohen Sicherheitsvorschriften der Flüssigerdgas-(LNG) Speicherung bei Temperaturen von −162 °C. Zudem ist es der ILG gemeinsam im Konzernverbund mit dem Stahl-Service-Center der Universal Eisen und Stahl GmbH in Hannover möglich, das Material für die Tanks einbaufertig zugeschnitten zu liefern. Durch die Umstellung von Schweröl auf LNG-Antrieb wird der Ausstoß von CO2 um bis zu 25% verringert und weitere Emissionen werden deutlich gesenkt. Dies ist ein wichtiger Beitrag für die Mobilität der Zukunft und für eine umweltverträglichere Schifffahrt zum Schutze der Weltmeere. „Es gibt nur wenige Hersteller weltweit, die Stahl mit 9% Nickel-Legierung produzieren“, so Jens Spanger, Handlungsbevollmächtigter Verkauf Grobblech. „Mit Blechen dieser Güte besetzen wir eine Nische in einem Zukunftsmarkt.“
Mit dem Johan Sverdrup Projekt in Norwegen ist die ILG in einer weiteren Erfolgsgeschichte involviert. Es ist die größte Bohrplattform in Jacket-Konstruktion weltweit mit einer Höhe von 140 Metern. Der 26.000 Tonnen schwere Koloss besteht zu einem großen Teil rund 20.000 Tonnen- aus Ilsenburger Grobblech in Offshore-Güten mit Einzelstückgewichten der Bleche von bis zu 28 Tonnen. Auch im weltgrößten Gasfeld, dem South Pars Field im Persischen Golf, sind 75.000 Tonnen Quartoblech aus Sachsen-Anhalt verbaut.
Metallverarbeitung mit Tradition
Bereits seit Jahrhunderten ist Ilsenburg am Fuße des Brockens bekannt für seine Hüttenindustrie und die Metallverarbeitung. Was bereits im 16. Jahrhundert begann, wird durch innovative Unternehmen wie die ILG auch in Zukunft weitergeführt. 1992 wurde das Ilsenburger Walzwerk nach einer umfassenden Modernisierung in den 80-er Jahren als eines der modernsten Werke Europas von der damaligen Preussag Stahl AG, der Vorgängerin der heutigen Salzgitter AG, übernommen. Ziel war es, die Grobblechproduktion zu konsolidieren und an einem Standort zu bündeln. Mit Investitionen von über 400 Mio. Euro in den vergangenen Jahrzehnten wurde die Marktposition weiter gestärkt und ausgebaut. Neuestes und bislang größtes Einzelprojekt ist die Errichtung einer kompletten Wärmebehandlungslinie, deren Herzstück eine Rollenquette zur Blechveredelung ist. Die Anlage soll im Frühjahr 2020 in Betrieb genommen werden. Mit einem Investitionsvolumen von 150 Millionen Euro wird die Produktionsmenge der vergüteten und wärmebehandelten Bleche auf 150.000 Tonnen nahezu verdoppelt. Effizientere Produktionsabläufe und die Einsparung von Logistikaufwendungen sorgen für eine höhere Wirtschaftlichkeit und deutliche Verkürzung der Lieferzeiten. Eine Investition auch zurZukunftssicherung der über 600 Arbeitsplätze am Standort Ilsenburg.
Das Unternehmenbeeindruckt vor allem durch die Vielfalt der Bleche im Lieferprogramm, die in Dicken von 6 bis 175 mm, in Breiten von 80 bis 350 cm, mit maximalen Längen von 24 m und Einzelstückgewichten von bis zu 28 Tonnen hergestellt werden. Etwa 120.000 Bleche werden pro Jahr gefertigt. Sowohl die Herstellung von Einzelstücken und kleinen Losgrößen als auch zusätzliche Dienstleistungen, wie Strahlen und Primern, Kantenbearbeitung, Biegen oder das Vorbereiten von Schweißfugen, gehören zum Angebot des Unternehmens.
Attraktiver Standort dank kurzer Wege und enger Verbundenheit mit der Region
Für die Produktion ist die Lage Ilsenburgs ideal. Das Werk in Salzgitter ist nur 45 Kilometer entfernt und durch Autobahnen bestens angebunden. In Ilsenburg werden ausschließlich Brammen aus Salzgitter verarbeitet, so dass kurze Lieferzeiten des Vormaterials eine schnelle Abwicklung der Aufträge ermöglichen. Einer von vielen Vorteilen der Zugehörigkeit zu einem großen Konzern.
Auch wenn es um Absprachen geht, um Genehmigungen oder Fördermöglichkeiten sind die kurzen Wege in Sachsen-Anhalt hilfreich. Die zuständigen Ansprechpartner sind bekannt und schnelle Unterstützung seitens der Kommune, des Landkreises oder des Landes bei unterschiedlichsten Fragestellungen erleichtert das unternehmerische Handeln.
In Bezug auf Fachkräfte sorgt die ILG mit eigenem Nachwuchs vor. Rund 15 Auszubildende werden hier pro Lehrjahr in einer eigenen Ausbildungswerkstatt zu Industriemechanikern und Elektronikern für Automatisierungstechnik ausgebildet. Eindrucksvoll zeigt sich die Verbundenheit der Menschen in der Region mit dem Unternehmen. Angestellte aus mehreren Generationen einer Familie sind keine Seltenheit und die hohe Anwesenheitsquote spricht für das Engagement der Mitarbeiter. „Wir sind wichtig für Ilsenburg, aber Ilsenburg ist genauso wichtig für uns“ betont Dr. Christian Boppert, Geschäftsführer der ILG, die Bedeutung des Standortes. Oliver Laubner, Sales Export, ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Wir sind das einzige Werk an einem Ort, wo Kurtaxe erhoben wird.“ Insbesondere internationale Kunden seien immer wieder beeindruckt vom Harz und dem Brocken, der vom Betriebsgelände aus immer im Blick ist.
Autor: Miriam Fuchs