Wenn Proteine leuchten
Die NH DyeAGNOSTICS GmbH in Halle /Saale entwickelt Nachweisverfahren auf der Basis von Fluoreszenzfarbstoffen und erobert damit internationale Nischenmärkte
„Meine Neugier war immer größer als meine Angst“, sagt der Hallenser Jan Heise in Bezug auf das Wagnis seiner Existenzgründung aus der Wissenschaft heraus. Beinahe zehn Jahre ist sein Unternehmen NH DyeAGNOSTICS GmbH jetzt am Markt. Auf Basis spezieller Technologien zur Identifizierung von Proteinen entwickelt NHD Produkte für Nachweisverfahren in der Forschung wie auch in der Routine-Diagnostik und erobert damit internationale Nischenmärkte.
Das englische Wort „Dye“ steht für „Farbstoff“ – im Firmennamen der NH DyeAGNOSTICS GmbH steht es für ganz besondere Fluoreszenzfarbstoffe. Sie wurden in Halle am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) im Zusammenhang mit einem neuen Analyseverfahren entwickelt, das Proteine auf molekularer Ebene sichtbar macht. Der Molekularbiologe Jan Heise arbeitete zu jener Zeit als Post-Doc am IPB. Bald sei ihm aber klar geworden: Eine hundertprozentige Erfüllung würde er in der reinen Wissenschaft nicht finden. Ein großes Gründungspotenzial habe er damals in dieser neuen Farb-Technologie gesehen. „Die ermöglicht es, mit den neuen Fluoreszenzfarbstoffen beispielsweise vergleichende Proteinanalysen im Blut durchzuführen. So werden etwa Abwehrproteine gegen die Schweinegrippe identifiziert, die dann die Basis für ein Therapeutikum sein können“, sagt Jan Heise.
Der NHD-Geschäftsführer betont, dass es bis dato weltweit nur ein ähnliches Verfahren gab, angeboten vom einem Global Payer. Sich mit der Alternativtechnologie als erstes Spin-off aus dem Leibnitz-Institut für Pflanzenbiochemie auszugründen und den Wettbewerb aufzunehmen, nahm der junge Wissenschaftler denn auch als eine sportliche Herausforderung. Zielstrebigkeit, Ausdauer und Durchhaltevermögen gehören zu seinen „Tugenden“, die man seitens der Kreditinstitute auch gern als herausragende Wesensmerkmale einer Unternehmerpersönlichkeit bewertet.
Jan Heise ist Leistungssportler, passionierter Ruderer. 2011 siegte sein Doppelvierer bei den Weltmeisterschaften in Polen. „Dass der Doppelolympiasieger im Rudern, Thomas Lange, aus Halle kam, war für mich eine Motivation, 1993 zum Studium an die Saale zu gehen“, sagt Jan Heise. Ein leichtes Augenzwinkern ist zu bemerken. Vor allem nämlich ließ sich der gebürtige Flensburger von seinem Tatendrang nach Halle treiben. Im Sinne von „etwas unternehmen“, „etwas anschieben“, „etwas bewirken“ wollte er damals unbedingt in den Osten gehen, um sich in diesem Teil des Landes am Aufbau eines Gesamtdeutschlands zu beteiligen. Schon für das geteilte Deutschland hatte er sich rege interessiert und als Schüler in den 1980er Jahren oft seine Verwandtschaft in Sachsen-Anhalt besucht.
Der Standort Halle an der Saale hat sich inzwischen zu einem international bedeutenden Zentrum der Proteinforschung entwickelt. Auch die NH DyeAGNOSTICS GmbH hat ihren Sitz im dortigen Technologiepark Weinbergcampus. Das Magazin Wirtschaft+Markt benennt das Unternehmen als eines der 150 innovativsten in Ost-Deutschland. Gerade ein kleines Unternehmen ohne international bekannte Marke müsse sehr innovativ sein, kommentiert Jan Heise die Bewertung. Die Hälfte der NHD-Mitarbeiter ist in der Forschung und Entwicklung beschäftigt. Sie wird von Ehefrau Jana Heise geleitet. 2010 wechselte die promovierte Biochemikerin von der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg in das eigene Unternehmen – und trug übrigens das N ihres Mädchennamens zum Firmennamen NH DyeAGNOSTICS bei. „Meine Frau ist gut darin, meine Ideen für neue Produkte zu Ende zu denken und umzusetzen. Von daher ergänzen wir uns“, sagt Jan Heise.
Der Firmenchef selbst bringt ein viertel seiner Arbeitszeit dafür auf, den schnelllebigen Markt für Biotechnologien zu beobachten und zu analysieren. Auch Marketing und Vertrieb seien zum großen Teil Chef-Sache, sagt Heise und dass sich eine gute Beziehung zum Kunden hauptsächlich über den persönlichen Kontakt herstellt.
Inzwischen sind die Kompetenzen der NH DyeAGNOSTICS GmbH anerkannt bei vielen Kunden aus Wissenschaft, Industrie und Medizin. „Wir entwickeln schnelle und zuverlässige Nachweisverfahren, die soweit automatisiert sind, dass deren Ergebnis nicht mehr von der Qualität der Handarbeit im Labor abhängt“, sagt Jan Heise. Neben der Identifikation von neuen Proteinbiomarkern zur Diagnose von Krankheiten sei auch die Charakterisierung von bestimmten Proteinen in komplexen Proteingemischen ein Spezialgebiet von NHD.
Für spezielle fluoreszierende Polypeptide, kurz SEPO, gab es 2016 einen der begehrten Hugo Junkers Preise für Forschung und Innovation aus Sachsen-Anhalt. Jan Heise erklärt, dass im Ausdauersport das sogenannte EPO-Doping eine zentrale Rolle spielt. Dabei spritzen sich dopende Sportler synthetisch hergestelltes EPO, das im Körper zur gesteigerten Produktion von roten Blutkörperchen führt. Dieses künstliche EPO wird üblicherweise nur in sehr geringen Mengen dafür aber in kurzen Zeiträumen gespritzt. So konnte es bislang nicht nachgewiesen werden. Unter Verwendung der SEPO-Technologie der NH DyeAGNOSTICS sei das aber jetzt möglich.
„Da es weltweit nur 35 EPO-Labore gibt, ist für große Unternehmen die Entwicklung und Vermarktung eines solchen Nachweisverfahrens finanziell uninteressant. Wir aber haben uns damit einen Nischenmarkt erschlossen“, sagt der Unternehmens-Chef und dass diese internationale Platzierung von großem Wert sei, wenn es darum gehe, sich als Zulieferer für die Entwicklung sogenannter Blockbuster zu profilieren.
„Profilierung“ ist denn auch sein nächstes Stichwort. Aus eigener Erfahrung weiß Jan Heise: „Wenn ein Wissenschaftler zum Unternehmer werden will, muss er auch sehr an sich selber arbeiten. Er muss beispielsweise die Spielregeln lernen im Umgang mit Vertretern aus Industrie und Wirtschaft.“ Heise spricht von der Eigenschaft, sich in die Rolle des Kunden, des Investors oder des strategischen Partners hinein zu versetzen. Um das zu lernen, habe er etliche Fortbildungskurse genutzt. Jetzt gibt er selber Seminare zu den Themen „Existenzgründung“ oder „Marketing und Vertrieb für Gründer“. Es entspricht seinem sportlichen Teamgeist, sein wertvolles Wissen weiterzugeben. Schließlich erziele man erst in der Gemeinschaft von guten Unternehmern und Arbeitgebern entsprechende Aufmerksamkeit an einem starken Wirtschaftsstandort.
Autor: Kathrain Graubaum