Vom Kohlerevier zur Modellregion für Bioökonomie

In Sachsen-Anhalt werden Wertschöpfungsketten entwickelt, die auf erneuerbaren Ressourcen basieren

Das Revier Mitteldeutschland erfindet sich neu – weg vom über 150 Jahre gewachsenen Image als wichtiger Braunkohlelieferant hin zur „Modellregion Bioökonomie Mitteldeutschland“. Den Boden dafür bereiten Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft, die als Pioniere ein fruchtbares Feld für Innovationen „bestellen“ und dabei mit Mitteln aus dem Strukturförderungsgesetz unterstützt werden.

„Wir sehen in der Region besonders erfolgsversprechende Potenziale für die Zukunftsbranche Bioökonomie“, sagt Gerd Unkelbach, Leiter des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna. Stimuliert durch die vielen Anknüpfungspunkte zu anderen Branchen wie Land- und Forstwirtschaft, Ernährungswirtschaft, Chemie und Pharmazie könne sich Mitteldeutschland mit Sachsen-Anhalt als Zentrum zu einer rohstoffeffizienten und kreislauforientierten Wirtschaft entwickeln, die stark auf erneuerbaren Ressourcen basiert. Das CBP plant gemeinsam mit dem BioEconomy Cluster in Halle (Saale) ein BioEconomy HUB – ein Technologie- und Dienstleistungszentrum zur Förderung von jungen Unternehmen, die auf dem Feld der Bioökonomie tätig sind oder sich gründen. „Wir begleiten sie auf ihrem Weg von der Geschäftsidee bis zum marktreifen Produkt und stellen eine Produktionsinfrastruktur unter anderem mit Büros, Laboreinrichtungen und industriellen Anlagen bereit“, sagt Unkelbach und hebt die idealen Bedingungen am Standort Leuna hervor. Im zweitgrößten Chemiepark Deutschlands und einer von zwölf Zukunftsorten in Sachsen-Anhalt stellen etwa 100 Unternehmen Produkte von der Basischemikalie bis zum Hochleistungskunststoff her und stehen in engem Kontakt untereinander.

Synergiepotenziale durch eine Vielzahl von Forschungseinrichtungen

„Explizit am Standort Leuna ergeben sich bioökonomische Synergiepotenziale etwa durch die Verwertung von Reststoffen aus der Holz- und Landwirtschaft“, ergänzt Matthias Zscheile, Geschäftsführer der BioEconomy Cluster Management GmbH. „Der finnische Papierkonzern UPM beispielsweise baut im Chemiepark eine Bioraffinerie, in der Biochemikalien aus Laubholz gewonnen werden. Und der Industriegasproduzent Linde errichtet hier die weltgrößte PEM-Elektrolyse-Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff.“ Zudem sei der BioEconomy HUB eingebettet in eine regionale Forschungslandschaft, die einen Wissenstransfer aus der Grundlagenforschung in die Anwendung befördere, sagt Zscheile und nennt unter anderem das Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, den Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung der der Hochschule Anhalt sowie die ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge der Hochschule Merseburg. Das hallesche Fraunhofer-Institut für Mikrostrukturen von Werkstoffen und Systemen IMWS forscht an Verbundwerkstoffen und Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen und ist ein wichtiger Partner im HYPOS-Konsortium – Hydrogen Power Storage & Solutions East Germany. Das entwickelt die Schlüsseltechnologien zur Erzeugung und Speicherung von grünem Wasserstoff.

Der BioEconomy HUB, so Zscheile, solle künftig alle Akteure entlang der neuen Wertschöpfungsketten noch besser miteinander vernetzen und die Region attraktiver machen u.a. für Unternehmensansiedlungen.

Traditionelle, regionale Holzindustrie wird zum modernisierten Geschäftsfeld

Besonders stark vom Kohleausstieg betroffen ist der Landkreis Mansfeld-Südharz. Allerdings sind hier traditionell auch die Forstwirtschaft und Holzindustrie wichtige wirtschaftliche Standbeine. „Die gilt es, auf moderne Füße zu stellen“, sagt BioEconomy Cluster-Manager Matthias Zscheile und ergänzt, dass sich in der Region ein InnovationsHUB „Zukunft Holz und Klima“ ansiedelt. Sachsen-Anhalts Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie fördert das Kompetenz- und Forschungszentrum mit Mitteln aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Denn hier werden Ideen für neue Geschäftsfelder entwickelt – unter Einbindung der regionalen Zulieferbetriebe. Zscheile nennt als Beispiel ein modulares System für den modernen industriellen Holzbau aus heimischem Rohstoff. Ziel ist eine umfangreiche Produktion für logistisch gut zu erreichende Abnehmer etwa in Berlin, Leipzig, Dresden, Magdeburg oder Hannover. Mit dem Vorhaben, so Zscheile, sei die Schaffung ingenieurtechnisch und handwerklich anspruchsvoller Arbeitsplätze verbunden wie auch die Entwicklung von Lehrmodulen für die Aus- und Weiterbildung von Fachpersonal auf diesem Gebiet.

„Mitteldeutsches Algenzentrum“ als künftige Säule der biobasierten Wirtschaft

Zu den kleineren Gewächsen mit umso höherem Zukunftspotenzial gehören die Algen. In Sachsen-Anhalt wird deren Erforschung auf Welt-Spitzenniveau betrieben. „Wir wollen Wirkstoffe für die Ernährung, Medizin und die Kosmetik gewinnen und die Multitalente auch als nachwachsende Energieträger erschließen“, verweist Algenexpertin Carola Griehl, Professorin für Biochemie an der Hochschule Anhalt in Köthen, auf eine stetig wachsende Wertschöpfungskette. Das Kompetenzzentrum Algenbiotechnologie an der Hochschule Anhalt betreibt seit 20 Jahren anwendungsorientierte Forschung. Am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna werden Laborprozesse in den industriellen Maßstab überführt. Das Biosolarzentrum in Köthen, eine Kooperation der Hochschule Anhalt und der GICON GmbH aus Dresden, optimiert die Technologien und Photobioreaktoren zur industriellen Produktion der Wirkstoffe.

Jüngstes Glied in der Kette ist das vom Bundesforschungsministerium geförderte Zentrum für Naturstoffbasierte Therapeutika (ZNT) an der Hochschule Anhalt. Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Immunologie und Zelltherapie werden am ZNT u.a. Wirkstoffe aus Algen zur Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen erforscht und zu marktfähigen Produkten weiterentwickelt.

Zudem spricht Carola Griehl von einem wachsenden Algen-Netzwerk. Ein wichtiger Partner darin ist die Roquette Klötze GmbH & Co. KG in der Altmark. Die industrielle Photobioreaktoren-Anlage produziert Algen in vielen Glasröhren, die aneinandergelegt eine Länge von insgesamt 500 Kilometern hätten.

Weitere Wissenschafts- und Industriepartner wollen demnächst in einem „Mitteldeutschen Algenzentrum“ kooperieren. Das MAZ soll eine biobasierte Wirtschaft auf Basis von Algen als wichtige Säule der Bioökonomie in Sachsen-Anhalt etablieren.

Autorin: Kathrain Graubaum/IMG Sachsen-Anhalt


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