Die biobasierte Zukunft als Generationenaufgabe

Sachsen-Anhalt als Vorreiter hat bereits begonnen.

Alle Zeichen stehen auf Erfolg: seit das Spitzencluster „BioEconomy“ 2012 siegreich aus einem Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hervorging, ist es stetig gewachsen. Inzwischen gehören dem Verbund aus Industrie und Forschung rund 80 Partner an. Mit vereinten Kräften wollen sie Mitteldeutschland zur europaweiten Modellregion für bioökonomische Prozesse machen. Ein Kraftakt, der Dank guter Standortbedingungen und finanzieller Förderung hervorragende Chancen hat.  Wie es gelingen kann, die Bioökonomie in der Gesellschaft zu verankern erklärt  Betriebswirt Horst Mosler, Manager des Spitzenclusters.


Die Bioökonomie ist im Kommen. Was genau verbirgt sich dahinter und was spricht für den Standort Sachsen-Anhalt?
Darunter lassen sich alle industriellen Bereiche zusammenfassen, die nachwachsende Rohstoffe verarbeiten oder nutzen.  Besonderer Anspruch der Bioökonomie ist es, diese maximal zu nutzen. Für den Standort Sachsen-Anhalt spricht sehr viel. Hier gibt es etliche Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die an bioökonomischen Konzepten und Produkten arbeiten. Darüber hinaus verfügt das Land über hervorragend entwickelte Chemieparks, die die Grundlage für eine integrierte zukünftige Bioökonomie bilden. Erste Zeichen für den Rohstoffwandel sind dort bereits sichtbar. Um aus diesen einzelnen Ansätzen eine zukunftsfähige Bioökonomie zu formen, braucht es ein koordiniertes Handeln zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Auch hier ist Sachsen-Anhalt Vorreiter. So wurde in der aktuellen Auflage der regionalen Innovationsstrategie der Leitmarkt „Chemie und Bioökonomie“ definiert. Die Bioökonomie hat somit nicht nur Chancen in Sachsen-Anhalt, sie bietet auch Chancen für Sachsen-Anhalt und die Wirtschaft in ganz Mitteldeutschland.
 
Welche Chancen sehen Sie für die weitere Entwicklung der Bioökonomie?
Sachsen-Anhalt verfügt wie derzeit keine andere Region in Europa über die Voraussetzungen zur Umsetzung einer wettbewerbsfähigen Bioökonomie. Grund dafür sind auch ungenutzte Rohstoffpotenziale, zum Beispiel reichhaltige Buchenbestände. Kaum einer weiß, dass 40 Prozent des bundesweiten Bestandes  dieser Baumart in den mitteldeutschen Wäldern stehen. Ein großer Teil davon wird leider nur thermisch genutzt, sprich verbrannt. Unser Antrieb im Cluster ist es , nach neuen und nachhaltigeren stofflichen Nutzungsmöglichkeiten zu suchen.
 
Wie muss man sich das vorstellen?
Wir arbeiten nicht an einem einzelnen Verwendungszweck. Unser Ziel ist eine komplette Wertschöpfungskette. Um beim Beispiel zu bleiben: Wir suchen nach Möglichkeiten, den Baum komplett stofflich zu nutzen. Das umfasst auch seine Reststoffe, die nicht zur Herstellung von Holzprodukten genutzt werden können. Daraus kann man zum Beispiel Lignin gewinnen, das als biobasierter Rohstoff für Kunststoffe genutzt werden kann.
 
Zurzeit fließen 40 Millionen Euro an Fördergeldern in das Spitzencluster. Wie werden diese Mittel verteilt?
Die Fördersumme wird auf alle beteiligten Partner je nach Umfang der Projekte verteilt. Derzeit gibt es im Cluster rund 100 Forschungsprojekte, die sich jeweils mit unterschiedlichen Themen befassen. Aber auch neue Partner, die tragfähige Ideen einbringen können, sind uns willkommen.
 
Für welche Branchen ist die Bioökonomie besonders interessant?
Als branchenübergreifender Ansatz ergeben sich Anknüpfungspunkte für zahlreiche Wirtschaftsbereiche: Forst- und Agrarwirtschaft dienen als Rohstofflieferant zur Erschließung neuer Märkte. Reststoffe und Nebenprodukte der Holz- sowie der Papier- und Zellstoffindustrie erfahren neue Anwendungen als Rohstoffe und Zuschlagstoffe. Auch die Bauwirtschaft kann von ressourceneffizienten neuen Werkstoffen profitieren. Chemie- und Kunststoffindustrie können langfristig fossile Ressourcen durch nachwachsende ersetzen. Aber auch in der Kosmetik- und Pharmabranche kommen immer mehr biobasierte Stoffe und Methoden zum Einsatz. Verbundwerkstoffe und Leichtbauteile aus nachwachsenden Rohstoffen sind für die Automobilindustrie und deren Zulieferer interessant.
 
Wird es für diesen riesigen Bereich künftig genügend Fachkräfte geben?
Wie in allen Wirtschaftszweigen werden die Fachkräfte in absehbarer Zeit auch für die Bioökonomie knapp. Erschwerend kommt hinzu, dass neue Prozesse und neue Marktansätze auch neue Berufsbilder erzeugen. Das heißt, der zukünftige Bedarf an Fachkräften kann mit dem heutigen Ausbildungsangebot fachlich nicht gedeckt werden. Gemeinsam mit der Landes- und Bundespolitik und den Bildungsträgern arbeiten die Akteure des BioEconomy-Clusters deshalb an neuen Aus- und Weiterbildungsprofilen und Studienschwerpunkten. Ein Schritt in diese Richtung ist die Einrichtung eines neuen Studiengangs „Pharmazeutische Biotechnologie“ an der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale. Das Konzept dafür wird derzeit erarbeitet.
 
Was muss sich beim Verbraucher ändern, damit die Bioökonomie langfristig eine Chance hat?
Die Einstellung der Verbraucher hat sich längst geändert. Sie fragen vermehrt nach nachhaltig erzeugten Produkten und interessieren sich für die verwendeten Materialien. Sie sind sogar bereit, mehr dafür zu zahlen. Künftig müssen sie lernen, noch genauer hinzuschauen. Denn oftmals unterscheiden sich nachhaltig erzeugte Produkte auf den ersten Blick nicht von herkömmlichen.
 
Welche Visionen haben Sie für die Zukunft des Clusters?
Bioökonomie soll die Herzen der Verbraucher erreichen. Nur, wenn sie später unsere Produkte nachfragen, hat sich unsere Forschung ausgezahlt. Wir müssen es also schaffen, die Bioökonomie nachhaltig in der Gesellschaft zu verankern.
 
Wie lange wird Ihrer Einschätzung nach der Ausbau der Modellregion Sachsen-Anhalt zur Bioökonomieregion dauern?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Die Bioökonomie wird greifbar, wenn eine Produktpalette verfügbar ist, die im Vergleich mit konventionellen Produkten bestehen kann. In kleineren Nischenmärkten kann das schon in wenigen Jahren glücken. Die breite Ausrichtung einer ganzen Region wird jedoch eher eine Generationenaufgabe. Nichtsdestotrotz hat die biobasierte Zukunft in Sachsen-Anhalt bereits begonnen.
 

Autorin: Ines Godazgar
Kontakt:
Dr. Horst Mosler
Geschäftsführer
BioEconomy Cluster
Weinbergweg 22
06120 Halle (Saale)
Telefon: 0345-13 14 27 30
www.bioeconomy.de

vorheriger Beitrag nächster Beitrag