Wirkstoff für Dynamik

Das Unternehmen Merz Pharma ist eine feste Größe unter den Pharmaherstellern in Sachsen-Anhalt. Ein Gespräch mit Standortleiter Björn Niemczak über die Investitionen von Merz in Dessau, die Vorzüge des Biopharmaparks und Besuchertipps in seiner Heimat.

 

Seit über 20 Jahren betreibt Merz einen Standort in Dessau. Wenn Sie in den Rückspiegel schauen - wie hat sich der Standort seitdem entwickelt? 

Björn Niemczak: Merz hat sein Engagement 2002 mit zwei Mitarbeitern im Biopharmapark Dessau gestartet. Die Aufgabenstellung bestand seiner Zeit darin, eine kleine Wirkstoffproduktionsanlage zu betreiben und alle anderen Schritte der Herstellungskette über Vertragspartner zu realisieren. Gut 20 Jahre später ist ein moderner Pharma-Produktionsstandort anzutreffen, in dem das Unternehmen circa 130 Millionen Euro investiert hat und knapp 300 Arbeitsplätze anbietet. Neben der Wirkstoffproduktion sind nun auch alle weiteren Wertschöpfungsschritte in hochautomatisierten Produktionsanlagen am Standort Dessau etabliert.

Unsere Herausforderung in Dessau ist es, das für Lebewesen tödlichste bekannteste Gift Botulinumtoxin industriell herzustellen. Dieses in der Natur vorkommende Gift überführen wir in eine kontrollierte, industrielle Fertigung mit konstant hoher Qualität und unter Wahrung der Sicherheit und des Schutzes unserer Mitarbeiter. Auf diese Weise stellen wir ein Produkt her, das das Leben vieler Patienten erheblich verbessert. Das macht das Produkt und die Aufgabe so besonders.

Aufgrund der hervorragenden Entwicklung des Produktes im therapeutischen und ästhetischen Bereich, produzieren wir Botulinumtoxin in Dessau für mittlerweile mehr als 70 Länder und schaffen es, die hohen Markteintrittsbarrieren für den US-amerikanischen und asiatischen Markt zu erfüllen. Ergänzt wurde der Produktionsstandort Dessau um eine weitere Produktgruppe, wie die Herstellung von Dermalfillern.

Mich begeistert die pragmatische und zielorientierte Arbeitsweise hier am Standort und ich bin hoch motiviert, zusammen mit dem Team unser Produktionswerk zu stärken und weiterzuentwickeln und somit der Region in Form von attraktiven Arbeitsplätzen etwas zurück geben zu können.

 

Im vergangenen Jahr hat Merz eine Erweiterung im Rahmen von 40 Millionen Euro bekanntgegeben. Was entsteht dabei und wie ist der aktuelle Stand? 

Björn Niemczak: Merz hat in Dessau eine zweite Produktionslinie für die sterile Abfüllung und Gefriertrocknung eingeweiht. Damit wird der eigene Produktionsoutput am Standort verdreifacht. In diesem Jahr erfolgte zudem die Inbetriebnahme eines weiteren Neubaus, was unter anderem ein modernes Hochregallager beinhaltet sowie sämtliche Supportprozesse für die Realisierung der zusätzlichen Produktionskapazität beherbergt.

Diese Investition von etwa 40 Millionen Euro konnte innerhalb des gesetzten Zeitrahmens umgesetzt werden und parallel zur auf Volllast laufenden Routineproduktion durch interne Teammitglieder geleitet und betreut werden.

Jeder einzelne Bereich des Botulinumtoxin-Produktionsprozesses hat seine Besonderheiten und Herausforderungen. Angefangen bei der Herstellung des Wirkstoffs. Hier werden die einzelnen biotechnologischen Produktionsschritte mit Geräten durchgeführt, die exklusiv für unseren Prozess entwickelt wurden. In rund 200 Produktionsschritten wird über einen Zeitraum von vier Wochen das reine, komplexfreie Botulinumtoxin hergestellt. Die anschließende Abfüllung der verdünnten Wirkstofflösung in unsere Fläschchen und die 28-Stunden andauernde Gefriertrocknung, müssen unter sterilen Bedingungen ablaufen. Bezüglich der Herstellungsanforderungen ist das die „hohe Kunst“ unter den pharmazeutischen Herstellprozessen. Auch die Freigabeprüfung mit einem zellbasierten, biologischen Assay ist ein komplexer Prozess, der innerhalb einer Prüfzeit von neun Tagen etwa 100 einzelne Pipettierschritte umfasst.

Darüber hinaus arbeiteten wir an den nächsten Erweiterungsmaßnahmen und werden am Standort in den nächsten drei Jahren weitere 40 Millionen Euro für Automatisierungs- und Erweiterungsprojekte investieren. Dabei sind uns vor allem der Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsgedanke wichtig. Der Mensch-Maschinen-Interaktion gehört die Zukunft, um die Produktionsprozesse effizienter und Personenunabhängiger zu gestalten. Ziel ist es, Merz Dessau in eine „NetZero-Factory“ zu transformieren. Dafür haben wir eine entsprechende Maßnahmen-Roadmap hinterlegt, bei der wir bis 2030 die CO2-Emmission um 80 Prozent reduzieren möchten.

 

Der Biopharmapark Dessau-Rosslau zählt zu den dreizehn so genannten Zukunftsorten in Sachsen-Anhalt. Wie schätzen Sie das Potenzial des Pharmaparks ein? 

Björn Niemczak: Wegen der fachlichen Kompetenz vor Ort und auch wegen der attraktiven Erweiterungsoptionen ist die Ansiedlung im Biopharmapark Dessau-Roßlau eine gute Entscheidung gewesen. Die pharmazeutischen Unternehmen profitieren hier von einer funktionierenden Infrastruktur und vom guten Servicenetzwerk sowie von der Nähe zu den Wissenschaftsstädten Leipzig und Halle, Magdeburg und Berlin. Aus diesen Einzugsgebieten kommen Ingenieure, Chemiker, Biologen, Apotheker und Laboranten.

Ich persönlich bin begeistert von der Entwicklung des Biopharmaparks und freue mich insbesondere über die regionale Perspektive, die durch die starken Arbeitgeber, für die Kultur und die Menschen in der Umgebung gegeben wird.

Als gebürtiger Wittenberger war ich nach meinem Studium in Magdeburg für acht Jahre in Rheinhessen und habe die Entwicklungen im Biopharmapark stets beobachtet. Als ich 2014 nach Sachsen-Anhalt zurückkehrte und bei Merz in Dessau startete, war ich beeindruckt von den Rahmenbedingungen und dem Potential. Die Strahlkraft, die von der Attraktivität des Biopharmaparks ausgeht, wird der ganzen Region guttun und bietet eine Perspektive für junge, motivierte Menschen.

 

Der Fachkräftemangel ist in nahezu allen Branchen ein großes Thema. Wie ist die Situation diesbezüglich bei Merz in Dessau? 

Wir schätzen uns glücklich, dass wir uns proaktiv mit dem Thema beschäftigen konnten und dadurch in der Lage waren, frühzeitig Initiativen und Rahmenbedingungen zu gestalten. Das führte dazu, dass wir in den ersten drei Monaten unseres aktuellen Geschäftsjahres bereits 95 Prozent der 50 neuen Arbeitsstellen besetzen konnten. Wir bei Merz Dessau verfolgen verschiedene Ansätze, um eine starke und bekannte Arbeitgebermarke in der Region zu sein. Im Rahmen von Smart Work arbeiten wir in interdisziplinären Teams an der Gestaltung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen für eine sichere Perspektive in der Region. Aber vor allem sind wir in der Lage verschiedene Perspektiven und Entwicklungshorizonte anzubieten, die es ermöglichen, sich in Richtung Fach- und Führungskarriere zu entwickeln. Dabei ist es uns wichtig, moderne Arbeitsplätze anzubieten, die generationsübergreifend geeignet sind und unsere respektvolle Unternehmenskultur bewahren.

 

 

Wenn Sie einem Gast drei Ausflugsziele in Sachsen-Anhalt empfehlen dürften – welche wären das und warum? 

Wittenberg – nicht nur weil ich dort geboren bin und die Reformationsgeschichte dort den Anfang nahm, sondern weil ich beeindruckt bin, mit welcher Dynamik sich die Stadt und die Umgebung entwickelt haben.

Magdeburg – weil ich dort fünf Jahre gelebt habe und feststellen konnte, dass sich die Stadt mit großen Schritten in eine moderne, familienfreundliche Großstadt entwickelt, die für alle Generationen etwas zu bieten hat und durch die industriellen Ansiedlungen in der Umgebung noch großartige Perspektiven vor sich hat.

Dessau-Rosslau – basierend auf dem Durchschnittsalter der Einwohner würde man die Stadt sicherlich nicht als dynamisch bezeichnen. Der Aufschwung in den letzten Jahren ist aber signifikant und durch die kleinen und großen Ansiedlungen und Initiativen bewegen die Menschen in Dessau-Rosslau etwas. Neben den historischen Meisterhäusern lädt die ländliche Umgebung zum Erkunden ein.

 

Autor: Friedemann Kahl

 

Echtzeit Sachsen-Anhalt

 

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