Sonnige Pläne
Die Solarindustrie in Deutschland ist wettbewerbsfähig. Doch sie benötigt Rückendeckung, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Ein Gespräch mit Jochen Fritsche, Werkleiter bei Meyer Burger in Bitterfeld-Wolfen, über den Standort Sachsen-Anhalt, die Konkurrenz in Asien und nachhaltige Produktionsprozesse.
Das Schweizer Unternehmen Meyer Burger entwickelte sich vom Zulieferer für die Uhrenindustrie, später zum Maschinen-Hersteller für die Solarbranche, hin zum Produzenten von Solarzellen und Solarmodulen. Das Unternehmen beschäftigt etwa 1.500 Mitarbeitende – davon rund 400 im Werk in Bitterfeld-Wolfen. Im Stadtteil Thalheim produziert Meyer Burger täglich bis zu 1 Mio. sogenannte Halb-Zellen. Von dort gehen sie nach Freiberg in Sachsen, wo die Module montiert werden.
Meyer Burger möchte seinen Standort in Bitterfeld-Wolfen deutlich ausbauen. Wie ist der aktuelle Stand bei diesem Vorhaben?
Jochen Fritsche: Gegenwärtig produzieren wir hier am Standort Solarzellen mit einer Kapazität von 1,4 Gigawatt. Sehr gern wollen wir hier weiter ausbauen, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Die dafür notwendigen Gebäude und Flächen haben wir uns gesichert. Eine Förderzusage der EU zum weiteren Ausbau unserer Produktionsstandorte liegt vor und kann einen möglichen Ausbau auch in Thalheim beschleunigen. Aus strategischen Gründen haben wir unseren nächsten Ausbauschritt nach Colorado in den USA verlegt. Dort bauen wir eine Solarzellen-Fabrik auf, um der großen Nachfrage auf dem nordamerikanischen Markt nachzukommen.
Die Solar-Branche entwickelt sich in einem rasanten Tempo. Wie blicken Sie aktuell auf den Weltmarkt?
Jochen Fritsche: Wir haben es gegenwärtig mit einer enormen Verzerrung auf dem Markt zu tun. Dabei kommen mehrere Faktoren zusammen. Zum einen haben sich große Lagerbestände bei Solarmodulen gebildet, da die USA chinesische Produkte nicht mehr uneingeschränkt ins Land lassen, weil die Herkunft und die Bedingungen der Produktion nicht nachvollziehbar sind. Ein weiterer Grund dafür liegt in der wirtschaftspolitischen Strategie Chinas, das muss man ganz klar so benennen. Der chinesische Staat subventioniert die Solarindustrie massiv, sodass die Hersteller die Solarmodule unter dem Herstellungspreis auf dem Weltmarlt anbieten können. Es geht uns nicht darum, chinesische Module vom Markt zu verbannen oder Strafzölle zu erheben. Was wir in Europa benötigen, sind nachvollziehbare Kriterien für die Bedingungen, unter denen die Module hergestellt worden sind, um sie hier vertreiben zu können. Zudem muss in Deutschland und Europa die Solarproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette gestärkt werden. Nur so lassen sich Abhängigkeiten vermeiden und es kann sich ein fairer Wettbewerb in diesem Wachstumsfeld entwickeln.
Wie wettbewerbsfähig ist Meyer Burger im Vergleich zu Herstellern aus Asien?
Jochen Fritsche: Unsere Produktion ist vollautomatisiert, wir benötigen also vergleichsweise wenige Mitarbeitende für die Massenfertigung von Solarmodulen. Das heißt, die Personalkosten sind für uns nicht der entscheidende Faktor. Die Materialkosten sind etwa vergleichbar, weil wir unter dem Strich die gleichen Materialien nutzen wie andere Produzenten. Auch die Energiekosten sind für uns kein Wettbewerbsnachteil, weil unsere Technologie keine Hochtemperaturen von 800 bis 1.000 Grad Celsius benötigt, sondern maximal gut 200 Grad Celsius. Unterm Strich liegen unsere Energiekosten im einstelligen Prozentbereich bei der Betrachtung der Gesamtproduktionskosten und spielen deshalb keine signifikante Rolle. Unsere Technologie basiert auf vier Prozessschritten – bei asiatischen Produzenten fallen zehn oder mehr an. Wir nutzen unsere Produktionsflächen sehr effizient und können heute auf derselben Fläche ein Vielfaches von dem erzeugen, was mit der bisherigen Technologie möglich war. Kurz zusammengefasst heißt das: Wir sind mit unseren Produkten voll wettbewerbsfähig.
Die Solar-Branche entfaltet gegenwärtig eine hohe Dynamik – welchen Stellenwert nimmt bei Meyer Burger die Forschung und Entwicklung ein?
Jochen Fritsche: Mit 175 Leuten ist die Forschung und Entwicklung fest im Unternehmen verankert. Meyer Burger kommt aus dem Maschinenbau, da gehört das Tüfteln, Probieren und Experimentieren quasi zu unserer Unternehmens-DNA. Die Tatsache, dass wir unsere Produktionsstrecken selbst entwickeln und bauen, ist unser großer Vorteil gegenüber dem Wettbewerb. Technologieführerschaft heißt für uns auch, dass wir das Ende unserer Produkte bereits am Anfang mitbedenken. Deshalb spielt das Thema Recycling bei uns eine wichtige Rolle.
Die Solar-Industrie ist in der Region Bitterfeld-Wolfen seit über 20 Jahren ansässig. Sie haben diese Entwicklung in verschiedenen Unternehmen miterlebt – wie beurteilen Sie den Solar-Standort Sachsen-Anhalt?
Jochen Fritsche: Ich arbeite seit 2004 im so genannten Solar Valley und habe die Höhen und Tiefen der Solar-Branche mitgemacht. Die Bedingungen haben sich im Lauf der Jahre geändert. Wir befinden uns heute mitten in einer Energiewende und die Solarenergie ist die mit Abstand profitabelste Energieerzeugungsform. Das war vor zehn Jahren noch nicht der Fall. Es gab zwar die Technologie, aber man wollte sie nicht um jeden Preis im Land halten. Bedingt durch die Krisen in der Welt gab es gesellschaftlich und politisch ein Umdenken mit dem Ziel, zukünftig die massive Abhängigkeit Deutschlands bei der Energieversorgung zu reduzieren.
Der Standort Bitterfeld-Wolfen hat in diesem Zeitraum seine Attraktivität behalten, weil es eine gute Infrastruktur und Fachkräfte gibt sowie Erfahrungen bei der Industrie-Ansiedelung. Unternehmen bekommen hier Unterstützung und haben Entfaltungsmöglichkeiten. Auch die Bevölkerung ist neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen nach dem Motto: „Wir sind ein Chemiestandort und wissen, wie man damit lebt.“ Die Stadt und der hiesige Chemiepark leben in einer Art zukunftsfähiger Symbiose.
Auch auf der industriellen Forschungsebene arbeiten wir intensiv mit regionalen Instituten und Bildungseinrichtungen zusammen, zum Beispiel mit dem Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik in Halle (Saale) ebenso wie mit der Hochschule Anhalt und der Hochschule Merseburg.
Autor: Friedemann Kahl