Bienensterben: Pfiffige Bienen nutzen Honig als Medikament

Forscher aus Halle/Saale entdecken, dass kranke Bienen sich selbst bei der Genesung helfen können.

Fliegt eine Biene in die Apotheke … So könnte ein Witz losgehen, den sich Forscher des Instituts für Biologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erzählen. Denn sie haben herausgefunden, warum die Biene gar keine Medikamente braucht: Sie sucht sich ihr Heilmittel selbst – in Form von Honig.

Dr. Silvio Erler ist einer der Biologen, der sich mit der Frage beschäftigt, ob erkrankte Bienen einen anderen Honig bevorzugen. Der 31-jährige Wissenschaftler untersuchte gemeinsam mit Prof. Robin Moritz und weiteren Forschern an der Universität Cluj-Napoca in Rumänien, ob Bienen  Honig nicht nur als Nahrungsmittel nutzen, sondern auch als Heilmittel zur Behandlung ihrer Krankheiten. „Wir haben in Experimenten herausgefunden, dass erkrankte Bienen bei der Wahl des Honigs tatsächlich nicht nur den Nährwert berücksichtigen, sondern auch den Heilwert“, sagt Silvio Erler.

Auf die Idee zu dieser Studie sind die Biologen gekommen, weil das Bienensterben seit einigen Jahren Imkern und Landwirten weltweit Sorgen bereitet. Als mögliche Ursachen des Phänomens werden eine Unter- oder Fehlernährung der Bienen durch Monokulturen in der Landwirtschaft, Pestizide, Krankheitserreger, Parasitenbefall und Immunschwäche diskutiert.

„Am Punkt Immunsystem haben wir angesetzt“, erläutert Silvio Erler. In einem Bienenstock leben mehrere Tausend Bienen auf engem Raum zusammen. Bei 35 Grad Lufttemperatur und einer hohen Luftfeuchtigkeit herrschen ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Die Bienen wehren Infektionen zum einen mit Hilfe ihres angeborenen Immunsystems ab, zum anderen enthält der von ihnen produzierte Honig natürliche Inhaltsstoffe, die gegen Bakterien, Pilze oder Viren wirken. Diese können den Bienen helfen, ihre Krankheiten zu kurieren.

Um das herauszufinden, haben die Forscher mehrere Hundert Bienen mit einem Darmpilz infiziert und gesunden wie kranken Bienen verschiedene Honigsorten angeboten. „Wir haben beobachtet, dass die erkrankten Bienen eine deutliche Vorliebe für Sonnenblumen-Honig entwickelten, während der Honigtau-Honig von ihnen verschmäht wurde“, so Erler.

Anschließend untersuchte er mit seinen Kollegen in einem weiteren Experiment die Wirksamkeit der Honigsorten auf die Darminfektion. „Dabei konnten wir nachweisen, dass Bienen, die sich ausschließlich von Sonnenblumen-Honig ernährt hatten, in der Tat nicht mehr so stark vom Darmpilz befallen waren.“ Auch im Labortest konnte der Sonnenblumen-Honig seine bessere Wirkung beweisen. „Honig ist also nicht nur gesund für den Menschen, sondern auch für die Bienen selbst“, fasst Silvio Erler zusammen. „Sie wählen im Krankheitsfall nicht die Sorte, die ihnen besser schmeckt, sondern die, die Ihnen gut tut.“

Der Biologe will jedoch die Forschungsergebnisse nicht falsch verstanden wissen: „Was das für die gesundheitsfördernde Wirkung des Honigs beim Menschen bedeutet, wissen wir nicht. Es geht auf jeden Fall nicht darum, dass alle Imker ihre Bienenwagen nun nur noch neben Sonnenblumen-Feldern aufstellen.“ Viel wichtiger sei es, darauf zu achten, dass die Bienen ihr natürliches Verhalten beibehalten können und ihr Speiseplan nicht eingeschränkt wird.

Kritisch sieht er die sogenannten Honigfarmen in den USA. „Millionen Bienenvölker werden in Trucks zur Mandelbaum-Plantage gebracht. Wenn die Blüten bestäubt und befruchtet sind, werden sie Tausende Kilometer weiter zu einer Apfelplantage transportiert, wo der nächste Job wartet.“

Hierzulande machen vor allem die Monokulturen – also der einseitige Anbau von Pflanzen – in der Landwirtschaft den Imkern Sorgen. Nach der Ernte finden die Bienen keine Pollen und keinen Nektar mehr. Weil Monokulturen immer häufiger artenreiche Mischlandschaften verdrängen, ist der tierische Speiseplan eingeschränkt. Das schwächt das Immunsystem der Bienen. „Unsere Studie legt die Idee nahe, dass es sinnvoll wäre, wenn der Imker den Bienen immer verschiedene Nektarquellen anbietet“, sagt Silvio Erler.

Bei Fachtagungen suchen er und seine Kollegen nun das Gespräch mit Imkern, in Fachzeitschriften erscheinen Beiträge über ihre aktuelle Studie. „Wenn unsere Ergebnisse dazu beitragen können, das Bienensterben eines Tages in den Griff zu bekommen, wäre das wunderbar“, blickt Silvio Erler in die Zukunft. Er will neben seiner Lehrtätigkeit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die Forschungen  auf jeden Fall fortsetzen.

Autorin: Dana Toschner im Auftrag der IMG Sachsen-Anhalt
Kontakt zum Institut:
Dr. Silvio Erler
Institut für Biologie – Zoologie
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Tel: +49 (0) 345 55 263 05
E-Mail: silvio.erler@zoologie.uni-halle.de

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