„Ohne Risiko gibt’s keine Erfolge“
Investieren oder über kurz oder lang vom Markt verschwinden? Diese beiden Möglichkeiten sah Gerhard Frommelius vor gut einem Jahr für sein Familienunternehmen. Doch er wusste, dass nur gewinnen kann, wer etwas wagt. Die Urokink Industries AG verlegte ihren Hauptsitz von Niedersachsen nach Halberstadt in Sachsen-Anhalt, zog in eine größere Produktions- und Lagerhalle und verstärkte den Außendienst. Das Risiko hat sich gelohnt.
„Made in Germany“ steht deutlich lesbar auf den Kartons, die im Lager der Halberstädter Medizintechnikfirma Urokink Industries AG gerade zum Versand verpackt werden. In vielen Ländern der Welt gilt der Verweis auf die Produktion in Deutschland nach wie vor als Qualitätssiegel. Gerhard Frommelius, Vorstandsvorsitzender von Urokink, sieht im Qualitätsversprechen nicht nur eine Floskel. „Bei unseren Produkten können wir uns keine Fehler leisten“, sagt er entschieden.
Die Firma, die zunächst ihren Hauptsitz in Bad Münder bei Hannover hatte, stellt seit 2002 am Standort in Halberstadt Medizintechnik für die Urologie her. „Unsere endourologischen Produkte leiten den Urin von der Niere über den Harnleiter in die Blase. Die harnableitenden Produkte transportieren den Urin von der Blase aus dem Körper“, erklärt Gerhard Frommelius. Die Ureterschienen, Urinbeutel und Katheter, die im Reinraum seines Unternehmens steril verpackt werden, gehen an Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Arztpraxen, Pflegedienste und in den Fachhandel in ganz Deutschland. Peu à peu sollen nun auch Abnehmer im Ausland gefunden werden – es gibt erste Kontakte nach Frankreich, Vietnam, in den Iran, nach Saudi-Arabien und Dubai.
„Unsere Qualität ist unser Markenzeichen“, sagt Unternehmensgründer Gerhard Frommelius selbstbewusst und zeigt auf die gerahmten Zertifikate, die an der Wand des Besprechungsraumes hängen. Die hohen Qualitätsanforderungen der Europäischen Union, die an Medizinprodukte gestellt werden, bevor sie eine Zertifizierung erhalten, findet er hart, aber richtig. „Schließlich geht es um die Sicherheit und das Wohlbefinden der Patienten.“ Seit nunmehr 20 Jahren drehen sich seine Gedanken um die Frage, wie man die Urokink-Produkte weiterentwickeln und verbessern kann. Als Gerhard Frommelius anfing, sich mit Kathetern und dergleichen zu beschäftigen, war er 57 Jahre alt. Der Maschinenbau-Ingenieur hatte viele Jahre als Außendienstmitarbeiter für die Pharmaindustrie gearbeitet und noch keine Lust, sich zur Ruhe zu setzen. Er gründete Urokink und entwickelte erste Produkte. „Ich lasse nicht locke, bis etwas wirklich perfekt ist“, charakterisiert er sich selbst. Wenn man ein Produkt erfolgreich am Markt platzieren wolle, sei es wichtig, dass man es nicht vom Schreibtisch aus entwickelt. „Ich habe in den urologischen Abteilungen von vielen Kliniken hospitiert, damit ich weiß, was wo und warum eingesetzt wird.“ Unverzichtbar sei außerdem die permanente Rücksprache mit Urologen.
Gerhard Frommelius nimmt einen weißen dünnen Schlauch in die Hand, um die besonderen Materialeigenschaften zu zeigen. Die Feinschläuche, die Urokink verwendet, werden von der Halberstädter Firma Novoplast hergestellt. „Wir haben das Material zusammen entwickelt. Es kommt darauf an, dass Salze aus dem Urin nicht innen daran haften und sich nicht außen an der Oberfläche ablagern. Wenn sich scharfkantige Beläge auf den Ureterschienen bilden, kann das beim Entfernen zu Schmerzen führen. Das verhindern wir durch unser Material.“ Die neu entwickelten Dauer-Ureterschienen können bis zu einem halben Jahr im Körper verbleiben.
Fortschrittliche Lösungen zu finden ist das, wofür der 77-jährige Firmengründer brennt. Vor einigen Jahren hat er Schwiegersohn Martin Hahn mit ins Boot geholt, der sich um die Finanzen und den Vertrieb kümmert. 2013 stand das kleine Unternehmen vor einer großen Entscheidung. „Wir wären so nicht weiter gekommen, die Familie konnte es sich nicht mehr allein leisten. Wir wären vom Markt verschwunden, wenn wir uns nicht entschlossen hätten, zu expandieren“, erzählt Gerhard Frommelius offen. Die Urokink Industries AG verstärkte die Außendienst-Mannschaft und damit die Aktivitäten, um auch im Ausland Fuß zu fassen. Man verlegte den Hauptsitz der Firma von Niedersachsen nach Halberstadt in Sachsen-Anhalt, wo bisher nur die Produktion stattfand, mietete eine größere Produktions- und Lagerhalle an, stellte Mitarbeiter ein. „Natürlich war das ein Risiko“, räumt Gerhard Frommelius ein. „Wir mussten Kredite aufnehmen. Aber, wie sagt man so schön: No risk, no fun.“ Weil die Investitionsbank und die Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt das Vorhaben unterstützen, soll der Firmensitz nun auch auf lange Sicht hier bleiben. „Das gehört sich einfach so. Das ist meine Philosopie.“
Ein Jahr nach der wegweisenden Entscheidung ist sich der Vorstandsvorsitzende sicher, dass sie richtig war. Auf dem hart umkämpften Medizinmarkt kann die Firma, die derzeit 29 Mitarbeiter beschäftigt, immer mehr Partner gewinnen. Den Jahresumsatz 2013 hat Urokink 2014 schon nach nur einem Halbjahr erreicht. Nun ist es an der Zeit für neue Gedankenspiele. „Ein eigener Firmensitz statt der gemieteten Räume, das wäre ein sinnvoller nächster Schritt“, plant Gerhard Frommelius in die Zukunft.
Autorin: Dana Toschner
Kontakt:
Urokink Industries AG
Otto-Spielmann-Str. 2
38820 Halberstadt
Tel.: 03941 588 891
www.urokink.de