Der ländlichen Region neue Impulse geben

Alle zwei Jahre veranstaltet der Deutsche LandFrauenverband (dlv)ein bundesweites Treffen. 2014 lädt Sachsen-Anhalt zum LandFrauentag ein. Zur Festveranstaltung vom 2. bis 4. Juli haben sich 2.500 Teilnehmerinnen aus dem gesamten Bundesgebiet angesagt. Auch die Präsidentin des dlv, Brigitte Scherb, wird dabei sein. Die 59-Jährige kommt aus Bredelem bei Goslar und ist Mutter von drei erwachsenen Kindern. Alle Kinder leben beruflich wie privat „auf dem Lande“. Durch die Gespräche in der Familie und die Begegnung auf bundesweiten Treffen weiß Brigitte Scherb genau, was die Frauen in den ländlichen Regionen bewegt und bewegen.

IMG: Frau Scherb, als sie 2007 zur Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes gewählt wurden, waren Sie schon viele Jahre Mitglied im dlv, hatten ehrenamtliche Tätigkeit u.a. im LandFrauenverein Goslar geleistet. Worin bestand für Sie als junge Frau die Motivation für Eintritt und Engagement bei den LandFrauen?

Brigitte Scherb: Ich bin Landwirtstochter und bin mit einem Landwirten verheiratet. Ich war jung, kam neu in unser Dorf und bekam auch bald mein erstes Kind. Bei den LandFrauen fand ich soziale Kontakte außerhalb des Familienkreises. Natürlich waren uns Geselligkeit und Begegnung wichtig. Unsere Themen blieben aber nicht beschränkt auf Kindererziehung und auf das, was man Traditionspflege nennt. Das Bildungsangebot unseres Vereins war sehr vielfältig: Kurse, Seminare, Vorträge und Fahrten. Die Interessen von Landfrauen sind natürlich auch auf ihren Wohn- und Wirkungsbereich konzentriert. Wir gestalteten unser Umfeld mit, kümmerten uns um Fragen der Direktvermarktung und der Einkommensalternativen, veranstalteten den „Tag des offenen Hofes“ und verbanden unser Tun mit Botschaften an die Politik des Landes, des Bundes, auch der EU. Alles Dinge, die auch heute wesentliche Inhalte der LandFrauenarbeit sind.

IMG: Mit dem Fall der innerdeutschen Grenze wurden einige dieser Themen auch im anderen Teil Deutschlands wichtig. Waren Sie mit diesen Frauen gleich auf einer Linie?

Brigitte Scherb: Die Frauen im Osten Deutschlands waren natürlich vor einem ganz anderen gesellschaftlichen Hintergrund aufgewachsen. Etliche unserer Themen hatten nicht die Relevanz für sie wie für uns. Es gab auch nach den ersten nicht immer positiven Erfahrungen der Wiedervereinigung mancherorts eine zögerliche und abwartende Haltung gegenüber dem, was aus dem Westen kommt. Aber überall dort, wo persönliche Kontakte zustande kamen, gab es bald beiderseitiges Interesse am Erfahrungsaustausch. Und einen großen Bedarf an vor allem „bürokratischer“ Unterstützung, was die Gründung der Kreisvereine oder der Ortsgruppen betrifft.

IMG: Sind die LandFrauen in den letzten Jahren politischer geworden?

Brigitte Scherb: Ja. Neben den agrarpolitischen Themen interessieren wir uns zunehmend für Fragen der Frauen- und Gesellschaftspolitik. Ein Beispiel ist angesichts des demografischen Wandels die Frage der Daseinsvorsorge. Der Staat hat unseres Erachtens hier eine Fürsorgepflicht. Wir beobachten eine Tendenz, auch angesichts knapper werdender finanzieller Ressourcen, Aufgaben in das Ehrenamt zu verlagern. Gerade für Frauen mit einem nachgewiesenen Helfer-Naturell entstehen hier Fallen, die zu Überforderung führen.

Auf dem Lande geht es konkret zum Beispiel um die Infrastruktur. Das Leben im ländlichen Raum wird erschwert, Kindereinrichtungen und Schulen schließen, auch Arztpraxen und Einkaufsläden. Kaum eine Familie kommt ohne zweites Auto aus.

Heute haben wir nicht mehr den Unterschied zwischen Ost und West, sondern einen gravierenden zwischen Stadt und Land. Der LandFrauenverband sieht sich da als Interessenvertretung und bietet die Möglichkeit, sich in einem großen Verbund jenseits von Parteien zu engagieren.

IMG: Der LandFrauenverband in Sachsen-Anhalt hat sehr aktive Ortsvereine. Es gibt aber auch noch die weißen Flecken auf der Landkarte gibt. Woran liegt das?

Brigitte Scherb: Vielleicht rückt bei der öffentlichen Wahrnehmung des LandFrauenverbandes der Aspekt der Traditionspflege zu sehr in den Vordergrund. Das Binden der Erntekronen und die schönen Brauchtumsfeste finden eben medial viel öfter und in schönen großen Bildern statt. Darin findet sich aber unsere Zielgruppe, Frauen von heute, nicht unbedingt wieder. Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf, Karriere und Ehrenamt ist nach wie vor nicht immer leicht gegeben. Da überlegt sich „Frau“ genau, wofür sie sich in ihrer knappen Freizeit ehrenamtlich engagiert. Viele machen den Schritt zu uns, weil sie erkannt haben, dass wir ein Sprachrohr sind für alle, denen es um die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse auf dem Lande geht. Durch das Erkennen und Nutzen ihrer eigenen Potentiale wollen die Frauen den Regionen, in denen sie leben und arbeiten, neue Impulse verleihen. LandFrauenvereine, die darin eine Aufgabe für sich sehen, haben für mich Zukunft.

IMG: Hinzu kommt, dass die demografische Entwicklung besonders auf das Landleben spürbare Auswirkungen hat.

Brigitte Scherb: Ja. Das ist natürlich auch ein Grund, warum es in manchen Gegenden zahlenmäßig nicht reicht für einen arbeitsfähigen Ortsverband. Allerdings gibt es dort Frauen, die sich trotzdem engagieren wollen. Die können sich als Einzelmitglied in den Kreisverband oder in den Landesverband einbringen.

Mit etwa 1.000 Mitgliedern ist der LandFrauen-Verband in Sachsen-Anhalt der größte Frauenverband im ländlichen Raum. Gemessen an den großen westdeutschen Verbänden aber zahlenmäßig nicht so groß. Dass er sich trotzdem um die Ausrichtung unseres Bundesfestes beworben hat, ist respektabel und hat bestimmt eine tolle Außenwirkung. Solch ein LandFrauentag ist immer auch ein wunderbarer Beweis für das gute Miteinander und das Zusammengehörigkeitsgefühl.

(Autorin: K.Graubaum im Auftrag der IMG)

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