Sachsen-Anhalt - wo die Pioniere der Industrie 4.0 erwachsen werden

Das Ziel ist ambitioniert. Aber die Bedingungen ziemlich gut. Nicht mehr und nicht weniger als zu einem der Innovationsführer für Industrie 4.0 in Europa möchte sich Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020 entwickeln. Es versteht sich dabei als Partner der Unternehmen, denen es ideale Startbedingungen für den Eintritt in das neue technologische Zeitalter bietet.

Vor einer grundlegenden Veränderung und einem fundamentalen Strukturwandel steht die Industrie mit der fortschreitenden Digitalisierung. Für  Thyssen Krupp Presta ist ihre sachsen-anhaltische Pilotanlage in Schönebeck daher einer von vielen Schritten zu mehr Zukunftsfähigkeit. Produziert werden hier nicht nur Lenkungskomponenten für die Autoindustrie, sondern auch Daten für die Wolke – und das in Echtzeit. Eine solche  „IT-Fabrik“  befindet sich übrigens in Biere vor den Toren der Landeshauptstadt Magdeburg. Hier hat die Deutsche Telekom Deutschlands größtes Data Center gebaut und sorgt dafür, dass Cloud-Computing-Kunden aus der Wirtschaft störungsfreien und sicheren Zugriff auf ihre Unternehmensdaten haben.

Pilotanlage mit Cloud

Während der Produktion werden mehrere hundert Messdaten aufgezeichnet und von einer spezialisierten Software in einer Cloud sortiert und analysiert. Damit lassen sich Rückschlüsse auf das Zusammenspiel und die Auswirkungen der verschiedenen Prozessschritte ziehen. „Unsere Produktion wird somit wesentlich effizienter und flexibler”, sagt Thyssen Krupp Geschäftsführer Sascha Singer. „Zudem lassen sich Fehler sofort erkennen und korrigieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass fehlerhafte Produkte das Werk verlassen, geht gegen Null.“

AVANTI zur intelligenten Fabrik

Auch das Magdeburger Institut für Automation und Kommunikation e.V. (ifak) arbeitet an der Verwirklichung der Vision von der Industrie 4.0. Ein neues Testsystem, das bei den vorausgehenden 3D Simulierungen alle Abläufe automatisch und systematisch abarbeitet, soll die Inbetriebnahmezeiten der Fertigungsstrecken für  neue Fahrzeugtypen weiter verkürzen. In das Projekt AVANTI mit dem Daimler-Konzern und Partnern aus Finnland und der Türkei ist neben ifak auch das Magdeburger Unternehmen tarakos GmbH eingebunden. Tarakos entwickelt Software für die 3D Visualisierung und Simulierung, mit der Fehler in der Steuerung oder bei Anlagenkomponenten vor der Inbetriebnahme der realen Anlagen korrigiert werden können. Gemeinsam treiben die Projektpartner die Automatisierung der virtuellen Inbetriebnahme der Fertigungsstrecken voran.

Gebündelte Kompetenz

Vor allem der Maschinen- und Anlagenbau gehört zu den bedeutendsten Industriezweigen im Bundesland. Getrieben wird die Entwicklung von einer überdurchschnittlich wachsenden IT Branche mit Global Playern wie IBM, T-Systems oder Dell und über 15.000 Mitarbeitern, die Sachsen-Anhalts Branchen auf Zukunft programmieren.  

Laut Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt sind zurzeit rund 15.000 Beschäftigte in 155 Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus in Sachsen-Anhalt tätig. Rund 40 Prozent aller Verkäufe gehen ins Ausland.

In den auf Ingenieurnachwuchs spezialisierten Universitäten sind 11.000 Studenten der Ingenieurwissenschaften und mehr als 7.000 Studenten der Mathematik und Informatik immatrikuliert.

Vernetzt in die Zukunft

Diese beiden Welten noch stärker miteinander verbinden soll künftig das „Kompetenzcenter Wirtschaft 4.0”. Eine Plattform, in der sich Unternehmen mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie anderen relevanten Akteuren vernetzen. Das ist eine der Handlungsempfehlungen der Studie „Industrie 4.0 im Maschinen- und Anlagenbau“, die der Zweckverband zur Förderung des Maschinen- und Anlagenbaus Sachsen-Anhalt (FASA) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums durchgeführt hat.  

Das Konzept zur Umsetzung der vierten industriellen Revolution hat zunächst eine Wegstrecke bis 2020 im Blick. Und es findet großen Anklang.  Joachim Peisker von der Weber Industrieller Rohrleitungsbau und Anlagenbau GmbH Co. KG in Merseburg bestätigt dies: „Entscheidend ist, unsere Marktposition weltweit zu halten und zu stabilisieren. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um effizient und profitabel zu arbeiten und uns gegenüber unseren Wettbewerbern durchzusetzen.“

„Unsere Studie soll die Unternehmen motivieren und ihnen helfen, die richtigen Hebel zu finden und erfolgreich bei der Modernisierung ihrer Informations- und Kommunikationstechnologien einzusetzen“, sagt FASA Geschäftsführerin Andrea Urbansky. Die Anwendungsfelder erstrecken sich von Serviceleistungen eines Unternehmens, über den Produktionsprozess, bis hin zur Produktgestaltung. 

Mut für Reformen

Die Projekte zur digitalen Fabrik sind  Beleg für  die Experimentierfreudigkeit sowie den steten Reformwillen und den Mut für Neues in Sachsen-Anhalt. Eigenschaften, die die lange Ingenieurtradition des Landes seit jeher prägen – und in der sich nun die virtuelle mit der realen Fertigungswelt genial verbindet.

Quelle: FAZ Sonderbeilage "Wirtschaftsstandort Ostdeutschland"

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