Lignin - Neues Leben für einen alten Stoff
Sachsen-Anhalts Zukunftsbranche
Das Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg und das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP Leuna kooperieren im Spitzencluster Bioökonomie Sachsen-Anhalt.
Lignin ist eigentlich ein Abfallprodukt bei der Gewinnung von Zellstoff. Dieser organische Stoff ist in der pflanzlichen Zellwand eingelagert und verleiht dem Holz seine Druck- und Bruchfestigkeit. Schätzungsweise Millionen Tonnen Lignin aus verholzter Biomasse fallen jedes Jahr an. Bislang werden davon rund 95 Prozent zur Gewinnung von Prozessenergie und zum Recycling der Aufschlusschemikalien verbrannt. So weit, so schlecht!
Das unscheinbare bräunliche Pulver kann mehr, als nur als Brennstoff zu dienen, sagt Peter Schulze, Chemieingenieur am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg.
Er stellt drei kleine Gläser auf den Labortisch. Eines mit groben Holzhackschnitzeln, eines mit einer schwarzbraunen Flüssigkeit und eben jenes mit dem bräunlichen Lignin-Pulver. Das ist vereinfacht der Ablauf des OrganoSolv-Prozesses zur Gewinnung von Lignin und Cellulose aus Lignocellulose, sprich Holzfasern, erzählt Peter Schulz weiter.
Die Lösung für ein altes Problem
Beim alt bekannten OrganoSolv-Prozess wird das Lignin in Ethanol und Wasser bei rund 200 Grad Celsius gelöst. Aus der dunkelbraunen Lignin-Lösung wird dann das Lignin durch Ethanolverdampfung oder Wasserverdünnung ausgefällt. Anschließend wird filtriert und getrocknet. Diese Fällungsprozesse sind energetisch aufwändig, unwirtschaftlich und in der Praxis nur schwer zu steuern. Denn das Lignin fängt ab einem bestimmten Verhältnis von Temperatur und Ethanol-Konzentration der Kochlauge an, zu einer zähen und pechschwarzen Masse zu verkleben, erzählt der Chemieingenieur. Der Fakt war bekannt. Nur wusste bislang niemand genau, an welchem Punkt die Kochlauge perfekt ausbalanciert ist und das Lignin gefällt werden kann, ohne dabei zu verkleben.
Bis die Forscher-Kollegen vom Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP aus Leuna 2013 um Unterstützung baten. Denn im Max-Planck-Institut Magdeburg sind die 240 Wissenschaftler und Mitarbeiter auf die Erforschung solcher dynamischen und hochkomplexen Prozesse spezialisiert. Noch im selben Jahr wurde zwischen beiden Instituten ein Kooperationsvertrag geschlossen.
Die Aufgabe bekam der 29jährige Chemieingenieur Peter Schulze vom Leiter der Fachgruppe für Physikalisch-Chemische Grundlagen der Prozesstechnik Prof. Dr.-Ing. Andreas Seidel-Morgenstern übertragen. Peter Schulze kann als Projektverantwortlicher eigenständig arbeiten und forschen. Aber als er zum ersten Mal von Lignin hörte, musste er schon noch mal nachlesen, mit was für einem Forschungsgegenstand er es zu tun hat, gesteht Peter Schulze. Ein Jahr lang wurde getestet, in unzähligen Messreihen analysiert. „Dann hatten wir die Lösung und das perfekte Verhältnis“, erzählt Peter Schulze nicht ohne Stolz.
Vom Labor zur industriellen Produktion
2014 wurde das verbesserte Verfahren zur Ligninfällung zusammen mit den Kollegen vom Fraunhofer CBP patentiert. Und die Ergebnisse der Analysen von Peter Schulze fließen demnächst in eine Pilotanlage in Leuna ein, die Lignin semi-kontinuierlich und in größeren Maßstäben produziert. Somit wird die Lücke zwischen Labor und industrieller Umsetzung deutlich kleiner. Denkbar sind dann auch die verschiedenen Größenverteilungen der Lignin-Partikel, was für die Weiterverarbeitung wichtig sein wird. Schließlich stecken in dem unscheinbaren bräunlichen Pulver viele Potentiale. Zum einen könnte es zu neuen und recyclingfähigen und CO2-neutralen Werkstoffen weiterverarbeitet werden und kann Kunststoffe auf Basis fossiler Rohstoffe, wie zum Beispiel Erdöl, ersetzen.
Sachsen-Anhalts Zukunftsbranche
Die Chemie- und Bioökonomie ist ein Schwerpunkt der Regionalen Innovationsstrategie (RIS), in der Sachsen-Anhalt das Ziel formuliert hat bis zum Jahr 2020 zu den europäischen Innovationsführern aufzusteigen. Hier hat Sachsen-Anhalt mit dem Standort Leuna bereits einen internationalen Ruf erlangt. Moderne, effiziente und umweltfreundliche Technologien, entwickelt in enger Kooperation mit der Industrie, den Universitäten und den Forschungseinrichtungen, sollen Sachsen-Anhalt in den kommenden Jahren noch weiter zu einem Schwerpunkt im Bereich Chemie und Bioökonomie werden lassen. Mit ressourcenschonenden und energieeffizienten Produktionsprozessen und Werkstoffen soll Sachsen-Anhalt sich auf dem Weltmarkt behaupten.
Peter Schulze ist schon wieder beschäftigt mit weiteren Messungen in seinem Labor am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg. Obwohl es ihn nach seinem Studium des Chemieingenieurwesens an der Otto-von-Guericke-Universität der Landeshauptstadt erstmal in die freie Wirtschaft gezogen hat, ist er wieder in die Wissenschaft zurückgekehrt: „Ich brauchte neue Herausforderungen und bin so gezielt auf das Max-Planck-Institut Magdeburg zugegangen.“ Derzeit schreibt er an seiner Doktorarbeit, die sich natürlich mit Lignin beschäftigt. Jenes unscheinbare bräunliche Pulver, das so viele Potentiale hat. Sie nutzbar zu machen, ist die Aufgabe von Wissenschaftlern und Ingenieuren am Max-Planck-Institut in Magdeburg.