Das Multitalent Holz erlebt eine Renaissance

Forscher aus Halle wollen mit „BioUD-Tapes“ künftig auch tragende Teile im Auto aus Zelluloseregenerat-Fasern herstellen.

Spielzeugautos aus Holz sind etwas Feines. Sie halten ewig, verkraften Kratzer und bringen unsere Kinder in Schwung. Für Papa wären Autos aus Holz allerdings nichts: zu schwer, zu brüchig, eine Katastrophe in der CO2-Bilanz. Das könnte sich bald ändern. Die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik in Halle (IWM) arbeiten an einem Werkstoff, der Fasern aus Holz enthält und Bauteile aus Metall ersetzen soll. Gleichzeitig entwickeln und testen sie im Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum in Schkopau Anlagen, die in der Lage sein sollen, den neuen Werkstoff großtechnisch zu verarbeiten.

„Nur dann ist er auch attraktiv für die Automobilindustrie“, erklärt Claudia Möhl. Gemeinsam mit ihren Kollegen versucht die Ingenieurin, die Holzfasern zu Hochleistungsbaustoffen zu verarbeiten. Wobei der Begriff Holzfaser unpräzise ist. „Wir nutzen Zelluloseregenerat-Fasern, kurz CRF. Dabei wird Holz in seine chemischen Bestandteile zerlegt und neu zusammengesetzt“, erklärt die 35-Jährige, die sich schon im Studium für die Naturfasern begeisterte. 

CRF sind endlos – darin unterscheiden sie sich von Holzfasern, aber auch von Naturfasern wie Hanf oder Flachs. Sie zählen wegen der chemischen Modifizierung zu den synthetischen Fasern. Die Stars sind hier Glas- und Karbonfasern, aber CRF können in bestimmten Bereichen durchaus mit ihnen mithalten. Dank der Endlosfasern lassen sie sich leicht in bestehende Produktionsprozesse einbinden. „Unsere Faser dehnt sich allerdings mehr als eine Glasfaser und wird bei anderen Temperaturen in Kunststoffe eingebracht“, gibt Möhl Beispiele für Fragen, die bei der Verarbeitung neu beantwortet werden müssen.

Wie ihre synthetischen Schwestern, werden auch die Regeneratfasern in dünne Kunststoff-Schichten eingebettet. Diese so genannten BioUD-Tapes sind sehr flexibel einsetzbar und sollen, so das Ziel der Forscher, künftig auch in höher belastbare Teile der Autos verbaut werden. „Bis jetzt können wir zwar aus einem Holzfaser-Kunststoffgemisch gering belastete Bauteile wie eine Hutablage oder eine Innenverkleidung spritzgießen oder pressen. Aber ein ausreichendes Crash-Verhalten, um die Energie eines Unfall zu absorbieren, bekommen wir mit derartigen Verbundwerkstoffen noch nicht realisiert.“

Mit den BioUD-Tapes soll das Holz großtechnisch zurück ins Auto finden. Damit bestehende Produktionsprozesse nur minimal angepasst werden müssen, könnten Laminate, die aus den Tapes hergestellt werden, wie ein Einleger fungieren. Sie werden im Spritzgussverfahren dort im Werkzeug eingelegt, wo die größten Lasten im Bauteil wirken, und anschließend mit einem Kunststoffmaterial umspritzt. „Die Tapes, in denen die Fasern parallel ausgerichtet sind, werden so übereinander gepresst, dass sie der späteren Lastrichtung entsprechen.“

Aber warum sollte man bestehende Werkstoffe überhaupt ersetzen und Herstellungsabläufe ändern? „Da kommt die Nachhaltigkeit ins Spiel“, sagt Möhl. Strenge EU-Vorschriften zwingen Automobilhersteller dazu, immer bessere Recyclingquoten zu erreichen und den CO2-Ausstoß sowohl bei der Herstellung als auch beim Verbrauch der Fahrzeuge drastisch zu senken. Die Verbundstoffe aus Zelluloseregenerat lassen sich problemlos wiederverwenden – im Gegensatz zu Glas- und Karbonfaser-Verbünden, die zudem den Verschleiß der Maschinen während der Herstellung beschleunigen. „Mit unserer Faser wären die Hersteller solche Sorgen los“, meint Claudia Möhl.

Und noch einen entscheidenden Vorteil könnte die großtechnische Verwendung von Zelluloseregenerat-Fasern vorweisen: Bäume wachsen überall, während der Anbau von Hanf und Flachs weltweit kaum wirtschaftlich betrieben werden kann. Wenn holzfaserverstärkte Kunststoffe Metallteile ersetzen, wird das Fahrzeug insgesamt leichter und filigraner. Weniger Kraftstoff würde benötigt. CRF dämmt zudem hervorragend und schützt die Insassen besser vor Lärm und Hitze.

Bis Ende 2017 wollen die Forscher in Schkopau und Halle einen Demonstrator entwickelt haben, der den Autobauern beweist, dass Kunststoff-Verstärkungselemente mit Zelluloseregenerat-Fasern in die Massenproduktion eingebunden werden können. Die Autos der Zukunft wären noch umweltfreundlicher und nachhaltiger. Sogar gestalterisch gäbe es neue Optionen, denn im Gegensatz zu Hanf und Flachs gast CRF nichts aus – sie könnte im sichtbaren Bereich verbaut werden, erklärt Claudia Möhl. „Unser BioUD-Tape sieht wahnsinnig elegant aus. Davon wird sich schon bald jeder überzeugen können. Ich bin mir sicher: Unserem Werkstoff gehört die Zukunft.“

Autorin: Kathrin Wöhler

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