Einstieg in den Markt der Medizinkosmetik
"Das mischen wir Ihnen an"
Einige Salben und Tropfen, die Ärzte verschreiben, werden nach wie vor in der Apotheke hergestellt. Die Grundlagen für diese Mischungen produziert ein Unternehmen aus Sachsen-Anhalt. Die PKH Halle überzeugte nach der Wende nicht nur die Apotheken Ostdeutschlands: Nahezu alle Apotheken der Unikliniken des Landes sowie einige Spitalapotheken der Schweiz bestellen regelmäßig die Rezepturen der Marke „Apomix“.
„Sobald Sie rote Zahlen schreiben, machen wir Sie dicht.“ Eine klare Ansage – aber Angst hat sie bei Hiltrud Neidhardt nicht ausgelöst. Das war 1991, als sich die Hallenserin entschloss, mit der Treuhand als Hauptgesellschafter die Querschnittsabteilungen des damaligen Pharmazeutischen Zentrums als GmbH auszugründen. Und dabei ist sie geblieben: keine Angst vor neuen Wegen. Heute führt die inzwischen 71-Jährige ein Unternehmen, das von Apothekern in ganz Deutschland geschätzt wird – und sogar häufig „nach den guten DDR-Standardrezepturen produziert, für die wir uns nicht schämen müssen.“
Dabei lebt Hiltrud Neidhardt keineswegs in der Vergangenheit, im Gegenteil: Sie besetzt mit ihrem Unternehmen, der PKH Halle, eine ausgesprochen profitable Nische. Auch deshalb, weil sie immer wieder Geld in die Hand genommen und Neues ausprobiert hat. „Wir hatten von Anfang an feste Kunden, viele beliefern wir seit 25 Jahren. Das hat uns zu jeder Zeit den Rücken gestärkt“, sagt Neidhardt.
Ein Blick zurück erklärt vieles: Mit dem Einigungsvertrag wurden alle Pharmazeutischen Zentren, die Dienstleister der Apotheken, aufgelöst. Sie stellten Grundrezepturen her und kontrollierten Ausgangsstoffe für das Mischen von Salben, Öle und Tropfen, bevor sie diese an die Apotheken auslieferten. Plötzlich waren die Apotheker auf sich allein gestellt. Hiltrud Neidhardt, damals Chefin der Querschnittsabteilungen im Halle-Neustädter Zentrum, übernahm alle Mitarbeiter, die Mischmaschinen und Prüfgeräte und fing an, die Apotheken wieder zu beliefern.
„Wir kamen schnell an unsere Grenzen, was die Bestellabläufe und Auslieferungen anging “, erinnert sich Neidhardt. Zunehmend gab sie die Logistik an Pharma-Großhändler, die wiederum die Produkte an ihre bestehenden Kunden weiterempfahlen. „Unsere Grundrezepturen waren begehrt: Viele Ärzte verschrieben sie weiterhin, weil sie vertraut waren.“ Schnell sprach sich im gesamten Osten herum: In Halle gibt es eine Firma, die nach DDR-Standardrezepturen produziert.
1992 kaufte Hiltrud Neidhardt das Unternehmen von der Treuhand, übernahm in diesem Zuge auch eine Wolfener Firma und deren Mitarbeiter. Sie kündigte niemandem: „Wir brauchten jede Hand.“ Kurz vor der Jahrtausendwende, als die neue Produktionsstätte fertiggestellt worden war, schrieb Neidhardt ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte der PKH. „Weil wir im Reinraum arbeiten, konnten wir die Qualität aller Produkte weiter erhöhen.“ In der Sterilabteilung des Hauses entstehen unterdessen keimfreie Öle, Salben und Tropfen für die Anwendung am Auge oder im OP. Ihre Nische findet das Unternehmen in komplett konservierungsmittelfreien Salben und Grundrezepturen. „Damit sind wir einzigartig am Markt.“
Die neue Technologie hatte ihren Preis: Mit vier Millionen D-Mark schlug der Neubau zu Buche, den Hitrud Neidhardt 1998 auf dem weinberg campus, Ostdeutschlands zweitgrößtem Wissenschafts- und Technologiepark, errichten ließ. Hier konzentriert auch die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ihre wissenschaftlichen Bereiche, sodass Forschung und Anwendung Hand in Hand gehen. Auch die PKH Halle profitiert von dieser Nähe: Im Unternehmen arbeiten immer wieder Studierende der Pharmazie, die auftauchende Fragen im Rahmen von Projekten bearbeiten.
Dank der Fördermittel vom Land Sachsen-Anhalt ließ sich die Investition in das Gebäude stemmen. Während Anfang der 90er Jahre etwa eine halbe Tonne Salbengrundlagen pro Monat hergestellt wurde, waren es 1998 schon zwei Tonnen – in diesem Jahr schaffen die Mitarbeiter schon zehn Tonnen pro Monat. Abgefüllt werden sie in rund 4000 verschiedene Packungen, von der 10-g-Dose oder 10-ml-Flasche bis hin zur 25-kg-Salbentonne. Die Produkte laufen seit 2004 unter der Marke Apomix.
Mit dem Einsatz von Computertechnik und weiterer Maschinen konnte die Produktion langsam, aber kontinuierlich wachsen. Damit befindet sich die PKH Halle in guter Gesellschaft: Zahlreiche regionale Unternehmen der Pharmaziebranche, zum Beispiel IDT Biologika, Oncotec, Pharma Wernigerode oder Bayer Bitterfeld, erweitern derzeit ihre Produktionskapazitäten.
Axel Neidhardt, der im kommenden Jahr Teile der Geschäfte von seiner Mutter übernimmt, denkt bereits weiter. „Wir sind noch immer eine Manufaktur. Wir müssen expandieren, dann haben wir bei den Verhandlungen mit den Großhändlern mehr Spielraum. Bei großen Abnahmemengen können wir anders rechnen.“ Deshalb steht auf dem Hof eine neue Lagerhalle, und die Finanzierung für eine noch größere Mischanlage steht.
Kunden der Hallenser sind seit langem nicht mehr nur Apotheken, sondern vor allem Krankenhäuser. Deren Klinik-Apotheken haben einen großen Bedarf an Grundrezepturen für Salben, Öle und Tropfen, die sie dann spezifisch auf die hauseigenen Anfragen anpassen, erklärt Hiltrud Neidhardt. „Es lohnt sich für diese Apotheken nicht, selbst alle nötigen Wirkstoffe vorrätig zu haben. Da ist wieder unsere Nische.“
So sind die Neidhardts auch auf die Schweizer gekommen. „Spitalapotheken“, sagt die Chefin und imitiert schmunzelnd den Schweizer Akzent. Durch den starken Franken seien die Preise der PKH Halle ausgesprochen attraktiv. Auf ein gutes Geschäft hoffen die Unternehmer außerdem mit Blick auf Deutschlands OP-Säle. In einem Forschungsprojekt testen Ärzte des Uniklinikums Greifswald Cremes, die Chirurgen als Hautschutz verwenden. So behandelt, schlüpfen die Hände leichter in die Handschuhe, trocknen darin nicht aus und bleiben trotzdem steril. „Die Charité zeigt an diesen Test großes Interesse. Das wär natürlich ein Ding“, sagt Hiltud Neidhardt.
Und noch so ein „Ding“ steht in den Startlöchern. Zur Messe „expopharm“ im Oktober bringen die Neidhardts ein neues Produkt heraus: eine Meersalz-Creme. Sie soll die Tür zum lukrativen Geschäft der Medizinkosmetik weiter aufstoßen. „Einige unserer Salben, zum Beispiel für Neurodermitiker, sind schon seit Jahren als fertiges Produkt in der Apotheke erhältlich. Mit unserer Meersalz-Creme wollen wir aber noch stärker auf unsere Kompetenz in diesem Gebiet aufmerksam machen“, sagt Neidhardt, der Betriebswirt. Er habe, so ergänzt seine Mutter schmunzelnd, mit seinem Eintritt 2007 nicht nur die Technisierung des Unternehmens vorangetrieben, sondern auch die Ästhetik. „Jetzt sehen unsere Produkte auch richtig schick aus – das Auge cremt eben mit.“
Fotografin und Autorin: Kathrin Wöhler