Wer kreative Mitarbeiter sucht, muss kreativ um sie werben

„Fachkräftemangel gibt es nicht!“, behauptet Martin Gaedt, Autor, Redner, Gründer einer Internetplattform für clevere Köpfe und seit dem Erscheinen seines Buches „Mythos Fachkräftemangel“ ausgewiesener Experte zu diesem Thema. Dem einen ist er Provokateur, dem anderen Inspirator. Martin Gaedt ist beides recht, wenn es Unternehmern und Personalleitern hilft, den Blick für Schwächen im Recruiting zu schärfen und pfiffige Werbestrategien zu entwickeln.  „Der Mangel ist individuell und hausgemacht“, bei dieser Aussage bleibt Martin Gaedt, „solange zehntausende gut ausgebildete Bewerber immer wieder Ablehnungen erfahren, solange es Altersdiskriminierung gibt und Fachkräfte ins Ausland gehen, weil ihr Können hier nicht gefragt scheint.“ Gaedt sieht einen Mangel an pfiffigen Ideen, an Kooperations-bereitschaft und am Willen, in die Entwicklung der Mitarbeiter zu investieren oder innovative Arbeitszeitmodelle auszuprobieren.

Von einem flächendeckenden Fachkräftemangel wollen auch die Industrie- und Handelskammern (IHK) in Halle-Dessau und Magdeburg derzeit noch nicht sprechen, aber das Angebot wird knapper und der Wettbewerb der Unternehmen um Arbeitskräfte wird schärfer. Als Gründe führt Dr. Christof Altmann, Pressesprecher und Leiter Standortpolitik der IHK Halle-Dessau, die ungünstige demografische Entwicklung mit niedrigen Schulabgängerzahlen an, den Ansturm auf die Hochschulen und die teilweise mangelnde Ausbildungsreife mancher Schulabgänger. Zusätzlich verschärft werde das demografische Problem durch die Rente mit 63. Auch die kleinteilige Wirtschaftsstruktur wirke sich nachteilig aus, so Altmann. „Kleine und mittlere Betriebe aus der Region können bei der Lohnhöhe selten mit westdeutschen Großkonzernen mithalten. Manchmal gelingt es, diesen Nachteil durch ‚weiche Faktoren‘ auszugleichen, aber eben nicht immer.“

„In einem schärfer werdenden Wettbewerb um kluge Köpfe ist unternehmerische Kreativität gefragt. Aber mit Marketing allein können wir keine strukturellen Probleme lösen, also beispielsweise die demografische Entwicklung beeinflussen. Hier besteht ganz klar politischer Handlungsbedarf“, betont Altmann. Das Bildungssystem müsse gestärkt und insbesondere die duale Berufsausbildung als grundsätzlich gleichwertige Alternative zum Studium erhalten werden. Die qualifizierte Zuwanderung zu erleichtern und die Eintrittshürden von Zuwanderern auf dem Arbeitsmarkt zu senken, wäre ebenfalls hilfreich. Über eine Reform der Sozialversicherungssysteme könnten zudem bisher nicht erwerbstätige Menschen für den ersten Arbeitsmarkt aktiviert werden.

In den nächsten Jahren werde sich der Mangel weiter verschärfen, sagt Mathias Schönenberger, bei der IHK Magdeburg zuständig für Fachkräftesicherung. Laut einer aktuellen Studie der Bundesagentur für Arbeit würden im Jahr 2020 in Sachsen-Anhalt rund 78.000 Fachkräfte fehlen, vor allem in gewerblich-technischen und medizinischen Berufen sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe. Jedes Unternehmen sei gut beraten, jetzt die Weichen für die Zukunft zu stellen.

„Viele Firmen haben bereits Anstrengungen unternommen, um Fachkräfte zu gewinnen. Das reicht von der Integrationsunterstützung für In- und Ausländer bis zu Modellen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, sagt Schönenberger. „Trotzdem können einige keine geeigneten Bewerber finden.“ Nach Umfragen der beiden Industrie- und Handelskammern in Sachsen-Anhalt haben von denjenigen Unternehmen, die Fachkräfte suchen, etwa die Hälfte Probleme, die offenen Stellen innerhalb von zwei Monaten zu besetzen. Besonders hoch ist dieser Anteil mit gut 70 Prozent im Gastgewerbe, gefolgt vom Baugewerbe und vom Handel mit jeweils über 50 Prozent.

Um ihre Mitglieder zu unterstützen hat die Kammer die bereichsübergreifende Arbeitsgruppe Fachkräftesicherung gebildet, in der Problemlagen diskutiert und Strategien entwickelt werden. Seit vielen Jahren bringt die IHK-Stipendieninitiative Firmen und Studierende zusammen, Berufsfindungsmessen bieten ausbildungswilligen Betrieben eine Plattform, Schüler für sich zu interessieren, Fachberater helfen den Firmen mit Analysen und Handlungsempfehlungen. „Für jedes Unternehmen müssen dabei individuelle Lösungen gefunden werden“, so Mathias Schönenberger. Das könne der Aufbau oder die Neugestaltung des Internetauftritts sein, damit die Firma überhaupt von potenziellen Bewerbern gefunden wird, Veränderungen im Vergütungssystem oder die Verbesserung von betriebsinternen Qualifizierungsmöglichkeiten und Karrierechancen.

Erfolgreiche Fachkräftewerbung ist kreativ und umwerbend, betont Martin Gaedt, wie diese Beispiele, die er immer wieder gern nennt: Ein Unternehmen schickte Smartphones an potenzielle Kandidaten, mit einer einzigen eingespeicherten Nummer, der des Unternehmens. Ein anderes Unternehmen verband seine Ausschreibung für eine Ingenieurstelle mit einer Ticketverlosung fürs Wacken-Festival. „Beide Aktionen hatten durchschlagenden Erfolg“, berichtete Gaedt. „Wenn die Unternehmen genauso gezielt in die Fachkräftewerbung investieren würden wie in ihre Produktwerbung, müssten sie keinen Mangel beklagen“, ist er überzeugt. Auch die Veröffentlichungen über Wettbewerbspreisträger können weiterhelfen. Die Unternehmen müssen die Gewinner und Platzierten nur direkt ansprechen, „stattdessen belassen es viele dabei, langweilige Stellenanzeigen zu schalten, die qualifizierte, kreative und hochmotivierte Bewerber emotional in keiner Weise ansprechen.“

Auch Altersdiskriminierung hält sich hartnäckig, so Gaedts langjährige Beobachtung: Während sich manch 70-jähriger Unternehmer durchaus in der Lage sieht, seine erfolgreich Firma zu führen, traut er dem Bewerber, der älter als 45 Jahre ist, nicht zu, sich in seinen neuen Job einzuarbeiten. Oder der 30-jährige Personalleiter zieht bewusst oder unbewusst eine Altersgrenze. Auch jungen Stellenbewerbern werden Chancen verbaut, wenn neben der Ausbildung mehrjährige Berufserfahrung gefordert aber keine Möglichkeit gegeben wird, diese zu erlangen. „Unternehmen, die sich entschließen, stattdessen Traineestellen anzubieten, haben plötzlich keinen Fachkräftemangel“, weiß Gaedt.

Als ein weiteres geeignetes Modell nennt er die Tandembesetzung von Vollzeitstellen. Das kommt insbesondere älteren Arbeitnehmern zugute, die nicht mehr voll arbeiten wollen oder können, jungen Eltern oder Mitarbeitern, die Angehörige pflegen. „Das ist auch ein Gewinn für die Unternehmen, denn damit erweitert sich das Spektrum an Fähigkeiten, die der Firma zur Verfügung stehen und es steigt die Flexibilität, um Urlaubs- oder Krankheitstage abzudecken“, erklärt Martin Gaedt. Doch dieses Modell werde nur zögerlich genutzt. Ebenso scheuten sich Unternehmen, Fachkräfte, die sie selbst nicht einstellen können, an andere Unternehmen weiterzuempfehlen. Hier sei das Konkurrenzdenken im Weg.

„Wichtig ist“, so Gaedt, „dass die Werbestrategie zum Unternehmen und zu den Fachkräften passt, die gesucht werden. Das kann ein Firmenblog mit guten Texten oder herausragenden Fotos sein, das Sponsoring des Sportfestes im Ort, der Beitrag im Fachmedium oder die enge Kooperation mit Schulen und Hochschulen.“ Möglichkeiten, Fachkräfte von heute und morgen für sich zu gewinnen, gibt es – noch immer werden sie zu wenig genutzt.  

Autorin: Bettina Koch im Auftrag der IMG Sachsen-Anhalt
Foto: Staatskanzlei, Referat 21

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