Bienvenida! Welcome! Fogadtatás! - Willkommenskultur in Sachsen-Anhalt

Die demografischen Entwicklungen in Sachsen-Anhalt erfordern innovative und mutige Ideen, um Fachkräfte für das Land zu gewinnen. Eine aktuelle Studie der Wirtschaftsjunioren Deutschland belegt, dass der Fachkräftemangel immer mehr zum Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wird. Nicht immer sind freie Stellen durch Fachkräfte vor Ort zu besetzen. Neben einem guten Bildungssystem, einer aktiven Gründungs- und Wirtschaftsförderung sowie einer schlüssigen Familienpolitik gewinnt daher das Migrationsmarketing immer mehr an Bedeutung. Internationale Fachkräfte sollen in Sachsen-Anhalt dauerhaft eine neue Heimat finden.

„Migrationsmarketing ist kein Projekt oder eine einzelne Maßnahme, sondern ein dauerhafter Prozess“, beschreibt Professor Dr. Uwe Manschwetus  diesen neuen Begriff. Gemeinsam mit Professor Dr. Jens Cordes ist er Mitherausgeber des Buches „Migrationsmarketing – Potenziale zur Schließung der demografischen Lücke“. Dabei ist das Migrationsmarketing auf Menschen ausgerichtet, die sich langfristig für eine Zukunft in Deutschland interessieren. Basis dafür bildet der Life-Course-Ansatz von Professor Dr. Jens Cordes, der die verschiedenen Lebensabschnitte beschreibt, die die Entscheidung zum Leben im Ausland beeinflussen. So können bereits ein Schüleraustausch oder ein Auslandssemester im Studium das Interesse für ein Leben in Deutschland wecken. „Das Migrationsmarketing soll keine temporären Probleme durch Gastarbeiter lösen, sondern durch gezielte Maßnahmen demografische Lücken schließen“, betont Manschwetus. Wichtig ist eine sehr differenzierte Ansprache passend zu den jeweiligen Kulturkreisen und Wertvorstellungen. So können die deutschen Tugenden in einigen Ländern durchaus als Alleinstellungsmerkmal dienen. Stärken anderer Kulturkreise, wie beispielsweise die Achtung des Alters im asiatischen Raum, bieten wiederum Fachkräftepotenzial für bestimmte Berufszweige (bspw. Pflegeberufe).

Migrationsmarketing bedeutet gleichermaßen den Aufbau einer Willkommenskultur im Land. Behördengänge müssen erleichtert, Sprachbarrieren überwunden und die Integration in die Bevölkerung vollzogen werden. Doch neben den politischen Rahmenbedingungen liegt es auch an den Unternehmen selbst, Fachkräfte zu finden und zu halten. Der international agierende Automobilzulieferer Nemak hat seine Form der Willkommenskultur bereits aktiv umgesetzt. Rund 15 ungarische Fachkräfte wurden hier für unterschiedlichste Bereiche gewonnen. Spezielle Sprachkurse und ein aktives Mentorenprogramm erleichtern den neuen Mitarbeitern den Start ins Unternehmen und auch darüber hinaus die Integration in die Gesellschaft.

Auch die KS ATAG Trimet Guss GmbH in Harzgerode sucht Nachwuchskräfte im europäischen Ausland. Für ihr Engagement wurde das Unternehmen aktuell mit dem Unternehmenspreis für mehr Willkommenskultur des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) ausgezeichnet. Aus Mangel an interessierten Jugendlichen für die offenen Ausbildungsplätze wurden bereits 2013 Kontakte nach Spanien aufgenommen. Das Unternehmen finanzierte für mehrere Jugendliche die Sprachschule und einen ersten Besuch im Harz. Mit Unterstützung der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) gehört mittlerweile Unai Usin Bengoa als Azubi zur Belegschaft in Harzgerode. Er persönlich fühlt sich wohl und sieht durchaus seine Zukunft im Harz und in Sachsen-Anhalt. „Ausländische Mitarbeiter sind bei uns noch sehr selten“, so Frank Wenzel, Ausbilder für technische Berufe. „Umso mehr wollen wir Unai ein Heimatgefühl und ein Miteinander bieten – das Engagement hört dabei nicht am Werksgelände auf.“ Mit dem Preisgeld aus dem Wettbewerb soll im kommenden Jahr ein weiteres Projekt zur Gewinnung von Auszubildenden im europäischen Ausland finanziert werden.

Tino Grosche, Sprecher der Wirtschaftsjunioren Magdeburg, sieht für das Migrationsmarketing eine große politische Hürde. „Für die Arbeitserlaubnis ausländischer Fachkräfte gilt ein Mindesteinkommen, je nach Berufszweig, von rund 38.000 EUR bis 48.000 EUR“, berichtet er. „Gerade für Jungunternehmer kann diese Auflage ein Ausschlusskriterium für internationale Fachkräfte sein“. Die Wirtschaftsjunioren Deutschland setzen sich allgemein dafür ein, dass politische Hürden für das Unternehmertum im Land abgebaut werden.

Auch Klemens Gutmann, Präsident des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt e.V., sieht bei dem Thema Migration Chancen und Entwicklungspotenzial für das Land: "Das Land braucht Fachkräfte aus jeder Himmelsrichtung. In vielen deutschen Städten und Regionen ist Zuwanderung eine Selbstverständlichkeit - hier in Sachsen-Anhalt müssen wir diese Selbstverständlichkeit zum Teil erst noch lernen. Deshalb ist das Binnenmarketing genauso wichtig wie das Außenmarketing. An der Universität, in Entwickler- und Forscherteams, in dem einen oder anderen Fernsehkanal ist es schon gang und gäbe, dass ein Deutscher mit dunkler Haut oder fremd klingendem Namen mitarbeitet. So muss dies auch im Alltag werden: in Industrie, Dienstleistung, in der öffentlichen Verwaltung, aber auch beispielsweise im Schulunterricht. Deshalb unterstütze ich beispielsweise die internationale Schule "Ecole" in Barleben."

Einig sind sich alle Beteiligten, dass das Migrationsmarketing nur ein Baustein vieler Maßnahmen ist, die die Wettbewerbsfähigkeit und die Lebensqualität im Land erhalten und steigern.

Autorin: Miriam Fuchs im Auftrag der IMG Sachsen-Anhalt

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