AkzoNobel ist im ChemiePark Teil einer profitablen Wertschöpfungskette

Stoff- und Kompetenzverbund am Standort Bitterfeld-Wolfen

„Chlor sollte dort hergestellt werden, wo es verbraucht wird“, sagt Stefan Kauerauf, Werkleiter des niederländischen AkzoNobel-Konzerns im ChemiePark Bitterfeld-Wolfen im Süden des deutschen Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Mit 70 Mitarbeitern betreibt das Unternehmen eine Chlor-Alkali-Elektrolyse nach dem Membranverfahren sowie Anlagen zur Herstellung von Chlorwasserstoff, Salzsäure und Chlorbleichlauge. Das Werk befindet sich nicht nur inmitten bedeutender Abnehmer von Chlor, Natronlauge und Wasserstoff, sondern es erhält von diesen auch Ausgangsstoffe für die eigene Produktion zurück. Das mehr als 18 Kilometer lange Rohrbrückennetz des Industrieareals schafft einen Stoffverbund, der die angeschlossenen Betriebe von komplexen logistischen Aktivitäten größtenteils befreit und so die Wirtschaftlichkeit erhöht. „Der ChemiePark mit seiner exzellenten Infrastruktur ist für uns so etwas wie in der Tourismusbranche die Pauschalreise mit Rundum-sorglos-Paket“, sagt Kauerauf. Diese Expertise hat Tradition: Sachsen-Anhalt ist die Geburtsstätte des Chemiepark-Konzeptes und zählt mit insgesamt fünf chemischen Industrieparks heute zu den wichtigsten Chemiezentren Europas.

Den niederländischen Investor AkzoNobel hatte am Standort Bitterfeld-Wolfen gereizt, was Pioniere der Chlorchemie bereits anzog, als sie 1894 die erste industrielle Chlorelektrolyse in Betrieb nahmen: Es gab viele freie Flächen, Arbeitskräfte, den Rohstoff Salz und den Energieträger Braunkohle. Als die Niederländer 1997 zunächst im Joint Venture mit der Preussag AG als ECI Elektro-Chemie GmbH Ibbenbüren die Bitterfelder Chlor-Alkali GmbH übernahmen, gab es im ChemiePark bereits zahlreiche sanierte Flächen, ein ausgebautes Straßen-, Schienen- und Rohrleitungsnetz, qualifizierte Fachkräfte, eine Pipeline, die Natriumchlorid aus Bernburg in den Chemiepark befördert und eine verzweigte, insgesamt rund 150 Kilometer lange Rohrleitung, durch die die Linde AG Wasserstoff zu Industriekunden der Region liefert.

Im Zuge der Profilierung des Mischkonzerns Preussag zum Tourismuskonzern TUI übernahm der niederländische Konzern 2002 dessen Anteil am Joint Venture und gestaltete das Unternehmen zur AkzoNobel Industrial Chemicals GmbH um. „Wir sind Teil einer Wertschöpfungskette, die mit innovativen Produkten attraktive Marktsegmente bedient“, betont Stefan Kauerauf. So beliefert AkzoNobel zum Beispiel im Stoffverbund Evonik Industries mit Chlorwasserstoff. Evonik benötigt den Grundstoff für die Herstellung von Siliciumtetrachlorid, das wiederum über eine Rohrleitung an Heraeus geliefert wird. Das Bitterfelder Werk des deutschen Technologiekonzerns produziert daraus hochreines Quarzglas für optische Lichtwellenleiter. Nebenprodukte werden im vollständig geschlossenen Chlorstoffkreislauf wiederum an AkzoNobel zurückgeführt.

„Dank der Tradition der chemischen Industrie in dieser Region trifft die Branche auf eine hohe Akzeptanz der Bevölkerung“, hebt Kauerauf hervor. Auch in den Behörden gebe es viele Mitarbeiter mit guter Chemie-Fachkenntnis, so würden Genehmigungsverfahren kompetent und zügig bearbeitet. Die nahe Hochschul- und Forschungslandschaft mit der Hochschule Anhalt in Köthen, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM und dem Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP sieht Kauerauf als weiteres Plus für den Standort. Zwar gestaltet sich die Gewinnung des Fachkräftenachwuchses aufgrund der gesunkenen Schulabgängerzahlen auch für AkzoNobel schwieriger, in Kooperation mit dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) werden jedoch Akzente gesetzt, um Mädchen und Jungen frühzeitig für die Chemie zu interessieren. Kauerauf nennt den Experimentalwettbewerb Chemkids, die finanzielle Unterstützung von Schulen zur besseren Ausstattung des Chemieunterrichts oder Aktionstage zum Thema Ausbildung.

Eine große Herausforderung sieht der Werkleiter in der Energiewende. Bezahlbare Energie, Einsparung und Effizienz sind für die energieintensive chemische Industrie überlebenswichtig. Die Zukunft sieht Kauerauf in der Weiterentwicklung erneuerbarer Energien, die rund um den ChemiePark Bitterfeld-Wolfen reichlich produziert werden. Mit dem mitteldeutschen Forschungsverbund HYPOS wird die Vision von der Wasserstoff-Modell-Region Mitteldeutschland greifbar. Durch chemische Verfahren soll nicht speicherfähiger Wind- und Solarstrom in den speicherfähigen Energieträger Wasserstoff umgewandelt werden. „Dank einer leistungsfähigen chemischen Industrie und den hier vorhandenen Kavernen zum Speichern des Wasserstoffs bietet die Region dafür beste Voraussetzungen“, so Stefan Kauerauf.

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