Marco Polo lernt gerade laufen – MotionWorks sorgt für internationale Anerkennung Sachen-Anhalts in der Filmbranche
Farbig sind die vorgegebenen Zeitphasen im Produktionsplan von „Marco Polo“ eingetragen. Groß hängt der Plan im Büro der „kreativen Ökonomen“, wie Tony Loeser seine Kollegen bezeichnet. Sie planen eine Produktion und müssen dann dafür sorgen, dass Zeit und Budget eingehalten, die Produktionen von MotionWorks fristgemäß fertig werden. Vor allem, wenn es sich um eine internationale Koproduktion handelt wie bei „Marco Polo“. In Kanada wird am Script geschrieben, in Luxemburg starten in diesem Monat die Arbeiten an den 3D-Ausführungen für den Hintergrund. Die Iren werden an der Animation arbeiten. Aber zuerst wird in Halle die Pilotfolge fertig produziert, die erste von 26 „Halbstündern“.
Tony Loeser führt in die Werkstatt von „Marco Polo“. Vorbei an Türen, durch die es in die „Ringelgasse 19“ geht, zum „kleinen Eisbären“, zum Kikaninchen oder zu den drei Freunden von „Mullewapp“. Hinter jeder dieser Türen sitzt ein speziell zusammengesetztes Team, das sich ausschließlich um diesen einen Animationsfilm kümmert. Animationsfilme entstehen heutzutage meistens am Computer, also auf dem digitalen Zeichenblock. Die künstlerische Handfertigkeit ist dennoch aus der Animations-Produktion nicht wegzudenken. Die Bilder sind nach wie vor Handwerk im wahren Wortsinne. Nur dass dabei ein elektronischer Stift oder die Computermaus die Helfer sind.
In der Kinderstube von Marco Polo wird emsig gezeichnet. Hier kommen die Figuren zur Welt, hier nehmen sie Gestalt an, lernen ihre ersten Laufschritte. Um sich bewegen zu können, werden ihnen zeichnerisch Gelenke eingesetzt, an denen die Animation ansetzen kann.
Auch die stilbestimmenden Grundlagen werden hier im Studio recherchiert. In diesem Falle in der Welt zu Lebzeiten von Marco Polo. Schließlich sollen die Figuren – so wie sie aussehen und wie sie sich kleiden – in jene Zeit passen. Auch die Bauten müssen zeitgemäß sein, ebenso die Alltagsgegenstände. Die recherchierten Vorlagen werden dann in den Stil der Serie übersetzt. Der richtet sich an Acht- bis Elfjährige. „Die reisen gemeinsam mit Marco Polo durch dessen Welt und unternehmen so auch eine faszinierende Abenteuereise in die Geschichte“, sagt Tony Loeser. Also kein Handy im Reisegepäck von Marco Polo? Loeser schüttelt den Kopf. „Wir sind in unserer Herangehensweise eher konservativ. Die Serien sollen auch noch in 25 Jahren laufen.“ Vor allem der grafische Stil der Serie sollte darum eher zeitlos sein, so Loeser.
Dass dies mit Kinderfilmen funktioniert, beweisen allen voran das Sandmännchen oder Biene Maja oder natürlich die Disney-Filme. „An der Erzählstruktur für Kinder hat sich seit Generationen nichts geändert“, weiß der erfahrene Trickfilmproduzent. „Die Dramaturgien bleiben die gleichen, weil sich auch die Kinder gleichen: Sie sind neugierig und voller Phantasie, haben Freude an spannend erzählten Geschichten.“
Tony Loeser, 58 Jahre alt und mittlerweile selbst ein Großvater, hat als Film- und Fernsehkameramann bei der DEFA an Kinderfilmen mitgearbeitet und sich nach der Wende mit dem Unternehmen „Ostfilm“ selbständig gemacht. Ab 1998 richtete er auch wegen der Mitteldeutschen Medienförderung in Leipzig die „Mitteldeutsche Talentschmiede“ ein, gründete gemeinsam mit seiner Kollegin Romy Roolf die MotionWorks GmbH und ging dann nach Halle – „nicht zuletzt wegen der Werbung und wegen des starken Engagements einiger Leute aus Sachsen-Anhalt“, so Loeser.
Der Animationsfilm hatte hier bis dato keine Tradition. „Viele haben über uns geschmunzelt“, sagt Tony Loeser. Inzwischen sorgt die Firma MotionWorks dafür, dass Sachsen-Anhalt, gar die Stadt Halle, in der Filmbranche international wahrgenommen werden. Trickfilme werden hier technisch wie auch inhaltlich auf hohem Niveau und nach internationalen Standards produziert. Etliche Fernsehsender sind Partner.
Die Frage, ob man sich Partner für Koproduktionen via Internet sucht, verneint Tony Loeser entschieden, dies sei ein Mensch-zu-Mensch-Geschäft. „Eine Produktion dauert zwischen drei und fünf Jahre“, sagt Loeser. Darum müsse man vorher prüfen, wer sich so lange bindet. „Das ist wie in einer Ehe. Man muss bereit sein, auch heftige Phasen und teils schwierige Probleme miteinander durchzustehen. Und: Diese gemeinsame Arbeitszeit ist ja auch die Lebenszeit eines jeden Einzelnen. Da will man sich doch nicht nur ärgern.“
Tony Loeser sieht seinem Marco Polo-Co-Regisseur Lutz Stützner über die Schulter. Mehr für das Foto zu diesem Artikel als zur Kontrolle seiner Arbeit. Stützner ist einer der alten Hasen im Geschäft des Animationsfilms, aber ganz neu im MotionWorks-Team. Daneben ist Mitbegründerin Romy Roolf – hier wie auch bei anderen Projekten die ausführende Produzentin – ein Urgestein im Unternehmen. Mit solchen erfahrenen Experten in der Stammfamilie kann sich die Firma auch immer wieder junge Leute holen, um frischen und gesunden Wind in die Studios zu bringen.
MotionWorks hat derzeit 25 Angestellte und je nach Auftragslage 50 bis 80 freie Mitarbeiter.
An „Marco Polo“ arbeiten zur Zeit zwölf Gestalter. Es werden noch mehr bis zum Ende der Produktionszeit in anderthalb Jahren. Dann wird „Marco Polo“ im Kinderkanal zu sehen sein. Die Serie ist eine ARD/MDR Co-Produktion.
Autorin/ Foto: Kathrain Graubaum
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