Mission Moos: Famo(o)se Idee für gute Luft in grünen Städten
Das Magdeburger Startup „Moosaik“ entwickelt duale Pflanzenwände
Das Magdeburger Startup „Moosaik“ will mit dualen Pflanzenwänden für eine nachhaltige Entwicklung der (Groß)städte sorgen, die Gesellschaft für die Themen Klimaschutz und nachhaltiges Handeln sensibilisieren. Dafür haben die Gründerin und der Gründer eine duale Fassadenbegrünung entwickelt, bei der Moose Schadstoffe filtern und so die Luftqualität verbessern. Mit diesem Ansatz gewannen Maren Huhle und Marco Zierau in diesem Jahr den ersten Preis beim Landeswettbewerb BESTFORM /// MEHR /// WERT /// AWARD für kreative Ideen. Jetzt starten sie mit ihrer „Mission Moos“ durch.
In vielen Innenstädten der Metropolen herrscht „dicke Luft“ – es gibt viele Schadstoffe, dafür wenig Grünflächen. Wie lässt sich das Mikroklima in urbanen Zentren verbessern, wenn sie zubetoniert sind, Parks und Grünflächen rar sind? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Städtebauer suchen nach Antworten. Das Magdeburger Startup „Moosaik“ liefert eine und setzt dabei auf die Superkräfte der ältesten lebenden Landpflanze der Erde: Moos. Diese hat in 400 Jahren Evolution erstaunliche Fähigkeiten entwickelt, ist ein Überlebenskünstler und Schadstofffilter, der Nährstoffe aus der Luft zieht. Das Startup ist nicht allein mit seiner Meinung, dass der unterschätzte Waldbewohner eine biologische Lösung gegen die Luftverschmutzung sein kann. Mit seinen Wirkungsweisen und Fähigkeiten hat sich unter anderem der 2014 verstorbene deutsche Botaniker Jan-Peter Frahm beschäftigt. Er fand heraus, dass die Pflanze einen sehr großen Anteil an Feinstaub und anderen Schadstoffen extrahieren kann. Die Bindekapazität von Moosmatten hätten sich demnach in seinem Labor als „äußerst effizient“ erwiesen. Solche Matten werden seit ein paar Jahren in der Praxis zur Filterung eingesetzt.
Moos kann als aktiver Biofilter unter anderem Feinstaub effizient aufnehmen
Das Gründer-Duo Maren Huhle und Marco Zierau hat sich mit solchem Wissen im Gepäck über den ökologischen Städtebau der Zukunft Gedanken gemacht. Die Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaftlerin und der Maschinenbauer tüfteln seit 2018 daran, wie Gebäudefassaden begrünt werden können. „Wir wollen in Zeiten der Urbanisierung die nachhaltige Entwicklung von Städten durch Vertical Gardening fördern“, sagt Maren Huhle. Entwickelt hat das „Moosaik“-Team dafür an der Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik und mit Unterstützung des Transfer- und Gründerzentrums der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität (TUGZ/OVGU) ein Fassadenbegrünungssystem, das es in sich hat – das Moos. „Es eignet sich tatsächlich hervorragend, um Schadstoffe aus der Luft aufzunehmen“, ist sich Maren Huhle sicher. Der aktive Biofilter könne unter anderem Feinstaub effizient aufnehmen. Das System, in dem das Moos steckt, besteht aus beidseitig nutzbaren Paneelen, die an Außenwänden angebracht werden können. Auf der einen Seite wachsen Moose, die Schadstoffe filtern und „ganz nebenbei“ auch als Schallschutz dienen. Auf der anderen Seite kann von Kletterpflanzen, über Werbebotschaften bis zu Kunstwerken alles Erdenkliche angebracht werden. Zusammengefügt werden die Einzelteile vor der Fassade wie ein Mosaik.
Wie das aussieht, ist an einem Gebäude auf dem Campus in Magdeburg bereits zu sehen. Hier hat das „Moosaik“-Team mit Helferinnen und Helfern im Frühjahr in dutzenden Stunden seinen Prototypen an einem Fakultätsgebäude angebracht. Die etwa sechs Meter hohe und fünf Meter breite Stahlkonstruktion, etwa 30 Zentimeter von der Wand entfernt, bietet Platz für knapp 16 „Moosaik“-Teile. Auf der Innenseite wächst wie ein grüner Teppich das Moos, der Biostaubsauger, der die Schadstoffe schluckt. Das Besondere am „Moosaik“-System wird deutlich: Das Moos ist kein trockener, lebloser Rohstoff, es lebt und gedeiht. Marco Zierau erklärt: „Die schattige Schicht zwischen Fassade und Moos ist ideal für eine gute Belüftung und eine ausreichende Versorgung mit Wasser über eine Regenwasserzisterne.“ Gesteuert wird die je nach Bedarf individuell über Sensoren.
Vertical Gardening als grüner Hingucker und Biostaubsauger
Diese Mooswand, auf der auf der Vorderseite zahlreiche Arten von Bodendeckern im Kieselsubstrat wachsen, und auf der ein Insektenhotel angebracht ist, hat auf dem Campus schon viel Neugier ausgelöst, weiß Maren Huhle. Das „Moosaik“-Team wird oft darauf angesprochen. Das Interesse an seiner „famosen“ Idee ist groß – besonders, seit es im April 2021 den ersten Preis beim kreativen Landeswettbewerb BESTFORM gewonnen hat. Die Jury würdigte „die Verbindung von Natur und Hightech“ und bezeichnete dieses Vertical Gardening als eine „natürliche Alternative zur Luftreinigung, die dazu noch ein grüner Hingucker ist“. Das Preisgeld haben die Jung-Unternehmer direkt ins Startup investiert, um mit ihren Gesellschaftern weiter an Optimierungen zu arbeiten. Wachsen soll das Startup in Sachsen-Anhalt, wo seine Wurzeln liegen. „Wir haben hier von Anfang an, ideale Bedingungen vorgefunden, haben viel Unterstützung bekommen, die Türen standen für uns offen“, meint Marco Zierau, der wie seine Geschäftspartnerin ein Absolvent der Magdeburger Uni ist.
Arbeit an einer erfolgreichen Prototypen-Testphase
Finanziert und gefördert wird das Startup derzeit von der Investitionsbank Sachsen-Anhalt und einem Investor. Am nächsten Ziel arbeiten die Gründer seit geraumer Zeit: Sie wollen bald eine erfolgreiche Prototypen-Testphase vorweisen, um 2022 mit einem serienreifen und vermarktbaren Produkt die Städte platzsparend zu begrünen, sagt Maren Huhle. Eine eigene Produktion soll dabei nicht entstehen. „Wir sehen uns eher als Dienstleister“, so die Geschäftsfrau. Für ihre „grünen Fassaden“, die skalierbar sind und durch ihre vielseitigen Gestaltungsmöglichkeiten eine individuelle „Outdoor Living Wall“ bilden können, hatten sie zunächst Industrieunternehmen und Städte im Blick. Auch durch den BESTFORM-Gewinn sei jedoch deutlich geworden, dass auch Privatkunden sehr interessiert sind.
Autorin: Manuela Bock/IMG Sachsen-Anhalt