Echte Kunststoffkreisläufe können geschlossen werden

Die APK AG aus Merseburg gewinnt mit ihrem Newcycling®-Verfahren sortenreine Kunststoffe aus Abfällen

Das Unternehmen aus Sachsen-Anhalt ist das erste, das auf industriellem Niveau sortenreine Rezyklate aus Kunststoffverbunden produziert und damit ein voll kommerzialisiertes Produkt bieten kann. Bei der Verfahrensentwicklung wurde es vom Bundesland unterstützt und reiht sich nun ein in den neuen Entwicklungsschwerpunkt „Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft“.

Eine Radtasche muss einiges aushalten. Sonne und Regen, Hitze und Kälte, Spannung, Druck, Reibung. Und das möglichst jahrelang. Für die Befestigungs-Haken seiner neue Radtaschen-Serie „ReCycle“ griff VAUDE auf ein hochleistungsfähiges, verstärktes Polyamid 6-Rezyklat der APK AG aus Merseburg in Sachsen-Anhalt zurück. Das Material wird mit dem innovativen Newcycling®-Prozess erzeugt, einem physikalischen, lösemittelbasierten Recycling-Verfahren. Das dabei entstehende Mersamid®-Rezyklat erfülle nicht nur die erwähnten Anforderungen, erklärt Julia Wunder, Business Development Manager der APK AG. „Natürlich muss zudem die Verarbeitbarkeit für den Markeninhaber passen – dass sich unser Material unter anderem besonders gut einfärben lässt, ist ein wichtiger Punkt.

Ersatz für Neuwarenkunststoffe

Zwei Produkte gewinnt das Unternehmen aus gemischten Kunststoffabfällen: Mersamid® und Mersalen®. Ersteres ist ein hochwertiges PA-6 Rezyklat. „Polyamid ist ein Kunststoff, der in vielen technischen Anwendungen z.B. metallische Werkstoffe ersetzt. Durch das konstante Eigenschaftsprofil sowie durch gleichbleibende Qualität kann Mersamid® neues Polyamid beispielsweise in komplexen Spritzgussanwendungen ersetzen“, so Florian Riedl, Director Business Development.

Mersalen® wiederum ist ein hochwertiges LDPE-Regranulat. Die Eigenschaften sind denen von neuen Kunststoffen sehr ähnlich. Dies ermöglicht den Ersatz von Neuwaren in flexiblen Verpackungen, Etiketten, Folien und vielen weiteren anspruchsvollen Applikationen. Das Granulat überzeugt besonders durch die Konstanz seiner Eigenschaften wie Viskosität und mechanische Werte sowie durch eine nahezu vollständige Geruchsfreiheit.

Beide Produkte unterscheiden sich zwar grundlegend, gemacht sind sie aber aus demselben Stoff: gemischten Kunststoffresten. „Unsere Produkte werden aus Abfällen aus der Mehrschichtfolienproduktion hergestellt. Die Abfälle von PE/PA-Folien, einem Verbundmaterial bestehend aus zwei unterschiedlichen Polymeren, konnten bisher nur schlecht recycelt und die Kunststoffe nicht sortenrein wiederverwertet werden, da herkömmliche Verfahren die Verbindung nicht auftrennen können. Meist gingen diese Abfallströme daher in die Verbrennung. Mit dem Newcycling®-Verfahren werden die Polymere voneinander getrennt und somit aus zwei unterschiedlichen Polymerströmen unsere sortenreinen Produkte generiert“, erklärt Florian Riedl. Damit, so Riedl, würden nicht nur höherwertige Rezyklate geboten werden, auch der CO2-Fußabdruck verringere sich deutlich: Mersamid® Rezyklate sparen 88 Prozent CO2 Emissionen im Vergleich zu neuem Polyamid.

Im April 2021 hat der renommierte Zertifizierer Arge cyclos / HTP die Recyclinganlage der APK AG in Merseburg nach dem EuCertPlast-Zertifizierungsschema auditiert. Im Mittelpunkt der Prüfung stand die Eignung der Anlagen für das Recycling von Post-Consumer-Abfällen aus Kunststofffolien sowie aus Produktionsabfällen von PE/PA-Mehrschichtfolien. Alle Tests wurden erfolgreich abgeschlossen. Ende Juli zeichnete Arge cyclos / HTP die APK mit dem offiziellen EuCertPlast-Zertifikat aus. „Dieses Zertifikat ist für uns von großer Bedeutung, da europaweit immer mehr Markeninhaber und Kunststoffverarbeiter EuCertPlast als Zertifizierungsstandard nachfragen“, sagt Florian Riedl, Direktor Business Development bei der APK AG. „Das Zertifikat liefert unseren Kunden einen von Dritten verifizierten Nachweis, dass wir in der Lage sind, Kunststoffabfälle aus der haushaltsnahen Sammlung in unserem Werk zu verwerten und dies mit Respekt für die Umwelt tun.“

Die APK AG geht aus Expansionskurs – ein zweites Werk ist bereits in Planung

Als die APK AG im Jahr 2008 gegründet wurde, hatte sie eine Vision: Aus Kunststoffabfällen sollten erstmals sortenreine Kunststoffe in neuwertiger Qualität entstehen. Dafür wurde der Newcycling®-Prozess stetig weiterentwickelt. Erfolgreich! Die Kapazitäten im ersten industriellen Werk in Merseburg betragen 12.000 t/a für Recycling und 8.000 t/a für Newcycling®. Derzeit beschäftigt das Unternehmen rund 130 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Und sucht weitere! Denn in den nächsten Jahren möchte APK gemeinsam mit weiteren Partnern neue Newcycling® Werke bauen. Ein zweites Werk – das sich auf die Verwertung von Abfällen aus der haushaltsnahen Sammlung durch Newcycling® fokussieren wird – ist bereits in Planung.

Der Standort Merseburg erwies sich von seiner strategischen Lage her perfekt für das Unternehmen. Mit der Relevanz der Chemie- und Kunststoffindustrie in Mitteldeutschland und speziell in dieser Region ist Aufmerksamkeit und Unterstützung gegeben. Über all die Jahre zum Beispiel durch die Investitionsbank des Landes Sachsen-Anhalt. Als Ergebnis wurde nunauch die Newcycling® -Technologie als Ganzes lizensiert, so dass weitere Werke in Deutschland, Europa und weltweit gebaut werden können. „Für diese Unterstützung und die Begleitung möchten wir uns an dieser Stelle auch ausdrücklich beim Land Sachsen-Anhalt bedanken“, so Klaus Wohnig, Vorstandsvorsitzender der APK AG.

Kreislaufwirtschaft als Bestandteil der Transition der mitteldeutschen Chemie- und Kunststoffindustrie

APK reiht sich mit seinen Produkten ein in den neuen wirtschaftlichen Schwerpunkt, den das mitteldeutsche Bundesland gesetzt hat: Nachhaltigkeit. In diesem Fall im Bereich Kreislaufwirtschaft und Recycling - ein wichtiger Schritt u. a. bei der Vermeidung von Plastikmüll. Weltweit fallen immerhin jährlich fast 80 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungsmüll an; in Deutschland waren es 2019 6,3 Millionen. Davon werden aktuell nur circa 10 Prozent der eingesetzten Ressourcen durch Recycling wiedergewonnen, der Rest wird verbrannt, deponiert oder gelangt unkontrolliert in die Umwelt. Die Notwendigkeit einer echten Kreislaufwirtschaft wird immer deutlicher. Die heutigen konventionellen Recyclingverfahren stoßen hier an ihre Grenzen. Innovationen im Recycling sind wesentlich für eine nachhaltige Gestaltung der Zukunft.

Sachsen-Anhalt und die Region Merseburg mit dem angrenzenden Chemiepark Leuna nehmen eine wichtige Rolle in der Chemie/Kunststoffwirtschaft in der Region Mitteldeutschland ein. Und diese Region steht nicht nur vor einer großen Transition mit Blick auf den Ausstieg aus der Kohle, sondern die Chemie- und Kunststoffbranche muss ebenfalls künftig zu einer Kreislaufwirtschaft werden, die Rohstoffe noch effizienter nutzt und entsprechende Produkte bietet. Hier ist APK im Zentrum des Geschehens. Das Unternehmen schließt den Kreis mit Blick auf den Lebenszyklus von Kunststoffprodukten: Kunststoff – Produkt – Abfall – Rezyklat – neues Produkt.

Autorin: Anja Falgowski/IMG Sachsen-Anhalt

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