Eine preisgekrönte Innovation aus Klötze in Sachsen-Anhalt ist VORSPRUNG-Preisträger des 8. Ostdeutschen Wirtschaftsforums (OWF)

Bio-Weihnachtsbaumnetze werden zu Kompost

Die meshpack netting solutions GmbH aus Klötze in Sachsen-Anhalt wurde heute in Anwesenheit des sachsen-anhaltischen Wirtschaftsministers, Sven Schulze, und des Geschäftsführers der Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt (IMG), Dr. Robert Franke, mit dem diesjährigen „Vorsprung“-Preis des Ostdeutschen Wirtschaftsforums ausgezeichnet. Das altmärkische Unternehmen ist Deutschlands einziger Produzent von Weihnachtsbaumnetzen. Der Kunststoff kann recycelt und der Kreislaufwirtschaft wieder zugeführt werden. Zudem hat die Firma ein kompostierbares Bio-Netz aus Maisstärke auf den Weltmarkt gebracht.

„Das altmärkische Unternehmen steht stellvertretend für die mittelständische Unternehmenslandschaft in Sachsen-Anhalt, die durch ihren Innovationsgeist und ihre hohe Anpassungsfähigkeit gerade auch in herausfordernden Zeiten wie diesen, unsere Wirtschaft trägt und zukunftsfähige Arbeitsplätze sichert“, gratulierte Dr. Robert Franke, Geschäftsführer der IMG, die das Unternehmen gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister vorgeschlagen hatte. 

Im Büro von Thomas Hartung liegen Weihnachtsbaumnetze verteilt – jetzt im Sommer. Der Geschäftsführer der meshpack netting solutions GmbH erklärt das mit der Weihnachtsbaum-Messe in Dänemark im August. Wenn es um das schönste Fest des Jahres geht, fallen einem die Verpackungs-Netze nicht als erstes ein, aber ohne sie wäre die Masse an Weihnachtsbäumen gar nicht transportabel. „Je enger die Nadelbäume vom Netz zusammengehalten werden, umso mehr passen auf einen Lastkraftwagen, umso weniger Lkw sind auf den Straßen unterwegs, umso weniger Abgase werden ausgestoßen“, formuliert Thomas Hartung eine Kette logischer Folgen. Die meshpack aus Sachsen-Anhalt fährt als Aussteller zu dieser europaweit größten Messe für Weihnachtsbäume und Ziergrün – aus gutem Grund. Das altmärkische Unternehmen ist Deutschlands einziger Hersteller von Weihnachtsbaumnetzen. Es ist ein Hidden Champion, noch dazu mit grünem Fußabdruck.

 

Dekarbonisierte Produktion

Die meshpack-Inhaber Thomas und Michael Hartung sowie ihr Produktmanager Christian Förster nutzen Einladungen zu Foren und Messen auch zum „Netzwerken“. Sie wollen Gleichgesinnte finden, die mit in den Zug springen auf der Zielgeraden zur klimaneutralen Produktion. Bei „Klimaneutralität“ wandert Thomas Hartung gedanklich in seinen altmärkischen Bauerngarten. Ihn treiben tatsächlich ökologische Gedanken um. Wie lange noch bleibt die Natur intakt? Wie lange noch können uns unsere Wälder, Parks und Gärten Kraft und Energie spenden? Die meshpack GmbH jedenfalls will zur Dekarbonisierung der Produktion beitragen. Das energieintensive Unternehmen hat im September 2022 eine firmeneigene Photovoltaikanlage installiert. Aber Weihnachtsbaumnetze verschmutzen auch die Umwelt. Herabrieselnde Mikroplastik dringt in Boden und Grundwasser. „Jeder Weihnachtsbaum wird zweimal verpackt: Zum ersten Mal nach dem Schlagen, dann wird er vor den Endkunden zur Ansicht ausgepackt und erneut eingepackt“, ruft Hartung in Erinnerung. Besser für die Umwelt sei es, wenn die Netze auf dem Kompost entsorgt werden könnten. Darum habe die meshpack ihre Produktpalette um biologisch abbaubare Netze aus Maisstärke erweitert.

 

Branchenübergreifend innovativ

Seit einem Jahr sind die teureren Bio-Netze auf dem Markt. „Die Nachfrage hängt mit dem Bewusstsein zusammen“, weiß Hartung und schlägt wieder eine gedankliche Brücke zum „Netzwerken“ – mit Einzelhändlern, mit Discountern, mit Vertretern aus der Politik, die die Probleme aus der Praxis in ihre Gremien mitnehmen. Dass sie sich einmal mit „Verpackungen aus maschigen Netzstrukturen“ – so die Bedeutung von meshpack – beschäftigen, war für die Brüder Thomas und Michael Hartung aus Klötze nicht vorhersehbar. Eher schon, dass sie den vom Vater 1980 gegründeten Heizungs- und Sanitärbetrieb übernehmen. Innovative Gedanken machen sich die beiden auch auf diesem Branchengebiet, zum Beispiel was eine moderne Spültechnik in Großküchen betrifft, die eine Speiseresteverwertung in der Biogasanlage ermöglicht.

Zu ihren Kunden aus der Industrie gehörte der Produktionsstandort für Verpackungsnetze im Klötzer Ortsteil Kusey – erst in österreichischer, dann in griechischer Hand. Der letzte Besitzer wollte meshpack schließen. Die Brüder Hartung wollten den Betrieb retten. Der heldenhafte Gedanke – anfangs aus Spaß ausgesprochen – mündete bald in ernsthaftes Hinterfragen: Warum eigentlich nicht? Seit 2020 führen die Brüder das Unternehmen mit derzeit 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mit den Weihnachtsbaumnetzen – jährlich 110 Millionen Meter – machen sie 50 Prozent ihres Umsatzes, die andere Hälfte mit Früchte- und Zwiebelnetzen, Pflanzen- und Agrarnetzen, Schutz- und Schattennetzen.

 

Ökologische Firmenphilosophie

Die meshpack GmbH ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, Kreislaufwirtschaft ist ihre Maxime. Die Kunststoffnetze sind aus Polyethylen. Der sogenannte PE-Kunststoff lässt sich mehrmals recyceln. Ein Kunststoffnetz kann also wieder ein Netz werden; eines aus Maisstärke kann draußen im Garten bleiben und sich zu Kompost verwandeln. Es braucht dafür acht bis zehn Wochen. Für die Bio-Tonne dauert das zu lange. Was dort hinein darf, müsse innerhalb von drei bis vier Wochen verrotten, sagt Thomas Hartung und dass dies sein Entwicklungsziel ist. Dafür die meshpack Partner im Forschungsbündnis BioZ. Unter anderem mit dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale) forscht das Unternehmen an der Entwicklung von biologisch abbaubaren Bio-Kunststoffen. Deren Einsatzmöglichkeiten sind für alle Bündnispartner ein spannendes Zukunftsfeld.

 

Grüne Visionen

Thomas Hartung lädt zur Führung durch die Produktion ein. „Wenn die ,Sendung mit der Maus‘ einen Beitrag produzieren wollte über die Entstehung eines Weihnachtsbaumnetzes, müsste sie zu uns kommen“, betont der Firmenchef sein Alleinstellungsmerkmal. Er zeigt das Granulat aus Maisstärke. Das bekommt er vom BASF-Konzern, der sich u.a. mit zeitgemäßen Verpackungslösungen beschäftigt. Aus dem Mais-Granulat wird die Bio-Folie hergestellt. Sie hat die gleichen Eigenschaften wie die Folie aus Kunststoff und kann ebenfalls von seinen „Rundwirkkopfmaschinen“ verarbeitet werden. Die schneiden die Folie in dünne Streifen, die unter Erwärmung zu Fäden langgezogen und dann zu Netzen verwirkt werden.

An diesem Tag sind auch orange eingefärbte Folien in der Verarbeitung – möglicherweise für Zwiebelsäcke. „Weihnachtsbaumnetze sind in Deutschland traditionell weiß. Engländer mögen rote und die Italiener grüne“, weiß Thomas Hartung, der schon die ersten Aufträge abarbeitet. Am Ende werden die Netzschläuche in von der Kundschaft gewünschten Maßen abgepackt.

Zurück im Büro will Thomas Hartung den Unternehmensauftritt anlässlich der Verleihung des Vorsprung-Preises vorbereiten. Wohl wissend, dass ein „Vorsprung“ schnell aufgeholt sein kann, tüfteln er und sein Team längst schon an der Umsetzung neuer Ideen: Unter welchen Voraussetzungen kann ein Bio-Netz schadstofffrei verbrennen? Wie kann der Solarstrom aus der eigenen Anlage genau dort im Produktionsprozess eingesetzt werden, wo der Energieverbrauch sehr hoch ist? Können die Fäden noch dünner gezogen werden, um Material zu sparen? ...und auf ihrem Firmengelände sehen die Visionäre neben der Solaranlage einen Speicher für grünen Wasserstoff stehen, ebenso Ladestationen für E-Fahrzeuge.

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