Daten zur wirtschaftlichen Lage im Land Sachsen-Anhalt I. Quartal 2021

Überblick zur wirtschaftlichen Lage und Entwicklung im Mitteldeutschen Revier Sachsen-Anhalt

Das Mitteldeutsche Revier in Sachsen-Anhalt wird als Ländlicher Raum mit dem Oberzentrum kreisfreie Stadt Halle (Saale) eingeordnet. Es verfügt jedoch in allen dazugehörigen Landkreisen über industrielle Agglomerationen, z. B. den Industriepark Bitterfeld-Wolfen, den Chemie- und Industriepark Zeitz, industrielle Ballungen in Leuna und Schkopau sowie industrielle Entwicklungszentren in Hettstedt und Eisleben. Die Region ist gekennzeichnet durch vielfältige interregionale funktionale Verflechtungen zwischen den Gebietskörperschaften (auch über die Landesgrenze zum Freistaat Sachsen und zum Freistaat Thüringen) – vor allem wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Art und durch Pendlerverflechtungen. Durch den klimapolitischen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Ressourcen wie die Braunkohle steht die gesamte Region vor einer enormen Herausforderung. Es gilt mit einem technologieorientierten Strukturwandel eine wirtschaftlich tragfähige Wirtschaftsstruktur zu entwickeln, die neue Wertschöpfungspotenziale verbunden mit einem Angebot an qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen erschließt.

Das Mitteldeutsche Revier in Sachsen-Anhalt hat eine lange industrielle Tradition, die ihre Wurzeln vor allem zum Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat. Beispielhaft seien hier genannt:

• die Chemiestandorte Bitterfeld (1894), Leuna (1916) und Buna (1936),

• bekannte Namen wie AGFA Filmfabrik Wolfen (1909), später ORWO Filmfabrik Wolfen (1964),

• 800 Jahre Kupferbergbau und Verhüttung im Mansfelder Land, die in die Mansfeld AG (1921) münden und

• der Beginn der industriellen Nutzung der Braunkohle um 1850.

Wie auch andere industrielle Ballungszentren in Ostdeutschland musste die Region zwei Phasen der De-Industrialisierung durchlaufen: Die fast vollständige Zerstörung der Produktionsstätten im 2. Weltkrieg und der teilweise Abbau noch funktionsfähiger Industrieanlagen als Reparationsleistungen an die damalige Sowjetunion. Danach entstanden über vier Jahrzehnte große und komplexe Kombinate mit jeweils mehreren zehntausend Beschäftigten. Die Wiedervereinigung verdeutlichte die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit dieser Kombinate, die eine Privatisierung erschwerte oder unmöglich machte. Der industrielle Wiederaufbau zog sich bis Ende der 1990er Jahre hin. In den folgenden zwei Jahrzehnten entwickelte sich die Industrie auch im Mitteldeutschen Revier wieder zum Zugpferd der wirtschaftlichen Entwicklung. Der nunmehr anstehende Strukturwandel infolge des beschlossenen Ausstiegs aus der Kohleverstromung muss so ausgestaltet werden, dass es nicht erneut einen Bruch in der wirtschaftlichen Stabilität und Entwicklung ganzer Landstriche gibt.

Im Folgenden wird die aktuelle Entwicklung und Struktur der Wirtschaft in den von diesem Strukturwandel betroffenen Regionen im sachsen-anhaltischen Teil des Mitteldeutschen Reviers dargestellt.

Der Bevölkerungsstand der vier Landkreise und der kreisfreien Stadt Halle (Saale) ist für den Zeitraum 2013 bis 2020 in Grafik 1 wiedergegeben. Halle (Saale) weist danach mit mehr als 230.000 jeweils die höchste Einwohnerzahl auf, der Landkreis Mansfeld-Südharz mit weniger als 145.000 die niedrigste. Die Bevölkerungsentwicklung der Regionen im Mitteldeutschen Revier ist grundsätzlich ähnlich und zeigt wie im Landesdurchschnitt eine abnehmende Tendenz. Eine Ausnahme bildet die Stadt Halle (Saale), die bis zum Jahr 2018 eine Zunahme der Bevölkerungszahl verzeichnen konnte. Für den Zeitraum bis zum Jahr 2035 ist auf Grundlage der 7. Regionalisierten Bevölkerungsprognose für Sachsen-Anhalt eine Fortsetzung des Bevölkerungsrückgangs in den Landkreisen und kreisfreien Städten des Landes, darunter den Regionen des Mitteldeutschen Reviers, zu erwarten.

Die Darstellung der Beschäftigungsentwicklung im Zeitraum 2013 bis 2020 in Grafik 2 basiert auf Angaben zu sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach dem Arbeitsort-Prinzip. Damit wird zwar die regionale Wirtschaft unabhängig vom Wohnort der dort Beschäftigten abgebildet, dennoch kann ein deutlicher Zusammenhang zwischen regionaler Wohnbevölkerung und Beschäftigung bestehen, wie sich hier zeigt. So stellen Halle (Saale) und Mansfeld-Südharz nicht nur die Regionen im Mitteldeutschen Revier mit der höchsten bzw. niedrigsten Einwohnerzahl, sondern auch die mit der höchsten bzw. niedrigsten Beschäftigtenzahl dar. Anders als die Bevölkerung wies die Beschäftigung in den betrachteten Regionen sowie im Land insgesamt jedoch überwiegend eine aufwärtsgerichtete Entwicklung auf.

Dies betrifft insbesondere Halle (Saale), den Burgenlandkreis und den Saalekreis, während die Beschäftigung in Anhalt-Bitterfeld und Mansfeld-Südharz eher konstant blieb. Da es sich bei den hier verwendeten Angaben um den jeweiligen Beschäftigungsstand zum 30. Juni des Jahres handelt, ist für das Jahr 2020 noch kein klarer Einfluss der Corona-Krise erkennbar.

Die Arbeitseinkommen sind in den vergangenen Jahren ebenfalls gestiegen (vgl. Grafik 3). Dies zeigt sich in allen Regionen des Mitteldeutschen Reviers, die damit an einer landesund bundesweiten Entwicklung teilhaben. Als konkrete Kennziffer für das Arbeitseinkommen wird hierbei der Median1 der monatlichen Bruttoarbeitsentgelte von Vollzeitbeschäftigten der Kerngruppe2 verwendet. Die Daten liegen derzeit nur für den Zeitraum 2014 bis 2019 vor. Die regionalen Unterschiede in den monatlichen Bruttoarbeitsentgelten dürften ganz überwiegend strukturell bedingt sein, d.h. bspw. durch abweichende Anteile von Wirtschaftszweigen. Zudem ist zu beachten, dass hier die Einkommen von Vollzeitbeschäftigten betrachtet werden, also ggf. unterschiedliche Anteile von bspw. Teilzeitbeschäftigten nicht berücksichtigt sind. Teilzeitbeschäftigte erhalten häufig geringere Stundenentgelte, sodass ein größerer Anteil von Teilzeitbeschäftigten einen verringernden Einfluss auf das mittlere Einkommen einer Region hätte.

Die Regionen des Mitteldeutschen Reviers sind unterschiedlich stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Wie Grafik 4 zeigt, war im Zeitraum 2013 bis 2020 jeweils die höchste Arbeitslosenquote im Landkreis Mansfeld-Südharz und die niedrigste im Saalekreis zu verzeichnen. Damit wird die landesdurchschnittliche Arbeitslosenquote von den Regionen des Mitteldeutschen Reviers sowohl über- als auch unterschritten. Während im betrachteten Zeitraum die Quoten generell absinken, verringern sich auch die Abstände zwischen ihnen. Lagen im Jahr 2013 noch 4,3 Prozentpunkte zwischen Mansfeld-Südharz und dem Saalekreis, sind es im Vor-Corona-Jahr 2019 bereits niedrigere 3,1 Prozentpunkte. Die Auswirkungen der CoronaKrise sind als Unterbrechung des abnehmenden Trends zu erkennen. Ohne diese pandemiebedingte Ausnahmesituation dürfte sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit ansonsten fortgesetzt haben.

Die Struktur der Wirtschaftszweige wird in Grafik 5 anhand der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dargestellt. Es sind deutliche Unterschiede zwischen den Regionen erkennbar, insbesondere zwischen der kreisfreien Stadt und den Landkreisen. So hat der Abschnitt A „Land-, Forstwirtschaft und Fischerei“ in Halle (Saale) einen verschwindend geringen Anteil an der Gesamtwirtschaft und weisen auch die einzelnen Abschnitte des Produzierenden Gewerbes (B-F) geringere Anteile auf als in den Landkreisen. Von größerer Bedeutung sind in der Stadt Halle hingegen die Dienstleistungsbereiche „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen“ (Abschnitte K-N) sowie „Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, Private Haushalte mit Hauspersonal“ (Abschnitte O-T). Der Dienstleistungsbereich „Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation“ (Abschnitte G-J) ist ähnlich stark ausgeprägt wie in den Landkreisen. Es bestehen zwar auch Unterschiede zwischen den Landkreisen, allerdings in geringerem Maße. Die Grafik basiert auf Angaben für das Jahr 2020, die jedoch aufgrund des Stichtags 30. Juni keinen starken Einfluss der Corona-Krise zeigen sollten.

Zur Darstellung der Produktionsleistung von Wirtschaftszweigen würde sich die Bruttowertschöpfung am besten eignen. Da diese Angaben jedoch nur mit einem zeitlichen Abstand von mehr als einem Jahr vorliegen, wird hier auf die Umsätze zurückgegriffen (vgl. Grafik 6), welche allerdings noch Vorleistungen anderer Wirtschaftszweige enthalten. Insoweit sich die Branchenstruktur des Verarbeitenden Gewerbes4 und damit der Anteil der Vorleistungen zwischen den Regionen unterscheidet, lässt sich aus dem Vergleich der Umsatzwerte deshalb nur bedingt auf die relative Produktionsleistung schließen. Solch ein Effekt könnte u.a. zu dem großen Abstand der anderen Regionen gegenüber dem Saalekreis beitragen. Im Zeitverlauf zeigt sich für alle betrachteten Regionen eine wechselhafte Entwicklung. Im CoronaJahr 2020 haben die vier Landkreise dabei teils deutliche Umsatzrückgänge zu verzeichnen, während die kreisfreie Stadt Halle (Saale) sogar ein Umsatzplus aufweisen kann.

Grafik 7 zeigt für das Bauhauptgewerbe in den fünf Regionen im Zeitraum 2013 bis 2020 tendenziell eine positive Umsatzentwicklung. Dabei ist es in nahezu jedem der Jahre jedoch auch in mindestens einer der Regionen zu einem Rückgang des baugewerblichen Umsatzes gekommen; eine Ausnahme bildet das Jahr 2018. Die Corona-Krise hat keine starken Auswirkungen auf das Bauhauptgewerbe im Jahr 2020 gehabt. So war das Bauhauptgewerbe verhältnismäßig schwach von den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie betroffen und verzeichnete in drei der fünf Regionen weiterhin einen Umsatzanstieg. Im Landesdurchschnitt ist es allerdings zu einem leichten Umsatzrückgang gekommen. Es ist zu beachten, dass es sich hierbei – wie auch bei der vorangehenden Darstellung zum Verarbeitenden Gewerbe – nicht um preisbereinigte Angaben handelt, d.h. auch Preisentwicklungen Einfluss auf den Umsatz haben.

Als Hinweis auf die Entwicklung der Unternehmens- bzw. Betriebslandschaft in den vier Landkreisen und der kreisfreien Stadt ist in Grafik 8 der jeweilige Saldo aus Gewerbean- und -abmeldungen angegeben. Dabei ist hinsichtlich der Eignung der Daten für diesen Zweck bspw. zu berücksichtigen, dass Gewerbeanmeldungen nicht automatisch eine (zeitnahe) Neugründung eines Gewerbebetriebs (Hauptniederlassung, Zweigniederlassung, unselbstständige Zweigstelle, etc.) bedeuten und auch u.a. Wechsel der Rechtsform als Gewerbeanmeldung erfasst werden. Im Beobachtungszeitraum 2013 bis 2020 ist der Saldo in den Regionen jeweils negativ, d.h. hat es mehr Gewerbeabmeldungen als Gewerbeanmeldungen gegeben (mit Ausnahme des Burgenlandkreises in den Jahren 2019 und 2020). Dies entspricht auch der Situation im Land insgesamt.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es sich beim Mitteldeutschen Revier in Sachsen-Anhalt um ein heterogenes Gebiet mit im Kreisvergleich sowohl über- als auch unterdurchschnittlich starken Wirtschaftsstandorten handelt. Generell stehen dabei positiven Tendenzen wie wachsender Beschäftigung und steigenden Arbeitseinkommen noch weiterhin abzubauende Problemlagen wie eine hohe Arbeitslosigkeit gegenüber. Es gilt nun, den Strukturwandelprozess zur Stabilisierung und Stärkung der Wirtschaft im Süden SachsenAnhalts zu nutzen.

 

Bei obigem Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Bericht. Den vollständigen Bericht (Quelle und Gesamtdokument inkl. Grafiken) finden Sie HIER: mw.sachsen-anhalt.de

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