Grüne Innovation: Aus Holz wird Strukturschaum

Forscher in Leuna setzen bei der Herstellung von Biokunststoffen auf Tallöl

Die Bioökonomie schafft Lösungen für künftige Herausforderungen wie die Rohstoffarmut. Ein Beispiel für biobasierte Innovationen aus Sachsen-Anhalt liefert das „Fraunhofer-Zentrum für chemisch-biotechnologische Prozesse CBP“ in Leuna mit dem Projekt „EffiMat“, bei dem Tallöl aus Holz gewonnen und in innovative Produkte überführt wird.

Digitalisierung, Robotik, Künstliche Intelligenz – das alles sind wichtige Themen für Industrie und Wirtschaft.  Wichtige Impulse für die Zukunft liefert aber auch die Bioökonomie. Grüne Innovationen werden in Sachsen-Anhalt vorangetrieben: Gemeinsam mit Sachsen ist das Bundesland Schwerpunktregion des mitteldeutschen Spitzenclusters BioEconomy, das Verbundprojekte wie „EffiMat“ fördert. „Zu den Kernprinzipien der Bioökonomie gehört die effiziente Nutzung von biobasierten Rest- und Abfallstoffen“, sagt Kerstin Thiele, Projektleiterin Chemische Verfahren am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP. „Unglaublich viele Produkte des täglichen Lebens werden aus Erdöl hergestellt, einem Rohstoff, der eine endliche Ressource ist. Wir müssen Alternativen auf Basis nachwachsender Rohstoffe finden, um den künftigen industriellen Bedarf zu decken und dabei das Klima zu schonen.“

Produktion auf Erdölbasis – es geht auch anders

Im Clusterprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde, hatte man einen klaren Ansatz: der Rohstoff Holz sollte ganzheitlich genutzt werden. Sechs Projektpartner – das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale), das CBP in Leuna, die Unternehmen „Miltitz Aromatics“, „Hennecke Polyurethane Technology“, „ö_Konzept“ und „BARiT Kunstharz und Belagstechnik“ – haben gemeinsam gearbeitet, Kunststoffe aus Biomasse für Bodenbelege und Schaumstoffe entwickelt, inklusive darauf abgestimmter Verarbeitungstechnologien. „Solche Produkte werden bisher auf Erdöl-Basis produziert, wir zeigen, dass es auch anders geht“, sagt Kerstin Thiele.

Energieeffiziente Herstellung und eine weitere Nutzung des Rohstoffes Holz

Die „EffiMat“-Forscher setzten auf das Nebenprodukt Tallöl, das bei der Herstellung von Zellstoff anfällt, wenn also Holz verarbeitet wird. Kerstin Thiele erklärt: „Bisher wurde dieses Pflanzenöl nur energetisch verwertet. Uns ist es gelungen, über mehrere Aufbereitungsstufen daraus hochwertige Reaktivharz-Systeme herzustellen.“ In Verbindung mit einer sogenannten Vernetzerkomponente sei es im weiteren Verlauf gelungen, Biopolymere zu festen Kunststoffmaterialien auszuhärten. Diese Strukturschaumstoffe könnten für Verpackungen genutzt oder beim Bau von Gebäuden eingesetzt werden, so die Projektleiterin. Und es gibt noch weitere Vorteile der biobasierten, neuartigen Kunstharzsysteme. „Pflanzenölbasierte Strukturschaumstoffe härten bei der Verarbeitung bei niedrigen Temperaturen schneller aus, als alle, die auf Erdöl basieren. Die Herstellung ist also auch energieeffizient“, sagt Kerstin Thiele. Sie lenkt den Blick auch auf die gestiegene Wertschöpfung, die sich ergibt, weil das Nebenprodukt Tallöl wieder in den Produktionskreislauf eingeführt werden und damit eine „weitere Option zu stofflichen Nutzung von Holz“ möglich wäre.

Der Einsatz in Form bioharzgebundener Bodenbeläge wurde erforscht

Technologien und Verfahren konnten beim Projekt ebenfalls erprobt werden. „Wir haben ein besonderes Hochdruckverschäumungsverfahren getestet“, erklärt die Projektleiterin. „Dafür wiederum haben wir vorher hochwertige Harzgemische und geeignete Härter entwickelt, Stoff- und Härterkombinationen auf ihre Eigenschaften getestet.“ Das Ergebnis: verschiedene Formmassen und Strukturschäume. „Das war sehr spannend“, so Kerstin Thiele, „unsere Forscher erprobten nicht nur das Aufschäumen der Harzgemische im industriellen Maßstab, sondern auch deren Einsatz in Form von bioharzgebundenen Bodenbelägen“. Außerdem seien so auch Kunstharz-Systeme „für vielfältige Anwendungen entwickelt“ worden, die „je nach Anforderung und Verarbeitung modifiziert werden können“.

Vielversprechende Einsatzgebiete im Haus- und Möbelbau

Ein nächster Schritt für die praktische Umsetzung der Forschungsergebnisse könnten jetzt Langzeittests, beispielsweise zur chemischen Beständigkeit, sein. Zudem müssten Epoxidharz-Hersteller Harz- und Härterkomponenten separat anmischen und anbieten, so Thiele. „Verwender wie Beschichter oder Bodenverleger könnten auch einzelne Komponenten erwerben und anrühren. Wir sehen insgesamt vielversprechende Einsatzgebiete beim Haus- und Möbelbau.“ Solche Möglichkeiten treiben die Wissenschaftler in Leuna und ihre Kooperationspartner immer weiter an. Einige der damaligen sechs Verbundpartner arbeiten auch nach Ablauf der „Effimat“-Förderung gemeinsam an weiteren Projekten. So hält das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP engen Kontakt zu Unternehmen, die Interesse haben und nach weiteren biobasierten Epoxidharz-Systemen Ausschau halten.

Weitere Forschungen sind auf dem Weg

Die grünen Innovationen aus Sachsen-Anhalt sind gefragt. „Es gibt noch so viel zu erforschen, das uns in der Bioökonomie weiterbringt“, sagt Kerstin Thiele. Ein weiteres vielversprechendes Projekt läuft in Leuna derzeit mit dem Fraunhofer für Werkstoff- und Strahltechnik IWS, bei dem gemeinsam Material für biobasierte Duroplasten entwickelt werden soll. Die wichtigsten Schlagworte lauten hierbei: Multifunktionelle Substanzen für Dämmschäume und Klebstoffsysteme – aber das ist schon wieder eine nächste Geschichte aus der hiesigen Bioökonomie.

Autorin: Manuela Bock

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