Bei Winzlingen abgucken
Internationaler Durchbruch: Biotechnologen aus Sachsen-Anhalt revolutionieren Herstellung des Zuckerpolymers Levan für Kosmetika
Publiziert wurde über Levan in der wissenschaftlichen Literatur schon viel, sagt Dr. Norbert Volk. Dort werde dem Biopolymer in der Anwendung in der Arzneimittelproduktion, als präbiotischer Zuschlagstoff für Nahrungsmittel und im kosmetischen Bereich viel Potenzial eingeräumt.
Er selbst stieß eher zufällig auf dieses Naturprodukt, erzählt er. Als Wissenschaftler im Bereich der pharmazeutischen Biotechnologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg betreut er Studenten in einem internationalen Masterstudiengang. „Wir suchten für die Praktika einen Organismus, der Proteine produziert und sie dann sekretiert“, erinnert er sich mehr als drei Jahre zurück. Gefunden haben die Studenten und Wissenschaftler, deren Spezialität es ist, natürliche biologische Prozesse für die industrielle Produktion nutzbar zu machen, Mikroorganismen, die Levan produzieren.
Marktlücke Levan
Dieses Exopolysaccharid hilft den winzigen Mikroorganismen, sich an Oberflächen festzusetzen, beispielsweise an Steinen in Bachläufen. Es schützt vor dem Austrocknen, gleicht Temperaturschwankungen aus und dient als Nahrungsreserve. Eigenschaften, die Levan beispielsweise in der Kosmetik für Hautcremes interessant machen. „Es vermittelt Feuchtigkeit, transportiert Wirkstoffe und haftet gut“, erläutert Dr.-Ing. Norbert Volk, weshalb auch die Hallenser dem Naturprodukt viel Potenzial zutrauen.
Doch Levan ist kaum auf dem Markt verfügbar und teuer. Es würde sich also lohnen, eine preisgünstige Herstellung zu entwickeln. Die Ausgangsposition war gut, denn die Forscher hatten bereits herausgefunden, wie die Winzlinge Levan herstellen. Sie mussten das nur noch nachmachen.
Durchbruch: Arbeiten wie die Mikroorganismen
Weltweit arbeiten drei oder vier Arbeitsgruppen parallel an der Levan-Herstellung, so Dr. Volk. Dass jedoch sein Projekt den Durchbruch schafft, war eine Mischung aus Glück und der richtigen Idee im Verbund mit den passenden Partnern und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dass das Gemeinschaftsprojekt mit vier Beteiligten seit zwei Jahren fördert. „Unser Produkt ist das SucroLevan verbunden mit einer möglichen Anwendung“, sagt Norbert Volk. Als Praxispartner ist der Kosmetikhersteller artefactum GmbH im Forscherverbund. Außerdem gehören die Gesellschaft zur Förderung von Medizin-, Bio- und Umwelttechnologie/GMBU e.V. mit Sektionen in Halle, Jena und Dresden sowie Innovent e.V. Jena dazu. Die wirtschaftliche Beratung hat die BioEconomyCluster Management GmbH aus Halle/Saale übernommen.
Etwa ein Jahr hatten sich die Biotechnologen an der Universität mit der Levan-Synthese befasst, als sie den Verbund aufbauten und die Förderung bekamen. Ihre Strategie: Sie stellen das Enzym her, mit dessen Hilfe die Mikroorganismen Levan produzieren.
Die Levanstruktur variiert in der Natur je nach Umgebungsbedingungen. So hat beispielsweise ein langkettiges, hochmolekulares Levan andere Eigenschaften als niedrig molekulares. Letztere Variante ist die für die Kosmetikherstellung interessante. Doch auch hochmolekulare Polymere haben ein breites Anwendungsfeld.
Die Projektpartner optimierten die Produktion des Enzyms und dann den Prozess der Levan-Herstellung selbst. Dabei übernahm Innovent die Analytik, GMBU die Veränderung der Technologie hin zur Großanwendung und artefactum die Verwendung des Levan in der Herstellung von Kosmetika.
Kostengünstig zum reinen Produkt
Der Vorteil des der Natur nachempfundenen Prozesses: „Wir erhalten reineres Levan bei geringerem Aufwand“, sagt Dr. Norbert Volk. Es gebe auch die Möglichkeit, Levan direkt aus den Mikroorganismenkulturen zu synthetisieren, was jedoch mit höheren Aufreinigungskosten verbunden sei. Andererseits erforderte die Herstellung des Enzyms gezielte Optimierungsschritte, so dass es nicht verwundert, dass die mitteldeutschen Forscher die Ersten waren, denen es gelang. Auch die enzymatische Levanproduktion verlange besondere Bedingungen, wobei Norbert Volk natürlich die Details für sich behält.
Auch wenn die mitteldeutschen Forscher das SucroLevan-Projekt mit Blick auf die Anwendung in der kosmetischen Industrie vorangetrieben und dabei international eine Vorreiterrolle übernommen haben, bieten sich in der Pharmazie und in der Nahrungsmittelindustrie weitere große Anwendungsgebiete, ist Norbert Volk überzeugt. Levan kann beispielsweise die viel gerühmte und verwendete Hyaluronsäure ergänzen oder ersetzen, deren Herstellung aufwändiger und teurer ist. „Es gibt inzwischen Studien aus dem asiatischen Raum, nach denen Levan-Hyaluronsäure Blends zur Behandlung von Arthrose verwendet werden könnten. Auch in der Lebensmittelindustrie dürfte ein noch größerer Markt schlummern. Dort wird nach Nahrungszusätzen gesucht, die präbiotische Wirkungen zeigen. Das trifft auf Levan zu“, so glaubt Nobert Volk an eine Zukunft für die neue Technologie, deren Lizenz die Martin-Luther-Universität hält.
Text: Renate Wähnelt