Magdeburger erfinden das Rad neu
Start-Up „Urwahn“ mit dem Stadtfuchs auf der Pirsch in die Fahrrad-Zukunft
Sachsen-Anhalt ist ein Land der Erfinder, Tüftler, Denker und radelt auch in Sachen Fortbewegung weit vorn mit. Das Start-Up „Urwahn Engineering“ ist ein Beispiel dafür, wie man hierzulande für den Erfolg moderner Räder kräftig in die Pedale tritt. Das Magdeburger Gründer-Team überzeugte kürzlich bei der Messe „Eurobikeshow“ zahlreiche Branchenkenner und Liebhaber von ihrem innovativen Fahrrad – und trifft damit im Jubiläumsjahr des Drahtesels den Nerv vieler.
Eine Erfolgsgeschichte seit 1817
Es ist eine Erfolgsgeschichte: Im Jahr 1817 dreht der technikbegeisterte Forstmeister Karl Freiherr von Drais eine erste Runde mit seinem Rad. Nach 200 Jahren ist das Fahrrad weltweit das am meisten genutzte Transportmittel. Mehr als 70 Millionen Fahrräder gibt es allein in Deutschland. Der „Drahtesel“ ist zu einem zentralen Element für die Entwicklung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Mobilität geworden. Die Fahrrad-Zukunft kommt immer weiter in Schwung – vor allem dank neuer Konzepte und Optimierungen. Auch Sachsen-Anhalt steuert viele Ideen rund ums klassische Fahrrad bei, liefert aber auch Innovatives rund ums Zubehör oder E-Bikes für den nationalen und internationalen Markt.
Das Magdeburger Gründer-Trio von „Urwahn Engineering“ beispielsweise steht in den Startlöchern, um sein Unternehmen auf die Beine zu stellen und seine innovativen Räder auf die Straßen zu bringen. Gerade sind die „Urwahn“-Gründer Sebastian Meinecke, Konrad Jörß und Marcel Pawlowski von einer der wichtigsten europäischen Fahrradmessen, der „Eurobikeshow“, aus Friedrichshafen zurück – mit Satteltaschen voller Ideen, möglichen Kooperationen und Geschäftsanfragen.
Die Magdeburger präsentierten dem kritischen Fachpublikum und den interessierten Fahrrad-Liebhabern die Prototypen ihrer Modelle „Stadtfuchs“ und „Platzhirsch“. Mit diesen Velos haben sie das Rad neu erdacht. Die Tüftler von der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität haben entscheidende Änderungen in der Baustruktur des Rahmens vorgenommen. Ein innovativer Stahl-Rahmen verbindet schwungvoll den Vorder- und Hinterbau. „Das ergibt ein völlig neues Rahmenkonzept, mit dem mehr Fahrkomfort generiert werden kann“, erklärt Sebastian Meinecke. Das Sattelrohr haben die kreativen Tüftler umgelenkt, um das Hinterrad elastisch aufzuhängen. Front- und Rücklicht befinden sich bei den Bikes von „Urwahn“ direkt im Rahmen. Und dank eines GPS-Tracking-Systems kann das Fahrrad jederzeit geortet werden – was vor allem bei Diebstahl wichtig werden könnte.
Modelle für vernarrte Fahrradfahrer
In beiden Modellen stecken monatelange Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des Gründergespanns, das selbst mehr als 15 Räder im Schuppen stehen hat. Alle drei Gründer sind ins Fahrradfahren vernarrt – schon aus Umweltschutzgründen, wie Sebastian Meinecke meint. Was sie aber außerdem interessiert, sind die Möglichkeiten, mit denen das Radfahren noch besser, leichter, innovativer werden kann. Derzeit sind die drei Jung-Unternehmer noch in der Magdeburger Uni angesiedelt, am Jahresende soll jedoch das eigene Unternehmen am Start sein. „Wir können es kaum erwarten, auch wenn wir Respekt davor haben“, sagt Meinecke. Beim Aufbau des eigenen Unternehmens profitierten die Elbestädter von der Gründer-Förderung des Landes und der Europäischen Union. „Das hat uns sehr geholfen“, so Sebastian Meinecke. Die ersten Räder will „Urwahn“ im Frühjahr 2018 ausliefern. Das Flaggschiff soll der „Stadtfuchs“ werden, der „Platzhirsch“ wird als abgespeckte „Light-Version“ auf den Fahrradmarkt gebracht. Schon jetzt dreht das „Urwahn“-Team darum die Runden durch die Öffentlichkeit, nutzt Presseauftritte, die sozialen Medien, bringt einen eigenen Newsletter unters interessierte Fahrrad-Volk oder nutzt Plattformen wie den Landeswettbewerb BESTFORM, um auf sich und die Räder aus Magdeburg aufmerksam zu machen. Beim Wettbewerb schafften sie gemeinsam mit dem Fertigungsspezialisten „citim“ aus Barleben, der seriennahe Bauteile für Prototypen lieferte, den Sprung auf die Nominierten-Liste.
Zu den Werbemaßnahmen gehören auch zahlreiche Messe-Auftritte. Am Bodensee zeigte „Urwahn“ jetzt am Stand des Kooperationspartners „Kappstein“, wie innovativ Manufakturen in Sachsen-Anhalten arbeiten. Sie konnten unzählige Gespräche mit potenziellen Kooperationspartnern, Lieferanten und Fahrradenthusiasten führen und das Interesse für ihre ihren „Urwahn“-Bikes wecken. Sie seien motiviert und mit viel Lust aufs eigene Unternehmen von der Messe zurückgekommen, erzählt Meinecke. Bald geht es ohnehin los: Die Teile, aus denen die formschönen Velos entstehen, werden regional gefertigt, während die Endmontage von Hand im Umkreis des „Urwahn“-Standortes Magdeburg erfolgen wird. Der Start scheint geebnet. Sebastian Meinecke sagt: „Wir haben schon jetzt Anfragen aus Deutschland, aber auch aus Australien, Spanien oder Kanada und werden gezielt von Händlern angefragt, die unsere Räder cool finden.“
Neuer Schwung für Mobilität
Mit den Rädern von „Urwahn“ erfindet man in Sachsen-Anhalt das Rad zwar nicht ganz neu, aber sie befördern weiter den Schwung der Fahrradindustrie und urbanen Mobilität hierzulande. Auch andere Unternehmen sind weit über die Grenzen des Bundeslandes bekannt – so wie die „Weltradmanufactur“ in Schönebeck. Vor mehr als 13 Jahren wurde die historische Marke wiederbelebt und das nostalgische Outfit mit moderner Technik verknüpft. Die Räder mit den exzellenten Fahreigenschaften im Retrolook werden gut nachgefragt. Zum Unternehmen gehören inzwischen neben der „manufactur“ und einem Fahrradladen, auch eine Pension und ein Restaurant an der Elbe. Im Süden des Landes wird ebenfalls die Tradition gepflegt. Die frohe Botschaft lautete vor kurzem bei den „Mitteldeutschen Fahrradwerken“ (MIFA): Nach vielen Wirrungen und Umwegen stehen die Signale wieder auf grün. Es geht weiter für den gefragten Fahrradbauer in Sachsen-Anhalt. Aus „MIFA“ ist die „Sachsenring Bike Manufaktur“ geworden, in der auch das E-Bike-Geschäft weiterhin eine Rolle spielen könnte.
Es dreht sich was im Fahrradgeschäft. Studenten, Forscher und die Industrie beschäftigen sich mit innovativen E-Bikes oder Entwicklungen rund ums Rad. Vom kettenlosen Fahrrad bis zu einem Kofferraum für Fahrräder reichen beispielsweise die Ideen und Prototypen, die bislang bei BESTFORM, dem Landeswettbewerb für kreative Ideen, eingereicht wurden. Forschungseinrichtungen wie das Magdeburger Institut für Kompetenz in AutoMobiliät – IKAM beschäftigen sich laufend mit neuen Lösungen fürs Rad.
Der Antrieb ist für alle Akteure unterschiedlich. Die „Urwahn“-Gründer beschreiben ihren so: „Wir glauben, dass Zweiräder künftig ein zentraler Baustein der Mobilität werden. Wir gestalten ihn mit.“
Autorin: Manuela Bock