Solvay schreibt Erfolgsgeschichte mit ultrahochreinem Wasserstoffperoxid fort

In Bernburg an der Saale steht eine der europaweit modernsten Produktionsanlagen

H2O2 – Wasserstoffperoxid ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Ob als Reinigungsmittel, Geruchsbinder, Bleichmittel oder Desinfektionsmittel – der Bedarf an der flüssigen Verbindung zwischen Wasserstoff und Sauerstoff ist groß. Die global agierende Solvay-Gruppe errichtete schon in den 1990er Jahren an ihrem Traditionsstandort für Soda-Produktion im sachsen-anhaltischen Bernburg Anlagen zur Herstellung und Reinigung von Wasserstoffperoxid. Inzwischen meldet die Halbleiterindustrie wachsenden Bedarf an der Chemikalie – und Solvay reagiert mit einer neuen hochmodernen Produktionsanlage für hochreines Wasserstoffperoxid.

Bernburg, Sachsen-Anhalt: Seit über 130 Jahren wird hier auf dem Industriegelände nahe des Saale-Flusses Soda hergestellt. 1880 hatte der belgische Erfinder und Industrielle, Ernest Solvay, die Genehmigung für eine Soda-Fabrik im anhaltischen Bernburg beantragt, drei Jahre später ging sie in Betrieb und ist seitdem ein bestimmender Wirtschaftsfaktor der Region; in den DDR-Jahren „vorübergehend“ als Volkseigener Betrieb. 1991 fand das Werk wieder Aufnahme in die Solvay-Gruppe; deren Stammsitz ist Brüssel, der deutsche Hauptsitz in Hannover. Die Solvay-Produktpalette wurde mittlerweile auch um andere chemische Grundstoffe erweitert, so auch am Standort in Sachsen-Anhalt.

Weltweit reinste Wasserstoffperoxide

Der Pförtner an der Werkswache kennzeichnet Besuchern auf einem Lageplan deren jeweiligen Weg entlang der Produktionsstätten von Soda, Natriumbikarbonat, und Wasserstoffperoxid. Die Weltmarktführerschaft der Solvay-Gruppe stützt sich auch auf diese drei Säulen. Das von Ernest Solvay entwickelte ammoniakbasierte Solvay-Soda-Verfahren wird bis heute angewendet, vor allem in der Glasindustrie. Natriumbikarbonat leistet seinen Beitrag zum Umweltschutz insbesondere in einem von Solvay entwickelten Rauchgasreinigungsverfahren. Wasserstoffperoxid ist ein Geschäftsfeld mit großem Wachstumspotenzial:

„Electronic Grade“ steht auf dem Wegweiser hin zu einem Gebäude, in dem jetzt ein neues Kapitel der Bernburger Solvay-Geschichte geschrieben wird. Dessen Überschrift: „Wasserstoffperoxid in elektronischer Qualität“. Plácido Garcia leitet den Betriebsbereich Electronic Wet Chemicals. „Elektronische Nasschemikalien sind ein großer Wachstumsmarkt“, sagt der Chemiker aus Spanien, der in Wuppertal promoviert hat. Er kommt auf die Digitalisierung zu sprechen: „Mit der zunehmenden Miniaturisierung der Schaltkreise werden auch die Chips immer kleiner und komplexer. Deren Hersteller benötigen hochreines H2O2, um die Silizium-Wafer bei ihrer schichtweisen Herstellung immer wieder zu reinigen.“

Vor sieben Jahren kam der inzwischen 48-jährige Garcia in das Solvay-Werk, um die Bernburger Erfolgsgeschichte fortzuschreiben – mit ultrahochreinem Wasserstoffperoxid als Schlüsselchemikalie für die Halbleiterindustrie. In Bernburg werden mittlerweile einige der reinsten Wasserstoffperoxide der Welt produziert und an die Globalplayer unter den Halbleiterherstellern in Europa verkauft.

Hochautomatisierte Produktionsanlage

„Wir entwickeln die Technologien selbst, die Solvay in den eigenen H2O2-Reinigungsanlagen an seinen Standorten in Asien, in den USA und Europa einsetzt“, sagt Thomas Plötzke. Als Mechatroniker war er Mitte der 1980er Jahre in das Soda-Werk Bernburg gekommen und absolvierte einige Jahre später die Prüfung zum Industriemeister für chemische Technologie.. Jetzt ist der 50-Jährige für eine der europaweit modernsten Produktionsanlagen für hochreines Wasserstoffperoxid verantwortlich. Sie wurde im März 2021 in Betrieb genommen und entspricht den hohen Qualitätsanforderungen der europäischen Halbleiterindustrie. Thomas Plötzke betont den technologischen Vorsprung: „Auf die Bedürfnisse unserer Kunden reagieren wir mit einem Know-how, das wir aus unseren langjährigen technischen und praktischen Erfahrungen heraus entwickeln.“

Fokussierung auf Absatzmärkte in Europa

Proben zur Qualitätskontrolle schickt die hochautomatisierte Anlage eigenständig ins Labor. Das wird von Josephine Rost geleitet. Wenn sie von Verunreinigungen spricht, drückt sie deren Grad in der Maßeinheit Ppt, Parts per trillion aus. Das entspräche dem Verhältnis von zehn Körnern Salz in einem Olympiaschwimmbecken – eine wahrlich elektronische Qualität. „Wir sind in der Lage, unseren Kunden höchste Qualität auf stabilem Niveau zu sichern. Auf unsere Kontrollen von der Herstellung über die Abfüllung bis zur Auslieferung in ISO-Containern ist Verlass“, betont Josephine Rost. Für sie hat sich der Wunsch erfüllt, für einen so anspruchsvollen Job in ihrer Heimat bleiben zu können. Das Solvay-Werk generiert seine jungen Fachkräfte gern aus der Region; profitiert schon im Vorfeld, wenn Studierende aus der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, aus der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und der Hochschule Anhalt in Köthen ihre Projekt- oder Abschlussarbeiten im Werk schreiben. Laboranten, Chemiker und Mechatroniker gehören zum 15-köpfigen Team von Electronic Wet Chemicals. Josephine Rost konnte vor acht Jahren direkt nach ihrem Chemiestudium hier im Labor anfangen und ist jetzt, 35-jährig, in leitender Position tätig.

„Der unter anderem von der Corona-Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub treibt das Geschäft der Chipindustrie an. Um flexibel auf Marktbewegungen reagieren zu können und gleichsam die Kundenzufriedenheit kontinuierlich zu gewährleisten, werden wir weiter investieren“, stellt Plácido Garcia in Aussicht – auch mit Blick Richtung Silicon Saxony im Raum Dresden-Freiberg-Chemnitz. Quasi vor der Haustür wächst hier eines der größten Mikroelektronik- und IT-Cluster Europas.

Autorin: Kathrain Graubaum/IMG Sachsen-Anhalt

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