Sachsen-Anhalt setzt auf grünen Wasserstoff
Regionale Projekte treiben die Energie- und Mobilitätswende voran
Power-to-X-Technologien gelten als vielversprechend, um Klimaneutralität zu erreichen: In diesen Verfahren wird mit regenerativem Strom Wasserstoff erzeugt. Dieser grüne Wasserstoff lässt sich beispielsweise als Treibstoff nutzen. Sachsen-Anhalt setzt auf die Kraft dieses umweltfreundlichen Energieträgers: In der „Energieregion Staßfurt“ wird ein innovatives Konzept für die Energiewende auf Stadtebene erprobt, in Magdeburg wird die „Wasserstofffabrik der Zukunft“ entwickelt und in der Region Anhalt entwickelt das Bahntechnologie-Bündnis TRAINS einen Grünen Triebwagen.
Die Energieregion Staßfurt in Sachsen-Anhalt gestaltet die Energiewende: Mit Strom aus einem neuen Windpark soll mithilfe eines Elektrolyseurs grüner Wasserstoff produziert werden. Das leichteste Gas der Welt wird dem Erdgas beigemischt und zur klimaneutralen Wärmeversorgung von Häusern und Wohnungen genutzt. Busse, LKW, PKW und weitere Nutzfahrzeuge in Staßfurt tanken es statt Diesel oder Benzin. Auch stofflich kann der grüne Wasserstoff genutzt werden, zum Beispiel in der Industrie. Neben dem Elektrolyseur befinden sich sofort nutzbare Gewerbe- und Industrieflächen.
Energieregion Staßfurt will grüne Mobilität
Die Vision vom grünen Staßfurt soll ab 2023 Wirklichkeit werden. Der Windpark und der Elektrolyseur zur Produktion von Wasserstoff sollen ab dann errichtet und in Betrieb genommen werden. Das grüne Gas wird im ersten Schritt für die regionale klimaneutrale Mobilität genutzt und dem Gasnetz beigemischt. Darauf haben sich die Partner der „Energieregion Staßfurt“ geeinigt. So heißt das innovative Konzept, in dem Erneuerbare Energien mit verschiedenen Sektoren wie dem Mobilitätssektor und dem Wärmesektor gekoppelt werden sollen. „Vor Ort wird der grüne Strom erzeugt, aus dem der Wasserstoff ebenfalls vor Ort produziert, vermarktet und genutzt wird. Die Wasserstoff-Power-to-X-Kette aus der Region für die Region bereitzustellen, ist ein neuer Ansatz in Deutschland“, sagt Dr. Torsten Birth vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF. Das Magdeburger Institut hat das neuartige, regionale Konzept zur Nutzung der Erneuerbaren Energie erarbeitet. An dem Projekt Energieregion Staßfurt wirken die Stadt Staßfurt, die Stadtwerke Staßfurt GmbH, die Erdgas Mittelsachsen GmbH und das Mannheimer Energieunternehmen MVV Energie AG partnerschaftlich zusammen. Das Konsortium wird durch die Forschungseinrichtungen Fraunhofer IFF Institut sowie dem Max-Planck-Institut aus Magdeburg wissenschaftlich begleitet.
Die 25.000-Einwohner-Kommune unterstützt engagiert die „Energieregion Staßfurt“. „Es ist ein wichtiges Projekt zum Klimaschutz und für die Energie- und Mobilitätswende. Unternehmen und Privathaushalte können damit grüne Energieprodukte nutzen. Bürger sollen zum Beispiel über Sparbriefe monetär von der Energieregion profitieren können“, sagt Sven Wagner, Oberbürgermeister der Stadt Staßfurt.
Natürlich hofft die Kommune auf Unternehmensansiedlungen und Arbeitsplätze in der nachhaltigen Energiewirtschaft. Regionale, grüne Energieprodukte und neue Mobilitätskonzepte wiederum könnten Unternehmen und Privathaushalten zur Verfügung gestellt werden. Bereits jetzt laufen Gespräche mit Anbietern des ÖPNV und der Entsorgungswirtschaft, um künftig zum Beispiel Wasserstoff-betriebene Busse und Nutzfahrzeuge einzusetzen.
Wasserstofffabrik der Zukunft unterstützt E-Mobilität im Verkehrssektor
Die Erfahrungen aus dem regionalen Energiekonzept „Energieregion Staßfurt" haben die Forscher des Magdeburger Fraunhofer IFF auch bei der Entwicklung der „Wasserstofffabrik der Zukunft“ genutzt. „Es ist nicht überall möglich, Wind- und Photovoltaik-Anlagen zu bauen. Wir setzen deshalb auf standortabhängige Lösungen und nutzen gegebenenfalls Biogasanlagen für die Produktion“, erläutert Dr. Torsten Birth. Das Fraunhofer IFF entwickelt gemeinsam mit der MicroPro GmbH und der Streicher Anlagenbau GmbH & Co. KG eine regenerative Wasserstoffproduktion aus Biomasse. Wenn die Entwicklungsphase des Projektes erfolgreich abgeschlossen sein wird, soll in einem zweiten Schritt eine Biogasanlage bei Magdeburg angekoppelt werden. Dabei soll nicht nur Wasserstoff produziert werden, der dezentral genutzt werden kann, sondern auch die Leistung der gesamten Anlage gesteigert werden. „Die fermentative Erzeugung von Biowasserstoff wird künftig eine wichtige Rolle bei der dezentralen Produktion des Energieträgers spielen“, sagt Dr. Torsten Birth. Im Zuge der Umsetzung soll eine mobile Befülleinrichtung für Fahrzeuge für mehrere Testperioden eingesetzt werden, um Wasserstofffahrzeuge mit grünem Wasserstoff zu betanken und die gesamte Kette von der biologischen Produktion bis zur Nutzung in der E-Mobilität zu demonstrieren.
In einem weiteren Projekt realisieren die Forscherinnen und Forscher vom Fraunhofer IFF in Zusammenarbeit mit der Anleg GmbH ein mobiles, modulares System zur Versorgung wasserstoffangetriebener Fahrzeuge für Kurzstrecken unter 200 Kilometer. Auf einem Kleinanhänger befinden sich erweiterbare Druckspeichersysteme mit Kompressoren, die betankt werden können und zudem in der Lage sind, als mobile Tankstelle Wasserstoff abzugeben.
Auf Basis der Produktion von grünem Wasserstoff aus volatilen Stromquellen und Biomassesystemen bietet die Wasserstofffabrik der Zukunft - als Kombination der Produktion mit der Nutzung in Industrie, Gewerbe und Quartieren die Möglichkeit, zielgerichtet neben Wärme-, Strom- und Gas die E-Mobilität im Verkehrssektor zu unterstützen.
Modellregion für grünen Wasserstoff
Sachsen-Anhalt setzt auf den grünen Wasserstoff. Es gibt viele weitere Entwicklungsprojekte. So tritt das Bahntechnologie-Cluster TRAINS in der Region Anhalt an, den Klimawandel auf der Schiene voranzutreiben. Zentrales Projekt des Bündnisses aus mehr als 50 regionalen Partnern ist die Umrüstung bestehender Triebzüge auf saubere Gasmotoren, die grünen Wasserstoff nutzen. Vor gut einem Jahr hat TRAINS im Förderprogramm „Wandel durch Innovation in der Region – WIR!“ des Bundesministeriums für Forschung und Soziales eine Förderung in Höhe von 12,2 Millionen Euro erhalten. Das neue grüne Mobilitäts-Projekt aus Sachsen-Anhalt setzte sich damit als eines von nur 20 Projekten aus bundesweit 107 Anträgen durch.
Außerdem sollen im „Energiepark Bad Lauchstädt“ Salzkavernen als großvolumige Speicher für Wasserstoff genutzt werden. Auch das große Potenzial als Energieträger und -speicher sowie als nachhaltiger Rohstoff für die chemische Industrie soll erschlossen werden. Mit mehr als acht Millionen Euro aus EU- und Landesmitteln fördert Sachsen-Anhalt beispielsweise den Aufbau zweier einzigartiger Pilotanlagen des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP im Chemiepark Leuna. Dort soll die Elektrolyse-Technologie für den industriellen Maßstab weiterentwickelt und der grüne Wasserstoff als Rohstoff genutzt werden.
Autor: Michael Falgowski/IMG Sachsen-Anhalt