Kulissen für neue Welten – Magdeburger bauen Ideen
Die Selents gucken ganz schön in die Röhre – und finden das richtig gut. In ihrer Magdeburger Werkstatt sind gleich mehrere Wohnzimmer entstanden, die vor allem eines im Fokus haben: den Fernseher. Für eine Ausstellung in einem großen Magdeburger Einkaufscenter, in der sich alles um „Das Jahrhundert des Fernsehens“ dreht, haben die Kulissenbauer eine Zeitreise angetreten. Im Gepäck haben sie gedanklich mitgebracht, was jetzt in Zusammenarbeit mit dem RFT-Verein Staßfurt ausgestellt wird. Wie wohnte man vor 50 Jahren? Welche Lampe passt? Wie groß und schwer muss ein Fernseher von einst wirken? Solche Fragen stellten sich die Kulissenbauer und zimmerten große Kästen mit riesigen Knöpfen, schmückten die Räume mit Details wie alten Fernsehzeitungen aus.
So ist das immer bei ihren Projekten. Wenn sie Räume gestalten, dann mit dem Blick für das Ganze. Sie holen die Vergangenheit, die Zukunft oder die Fantasie in den Alltag. Thomas Selent vertieft sich in jedes der Projekte. „Wer sich nicht wirklich hineindenken kann, arbeitet nur halbherzig“, sagt Thomas Selent. Der Tüftler und Denker, der Schrauber und Säger hat die berühmten zwei rechten Hände, vereint handwerkliche Gaben mit einer Prise Humor. Die meisten Techniken hat sich der gelernte Maschinenbauer selbst beigebracht. „Gott hat es wohl gut gemeint, als er die Talente verteilt hat“, sagt er. Seine Detailverliebtheit, das Hineinsteigern, sein handwerkliches Geschick fielen bereits auf, als er noch im Studium an kleinen Aufträgen bastelte. Seine ersten Aufträge zimmerte er in der Waschküche eines Mietshauses, weil er noch keine Werkstatt hatte. Riesige Drachenköpfe aus Styropor wuchsen dort für die Deckenverkleidung einer Kneipe. Bunte übergroße Ostereier für die Dekorationen einer Ladenstraße entstanden im Dämmerlicht. So begann die Geschichte der Firma, die sich bewusst das Wort Manufaktur in den Namen schrieb. Weil Handarbeit wichtig ist, auch wenn inzwischen 3-D-Technik und Computer-Visualisierungen in die „Jacco“-Welt eingezogen sind.
Spezialisiert ist die Firma auf Kulissen, die nicht im Theater zu sehen sind, sondern im wahren Leben, in Unternehmen, bei Privatleuten, in Einkaufscentern und Praxen. Als Thomas Selent kurz nach der Firmengründung das Angebot bekam, in großen Garagen an der Elbe zu arbeiten, hatte er längst Blut geleckt, kreative Luft geschnuppert und zog damit auch seine Frau, eine Werbefachfrau, in den Bann.
Die Erfolgsgeschichte kam so richtig in Fahrt, als die beiden begannen, für die ECE-Gruppe zu arbeiten. Für die Modenschauen und Spezial-Dekorationen hatten sie von Anfang an das richtige Händchen. Sie schufen das Wunderland von Alice in Magdeburg und widmeten sich in Dessau der 800-jährigen Tradition der Region Anhalt. In ihrer eigenen Werkstatt, die sie Stück für Stück ausbauten, entstanden die Räume vom Schloss des Alten Dessauers. Als die Besucher damals durch die Räume wanderten und an den aufgeklebten Fliesen kratzen, um zu testen, „ob die echt sind“, ging ihnen das Herz auf.
Für jeden Auftrag suchen die Selents neue Ansätze. Wenn die Familie unterwegs ist, sammelt sie alles, was interessant werden könnte – antike Stücke, Kitsch, Krüge, Glas. Sie machen Fotos von Ideen, die sie später hervorkramen, wenn es zum aktuellen Projekt passt. Der Ideen-Ordner platzt aus allen Nähten. Thomas und Janet Selent recherchieren viel in Büchern oder im Internet. Schwer sind meist nur die ersten Schritte bis zur zündenden Idee. Denn die Stücke, egal wie groß sie sind, wiegen meist wenig. Die Kulissen müssen leicht zu transportieren und handlich im Aufbau sein. Gearbeitet wird meist mit Styropor, Papp-Waben-Platten oder Sperrholz. Eine CNC-Fräse kommt hin und wieder zum Einsatz. Wird er gefragt, was sie beruflich machen, überlegt Thoma Selent meist. „Kulissenbau trifft es schon ganz gut“, sagt er. Und doch ist jeder Auftrag anders. „Wir könnten auch noch viel mehr“, weiß Janet Selent. Für die Industrie Modelle zu bauen, das wäre ein nächster Schritt. Das Arbeitsprogramm zu wechseln, gehört eben zum kreativen Alltag der Magdeburger. Die Fernseher sind längst „auf Sendung“ und die Selents tauchen derzeit in die Welt einer historischen Bäckerei ein. Eine Gaststätte möchte eine Kulisse, die auffällt. Die ersten Bleistiftstriche sind gesetzt. Die Gedanken sprudeln, die Ideen nehmen wieder Formen an. Dass es nicht nur die kleinen Brötchen sind, die in der Werkstattgebacken werden, ist den Unternehmern natürlich recht. In Deutschland haben sie sich vielerorts einen Namen gemacht. Kunden aus Russland, Polen und anderen Ländern klopfen an, um zu fragen: „Könnt ihr das?“ Sie können, und wenn nicht, dann tüfteln sie, holen sich Unterstützung, schlafen wenig und probieren viel. Sie bauen Ideen und bringen sie in die Welt – und manchmal erschaffen sie selbst eine.
Autorin: Manuela BockFoto: privat, Bildunterschrift: Thomas und Janet Selent
Kontakt
E-Mail: info@jacco.de
www.jacco.de