Modellregion der Bioökonomie - Sachsen-Anhalt ist Kompetenzzentrum für Zukunftswerkstoffe

Sachsen-Anhalt ist zur europaweiten Modellregion auf diesem Gebiet geworden. Im Spitzencluster BioEconomy des Bundeslandes konzentrieren sich über 60 Institutionen und Unternehmen aus Wissenschaft und Wirtschaft auf die nachhaltige Wertschöpfung aus Non-Food-Biomasse und bündeln dabei das Potential aller Akteure eines breiten Technologie- und Innovationsfeldes. Im Zentrum der Bioökonomie in Sachsen-Anhalt steht das Holz. Und dies nicht ohne Grund: Im Umkreis von 150 km befinden sich ca. 40% des deutschen Buchenbestandes als nachwachsender Rohstoff.

„Was Sachsen-Anhalt so einzigartig macht, sind das Zusammentreffen unter anderem der Kernbranchen Holzwirtschaft und chemische Industrie mit der Forschung, sowie der Ansatz unseres Clusters eine nachhaltige Rohstoffversorgung zu etablieren“, erklärt Henning Mertens, Sprecher des Clusters BioEconomy e.V. Einmalig ist dabei die Bildung geschlossener, branchenübergreifender Wertschöpfungsketten, die zum Beispiel in der holzverarbeitenden Industrie die Brücke vom innovativen Holzbau über die Fertigung von Verbundwerkstoffen bis hin zur Herstellung von biologischen Basischemikalien für die Kunststoffindustrie schlägt. Ein dichtes Verbundpartnernetz forscht an den zentralen Basistechnologien und der Optimierung von Preis und Ressourceneffizienz. „Unsere Vorgabe ist zero waste“, erläutert Mertens. „Durch gezielte Nutzung der Reststoffströme aus der vorhergehenden Industrieverarbeitung sind wir in der Lage, das Holz fast vollständig stofflich zu nutzen. Der Rest wird in Bioenergie umgewandelt und als Dünger in den Rohstoffkreislauf zurückgeführt.“

Entlang der bioökonomischen Wertschöpfungskette haben sich in Sachsen-Anhalt viele kreative Unternehmen etabliert. Ein Spezialist für biologische High-Tech-Verbundwerkstoffe ist die C3 Technologies GmbH. Das Hallenser Unternehmen setzt auf Naturfasermaterialien zur Herstellung hochfester Laminate, die als Deckschichten für Sandwichpaneele bei der Gebäudefertigung oder im Messebau eingesetzt werden. Ein solches Paneel ist sehr stabil, frei von gesundheitsschädlichen Emissionen und sehr leicht. Neuestes Highlight ist das e2b Paneel-Zelt. Es ist extrem leicht und eignet sich neben dem Camping beispielsweise auch für Humanitäre Zwecke, da in schnellster Zeit großflächiger und wetterstabiler Wohnraum geschaffen werden kann.

Die Potentiale, die im Laub der Buche stecken, hat Manfred Schäfer entdeckt. Innovationen gehören bei dem Gesellschafter der 3P Präzisions Plastic Produkte GmbH in Staßfurt schon immer zum Berufsleben. Das Unternehmen fertigt Spritzgießteile für die Automobilindustrie. Mit Biokunststoffen aus Buchenlaub plant Schäfer neue und vor allem nachhaltige Wege zu gehen: „Unsere Prototypen haben 85% Laubanteil und weisen in vorläufigen Tests eine genauso große Stabilität auf wie erdölbasierte Kunststoffe auf, sind aber leichter und haben eine deutlich bessere CO2-Bilanz“.

Der Reststoffstrom aus dem Holzbau wird schließlich in der chemischen Industrie zur Herstellung von Biokunststoffen und -chemikalien genutzt. Die Keimzelle der Bioökonomie in der chemischen Industrie liegt ebenso in Sachsen-Anhalt. Im Chemiepark Leuna betreibt das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP eine Lignozellulose-Bioraffinerie zur Spaltung von Abfallholz in Zellulose, Hemizellulose und Lignin im Pilot-Maßstab. Lignin ist die Grundlage für formaldehydfreien Bio-Klebstoff beispielsweise für die Möbelindustrie, oder kann als Faserwerkstoff eingesetzt werden. In seine Grundbestandteile, also Zucker, zerlegt, ist die Zellulose wiederum Ausgangspunkt für die Herstellung von Biokunststoffen.

Das CBP ist außerdem wissenschaftlicher Partner für das Leuchtturmprojekt des französischen Unternehmens Global Bioenergies. In den kommenden drei Jahren wird dieses hier eine Pilotanlage betreiben, in der durch ein europaweit einmaliges Fermentationsverfahren der aus dem Holz gewonnene Zucker in Isobuten umgewandelt wird. Die Basis-Chemikalie kann zu Kautschuk, Elastomeren oder Schmierstoffen, aber auch zu Biotreibstoffen weiterverarbeitet werden. In einer Kooperation mit Audi soll das Isobuten in Isooktan umgewandelt und als Biotreibstoff getestet werden.

Die Zeichen für die Bioökonomie in Sachsen-Anhalt stehen demnach auf „Grün“. Mit dem Ansatz „Wertschöpfung aus Non-Food-Biomasse“ ist das Land auf Erfolgskurs für eine starke Bioökonomie.

 

BU: Blick in die Anlage zum Holzaufschluss; Bildrechte Fraunhofer SBP, Leuna

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