Die Kosten machen sich aus dem Staub: Aus Abfällen wird Energie
Kurz gesagt, was haben Sie erfunden?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Unsere Projektgruppe hat eine Anlage entwickelt, die neue und patentwürdige Lösungen bietet. Grundlage ist dabei die Staubfeuerungstechnologie. Staubbrenner gibt es natürlich, aber wir haben sie so modifiziert, dass ein industrieller Reststoff mit bestimmten Eigenschaften eingesetzt werden kann. Dabei handelt es sich beispielsweise um Reststoffe niedrig schmelzender Pulver. Diese Pulver werden speziell für die Beschichtung von metallischen Werkstoffen eingesetzt. Wenn man solches Restpulver thermisch nutzen möchte, ist die Eigenschaft des niedrigen Schmelzpunktes eher kontraproduktiv. Wenn so ein Pulver in eine Feuerung eingebracht wird, schmilzt es sehr schnell, führt zu Anbackungen, dann hat man ein großes Problem, es einem Brenner zuzuführen. Dahinter steckt die Entwicklung: Wir haben einen Brenner entwickelt, bei dem dieses Pulver nicht in Kontakt mit einer heißen Wand kommt, sondern in einer Gasströmung dem Feuerraum zugeführt wird. Der Brenner und die Brennkammer sind mit Methoden des Digital Engineering so designt, dass es nicht zu Anbackungen kommt.
Sie haben das Rad also nicht neu erfunden, sondern eine Neuerung eingebracht?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Wenn wir beim Rad bleiben, ist es so: Wenn der Herr Dunlop den Luftreifen für das Rad erfunden hat, dann haben wir etwas mit dem Reifen Vergleichbares für Staubfeuerungen entwickelt.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Wir sind von einem Kunden aus der Holz- und Metallindustrie angesprochen worden. Er setzt eine Pulverbeschichtungsanlage ein und benötigt bei den Beschichtungsprozessen auch Wärme. Den pulverförmigen Reststoff darf er nicht deponieren, und die Entsorgung ist sehr teuer. Er fragte uns: Was können wir machen? Als Antwort sind wir an diese Entwicklung gegangen.
Wie kann man die Anlage beschreiben?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Es handelt sich um eine kleinere Pilotanlage mit einer Feuerungswärmeleistung von 100 Kilowatt. Das entspricht ungefähr der Heizungsleistung von sechs Einfamilienhäusern. Die Anlage hat eine Grundfläche von zwei mal sechs Metern, besteht aus drei Grundeinheiten: der Brennkammer mit dem Restpulverbrenner, der Wärmeauskopplung und der maßgeschneiderten Abgasreinigungsanlage. Der pulverförmige Abfall wird pneumatisch, also mit Druckluft, in den Brenner gefördert. Dort wird er gezielt verwirbelt undmit Verbrennungsluft in Kontakt gebracht und verbrannt. Wasser speichert die entstehende Wärme und beheizt damit Trocknungsprozesse. Die Abgase, die bei der Verbrennung entstehen, werden abgesaugt und in einer Filteranlage gereinigt.
Gibt es bereits ähnliche Anlagen?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Es gibt natürlich bereits unterschiedliche Staubfeuerungs-prinzipien, insbesondere auch für große Kraftwerksanlagen. Aber für diesen speziellen Brennstoff ist mir eine so kleine Staubbrenneranlage im industriellen Bereich nicht bekannt. Das ist etwas ganz Neues.
Könnten Sie damit nationale und internationale Märkte erobern?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Ja, das möchten wir tun. Im Bereich der Pulververbrennung haben wir natürlich nur ein begrenztes Marktpotenzial. Es müssen schätzungsweise 20.000 Tonnen Restpulverpro Jahr in Deutschland entsorgt werden. Aber es gibt noch mehr brennbare Stäube, die als Reststoffe auftreten, beispielsweise Feinstäube in der Holzindustrie oder Schleifstäube aus Entlackungsprozessen.
Wie lange haben wie viele Mitarbeiter daran geforscht?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Zwei Verfahrungstechniker und ein Konstrukteur haben etwa zwei Jahre daran gearbeitet. Es wurden Tests an Versuchsanlagen durchgeführt, die Anlage wurde in Magdeburg aufgebaut und im Probebetrieb getestet. Dann ging sie raus zum Kunden und befindet sich jetzt in der Piloterprobungsphase zur Betriebsoptimierung.
Welche Voraussetzungen mussten geschaffen werden, um dieses Vorhaben überhaupt anzugehen?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Die Kompetenzen haben wir hier im Haus versammelt. Wir sind Prozessentwickler im Bereich der thermochemischen Energiewandlungsanlagen für feste Brennstoffe. Wir haben Verfahrensingenieure zur Prozessentwicklung und -gestaltung sowie Leittechniker, die die Software zur Prozesssteuerung schreiben können. Und wir haben Wissenschaftler, die Simulationsmodelle und Berechnungsmethoden erstellen, mit der man erkennt, ob man eine Anlage wirklich so bauen kann. Diese Voraussetzungen sind bei uns vorhanden, wir mussten sie also nicht schaffen. Aber wir mussten Know-how für den speziellen Prozess aufbauen. Wichtig war auch, Erkenntnisse aus dem realen Anlagenbetrieb zu erzielen und die Anlage zielgerichtet zu verändern.
Ist die Anlage bereits einsetzbar?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Der Prototyp ist seit Anfang des Jahres in einem Unternehmen der Pulverbeschichtungsindustrie im Regelbetrieb eingesetzt. Wir befinden uns also gerade im Testbetrieb und optimieren die Anlage. Prinzipiell können wir aber sagen, dass die Anlage eine Marktreife erreicht hat. Allerdings muss man das ein wenig einschränken – für jeden speziellen Einsatzbrennstoff muss die Anlage neu ausgelegt und angepasst werden. So eine Anlage ist immer maßgeschneidert.
Ist die Anlage für jedes Unternehmen geeignet?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Grundsätzlich kann jeder Betrieb, der brennbare Feinstäube hat, diese Technologie einsetzen.
Welche Vorteile hat der Einsatz dieser Anlage für Betriebe?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Knapp gesagt, spart jeder Betrieb damit Entsorgungskosten. Daneben erzeugt die Anlage auch noch Energie, die im Unternehmen für die Heizung oder als Prozesswärme für Produktionsprozesse genutzt werden kann.
An welchen weiteren Projekten zur Energie- und Ressourceneffizienz forschen Sie?
Dr.-Ing. Matthias Gohla: Bei uns am IFF gibt es das Innovationscluster Energie- und Ressourceneffizienz in Wertschöpfungsketten in der Industrie, kurz ER-WIN, das speziell auf Sachsen-Anhalt zugeschnitten ist. Gerade dieses Cluster soll dazu dienen, die Ressourceneffizienz-Entwicklungen hier im Landvoranzutreiben. Wir arbeiten aber auch deutschlandweit und international an solchen Projekten.
Autorin: Manuela Bock
Foto: Dirk Mahler / Fraunhofer IFF
Bildunterschrift: Dr.-Ing. Matthias Gohla, Leiter des Geschäftsfeldes Prozess- und Anlagentechnik am Fraunhofer IFF in Magdeburg.
Kontakt:
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
Dr. -Ing. Matthias Gohla
Sandtorstraße 22
39106 Magdeburg
Telefon: +49 (0) 0391/4 09 03 61
E-Mail: matthias.gohla@iff.fraunhofer.de
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