Nachwachsende Rohstoffe machen Wellpappe zum Star

Eine hohe Bedeutung für die Bioökonomie

Glas, Porzellan, Lebensmittel oder Haushaltsreiniger haben eines gemeinsam. Alle diese Produkte brauchen für den Transport eine stabile Verpackung. Dass diese bei optimaler Stabilität möglichst leicht sein soll, versteht sich von selbst, sagt Lutz Seydler. Der Geschäftsführer der WS Coswiger Wellpappe und Papierverarbeitung GmbH nennt Wellpappe ein Naturtalent. Ihre Geburtsstunde schlug 1856 in England, dort wurde sie damals patentiert und anfänglich als Einlage für hohe Hüte eingesetzt. 15 Jahre später erhielt Albert Jones aus New York ein Patent zur "Verbesserung von Papier für Verpackungszwecke". Man machte zunehmend Welle, tüftelte und optimierte das Material. Heute hat Wellpappe allein in Deutschland einen Marktanteil von annähernd 70 Prozent.

Die Konstruktion veränderte sich in mehr als 150 Jahren in zahlreichen Details. Geblieben sei die Vielfältigkeit des umweltverträglichen Packmaterials, versichert Seydler. Veränderte Wellenkonstruktionen sorgten ebenso wie eine bessere Ausrichtung der Papierfasern dafür, dass die Wellpappe leichter und dünner werde. Das spare Transport- und Lagerkapazitäten. Immer weniger Luft müsse durch das Land gefahren werden.

In Coswig wurde Ende des 19. Jahrhunderts mit der Papierproduktion begonnen. Nach 1945 kam die Wellpappe dazu. Das Unternehmen erwies sich Anfang der 1990er Jahre als nicht überlebensfähig, die Treuhand wickelte es ab. Zwei langjährige Mitarbeiter wollten den traditionsreichen Standort erhalten, wagten 1992 einen kompletten Neuanfang mit gerade einmal 18 Beschäftigten. Der Mut zahlte sich aus, Höhen und Tiefen wurden überwunden, manche schlaflose Nacht ist vergessen. Aus dem einstigen Hersteller wurde ein Verarbeiter. "Auf dem ständig wachsenden Markt mussten wir uns spezialisieren, eine eigene Nische als Mittelständler finden", sagt der Geschäftsführer. Mit einem komplett neuen Betriebsgelände habe man die Neuorientierung gewagt. Fast elf Millionen Euro flossen in Produktionsanlagen, Lager und Verwaltungsgebäude, in denen heute 76 Beschäftigte arbeiten. 2014 war das Investitionsprogramm abgeschlossen. Der Bedarf wächst und darauf sind die Coswiger eingestellt, liefern Kleinserien ebenso wie ganze LKW-Ladungen. Mit einem schnellen Wechsel in der Fertigung haben sie ihre Nische gefunden.

Lutz Seydler, dessen Söhne Björn und Thomas seit einigen Jahren als Geschäftsführer mit im Boot des Familienbetriebs sitzen, verweist auf den zunehmenden Online-Handel, der für sein Geschäft auf Verpackungen angewiesen ist. Egal ob Bekleidung, Kosmetika oder Wein, fast alles werde heute via Internet verkauft und müsse schließlich verschickt werden. Dazu kommen die Kunden im Umkreis von etwa 250 Kilometern. Kekse und Waffeln von Wikana aus Wittenberg, Impfstoffe der IDT Biologika aus Roßlau oder Bücher des Grafischen Centrum Cuno in Calbe setzen auf Coswiger Wellpappe. Das Rohmaterial dafür kommt fast ausschließlich aus Sachsen-Anhalt.

"Wir fertigen nicht nur klassische Kartons", erläutert Björn Seydler. Mit den Kunden würden gemeinsam optimale Hüllen für zahllose Anwendungen in der eigenen Musterabteilung entwickelt. Um beispielsweise Tragetaschen für Likör, die in aufwändiger Handarbeit entstehen, liefern zu können, kooperiere WS mit Werkstätten für behinderte Menschen in der Region.

Dass Wellpappe vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, macht ihre hohe Bedeutung für Bioökonomie aus. Ressourcen lassen sich effizient nutzen. Nach Gebrauch der Verpackung kommt diese über das Altpapier in den Stoffkreislauf. So entsteht der Rohstoff für neue Wellpappe. In Deutschland hergestellte Wellpappe besteht durchschnittlich zu 80 Prozent aus Recyclingmaterial, nämlich Altpapier. Der Rest sind Frischfasern aus Zellstoff, welcher wiederum aus Holz hergestellt wird. "Wir sind schon stolz darauf, auf unterschiedliche Weise einen grünen Fußabdruck zu hinterlassen", sagt Björn Seydler. Moderne Verpackungen helfen LKWs optimaler einzusetzen, das spare Kohlendioxid. Im Betrieb bestehen intelligente Lichtsysteme, wird Regenwasser genutzt. Das alles komme der Natur zugute. Zudem gehört das Unternehmen seit 2013 zur Umweltallianz Sachsen-Anhalt. Maßnahmen zur Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsprinzips, zur Verbesserung des Gewässerschutzes und zum Einsatz erneuerbarer Energien gehören zu den Verpflichtungen des Wellpappewerks.

Bildtext:

Lutz und Björn Seydler präsentieren eine Auswahl der Erzeugnisse der WS Coswiger Wellpappe und Papierverarbeitung GmbH.

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