In der Solarindustrie heiß begehrt: hauchdünne Siliziumscheiben

Fraunhofer CSP entwickelt Lösungen für leistungsfähige, kostengünstige und zuverlässige Solarmodule

Aus der Krise gestärkt hervorgehen - die Gesetzmäßigkeit soll auch für die Solarbranche gelten. Unter dieser Prämisse betreibt das Fraunhofer Center für Silizium-Photovoltaik CSP in Halle angewandte Forschung entlang der gesamten Prozesskette bei der Herstellung Wafer-basierter Siliziumsolarmodule. Zum vierten Mal nimmt das CSP an der Fachmesse der Solarwirtschaft "Intersolar Europe" in München teil. In diesem Jahr ist es sogar für den Innovationspreis nominiert.

"Nein, der Diamantdraht funkelt nicht", Stephan Schönfelder hält ihn gegen das Licht. Grau sieht der Draht aus im Vergleich zu dem rotgold glänzenden Stahldraht mit Messingschicht. Die Diamantbeschichtung fühlt sich rau an und bewirkt eine schnellere Zerteilung der Siliziumblöcke in die begehrten dünnen Wafer. Zeit ist Geld - auch bei der Herstellung dieser grauen Scheiben, die den Solarzellen als Grundplatte dienen. An der weltweiten Solarzellen- und Modulproduktion haben die Wafer-basierten Siliziumsolarzellen einen Anteil von 80 Prozent. "Etwa ein Drittel der Kosten für ein Siliziumsolarmodul fällt bis zur Herstellung der Wafer an", sagt Stephan Schönfelder und dass es in der Forschung - gerade auch bestärkt durch die Krise auf dem Photovoltaikmarkt - darum gehe, diese Kosten zu senken. Schönfelder koordiniert das Forschungsprojekt, in dem die Diamantdrahtsäge namentlich drinsteckt: "DiaCell - Innovative Waferingtechnologien vom Substrat bis zum Photovoltaikmodul".

Der Maschinenbau-Ingenieur schrieb Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Halle seine Doktorarbeit. Thematisch ist sie im Bereich der Mechanik von dünnen Siliziumsubstraten angesiedelt. Er ist also Experte, wenn es um die mechanischen Eigenschaften von dünnen Siliziumwafern geht und darum, sie in hoher Qualität, aber so preiswert wie möglich zu produzieren. Schönfelder hält eine Scheibe zwischen beiden Zeigefingern. Sie ist etwa 180 Mikrometer dünn, was der Standard sei, sagt er und dass es in dem Forschungsprojekt unter anderem um die Herstellung von noch dünneren Siliziumwafern gehe. Gleichzeitig habe man auch die Reduzierung der Bruchrate im Blick. Die Partner innerhalb des Projektes kommen aus der regionalen Industrie: SILTECTRA aus Dresden, bubbles & beyond aus Leipzig und Innotech Solar aus Halle. Im Fraunhofer CSP ist eine industriekompatible Pilotlinie aufgebaut, in der die Wafer die gesamte Prozesskette ihrer Herstellung durchlaufen. Vorhandene und neue Herstellungstechnologien werden immer wieder getestet und optimiert.

Denn: Die Forschung könne sich nicht darauf ausruhen, eine Super-Idee zu haben, die das Zwischenprodukt in die gewünschte Richtung verändert. Man müsse auch schauen, welchen Einfluss diese Idee auf die Nachfolgeglieder in der Wertschöpfungskette habe, sagt Schönfelder. DiaCell hat die Aufgabe, Technologien zu entwickeln, die die Kosten für die gesamte Wertschöpfungskette senken. So ergaben mechanische Experimente, dass die diamantdrahtgesägten Wafer auch einen Nachteil haben: Sie brechen leicht entlang der Sägerichtung. Des Weiteren verursacht die Diamantdrahtsäge Späne; feinstes Pulver, das die Waferscheiben verschmutzt und einige chemisch aufwändige Schritte im Reinigungsprozess nach sich zieht. Um auch an dieser Stelle Zeit und Geld zu sparen, entwickelt bubbles & beyond gemeinsam mit dem Fraunhofer CSP sogenannte "intelligente Fluide". Die Fluid-Entwicklung geht mit der Prozessentwicklung einher und kann am Ende ganze Abschnitte im gesamten Herstellungsverfahren einsparen. Mit dem Projektpartner SILTECTRA forscht das CSP daran, Wafer ohne Materialverlust zu teilen. Immerhin verursacht jeder Sägespalt einen Materialverlust in der Größenordnung einer Waferdicke. Das ist viel im Verhältnis zur ca. 180 Mikrometer dünnen Standard-Scheibe und kann bis zu 50 Prozent Materialverlust bedeuten. Beim Wafersplitting werden beide Seiten des Wafers mit einem speziellen Polymer beklebt. In einen tiefgekühlten Zustand versetzt, zieht sich die Plastefolie zusammen und entwickelt dabei solche Kraft, dass sie den Wafer auseinanderzieht.

Jens Schneider steht vor einer Dachstuhl-ähnlichen Konstruktion, auf der Solarmodule befestigt sind. Diese Wafer-basierten Siliziumsolarzellen sollen nicht nur das Licht einfangen, sondern anstatt der Ziegel als Dachabdeckung dienen. Solche Module sind ganz besonderen Belastungen ausgesetzt. Der promovierte Elekrotechniker leitet ein Forschungsprojekt, das sich mit der "Modellierung des mechanischen Verhaltens dünner Siliziumsubstrate und -solarzellen", befasst. "MechSi", so Schneider, "untersucht zum einen, welchen Einfluss neue Herstellungsprozesse auf den Wafer haben. Ob die hauchdünnen Siliziumscheiben per Standard-Slurry-Drahtsäge, Diamant-Drahtsäge oder durch Splitting hergestellt werden, bestimmt am Ende deren unterschiedliche Eigenschaften." In einem anderen Arbeitspaket würden unterschiedliche Herstellungsprozesse der Silizium-Wafer am Computer simuliert. Und im dritten werde untersucht, wie sich die Wafer bei der Verarbeitung zu Solarzellen und -modulen mechanisch verhalten. Daraus sollen Handhabungs-Empfehlungen für die Firmen abgeleitet werden. Bei der Einführung neuer Prozesse gehe es am Ende schließlich auch um die Absenkung der Bruchrate, meint Schneider.

Apropos Kosten-und Materialeinsparung: Auch der Frage, wie die Qualität der Solarzellen schon produktionsbegleitend überwacht werden kann, wird am Fraunhofer CSP nachgegangen. Kristalldefekte können Kurzschlüsse in den Solarzellen und somit Leistungseinbußen herbeiführen. Die Potential-induzierte Degradation (PID) ist ein häufig vorkommender Defektmechanismus. Die PID tritt auf, wenn Solarmodule bei hohen Systemspannungen und in feuchter Umgebung betrieben werden. Gemeinsam mit der Firma Freiberg Instruments hat das Fraunhofer CSP ein material-, energie- und kostensparendes Testverfahren nebst entsprechendem Gerät entwickelt: PIDcon vereinfacht und erleichtert die Qualitätskontrolle von Solarzellen und -modulen. "Wir freuen uns sehr über die Nominierung von PIDcon zum Intersolar Award 2015", sagt Professor Jörg Bagdahn, Leiter des Fraunhofer CSP in Halle. "Die Erfahrungen der bisherigen Messebesuche haben gezeigt, dass unsere Forschungskompetenz enorm gefragt ist und dass die Intersolar uns wichtige Kontakte zu Herstellern, Zulieferern und anderen Partnern der Branche erschließt."

BU: Jens Schneider, Leiter des Forschungsprojektes "Modellierung des mechanischen Verhaltens dünner Siliziumsubstrate und -solarzellen", zeigt Solarmodule, die innerhalb einer Dachabdeckung die Ziegel ersetzen.

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