Die reifen Früchte hängen manchmal niedrig

Sachsen-Anhalts Landesenergieagentur will Schwellenängste abbauen - Effizienz und Ressourcenschonung sind kein Teufelswerk.

Marko Mühlstein mag bildhafte Vergleiche. Gern spricht der Geschäftsführer der Landesenergieagentur Sachsen-Anhalt (LENA) von einem Werkzeugkasten, den er mit seinen Mitarbeitern öffnet, damit Unternehmen, der öffentliche Sektor und Otto - Normalverbraucher unterstützt werden können. Patentrezepte seien nicht darin, aber viele Möglichkeiten, um Brücken zum Energiesparen zu bauen, unverzichtbar für ein Flächenland wie Sachsen-Anhalt, sagt er. In den zwei Jahren seit ihrer Gründung kümmert sich die LENA um Effizienz, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung.

An gelungenen Beispielen in der kurzen Zeit mangelt es nicht. Mühlstein zeigt Computerbilder eines Gebäudes. Die Evangelischen Sekundarschule Haldensleben erlebt gerade eine umfassende Kur, bei der der klassische Typenbau einer POS aus DDR-Zeiten unter anderem energetisch auf Vordermann gebracht wird. Sonnenkollektoren und andere Maßnahmen helfen, Energiekosten einzusparen und ein modernes Null-Energie-Haus zu schaffen. 36 Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung werden installiert, die die Raumluft regeln. Weitere Details machen das Haus zu einem Vorzeigestück. Eine Dachterrasse mit Möglichkeiten für den Astronomieunterricht entsteht ebenso wie ein Speisesaal und eine Bücherei mit Leseraum. Rund 4,7 Millionen Euro fließen in die Sanierung. Knapp ein Drittel bringt die Johannes-Schulstiftung als Träger auf. 70 Prozent des Geldes stammen aus dem von der EU geförderten STARK III-Programm. Das hat sich in Sachsen-Anhalt zu einem Erfolgsprojekt entwickelt. Seit 2012 werden bestandsfähige KITAS und Schulen in Sachsen-Anhalt energetisch und allgemein saniert. "Effizienz und Ressourcenschonung sind kein Teufelswerk sondern setzen klare Strategien voraus", sagt Mühlstein. Rund 600 Millionen umfasse das STARK III-Paket, das bis 2020 fortgesetzt wird.

Die LENA berät dabei, bringt sich mit ihren Kompetenzen, Know How und Netzwerkmöglichkeiten ein. Die öffentliche Hand weiß um den Handlungsbedarf. Programme wie STARK III ermöglichen längst überfällige Investitionen in Energieeffizienz von kommunalen Gebäuden. Außerdem funktionieren derartige als Anreiz und Türöffner für die regionale Wertschöpfung, denn mit den vielen Millionen Euro werden Aufträge im regionalen und lokalen Mittelstand ausgelöst. Kommunen erkennen, dass die Kosten für Energie explodieren, die ohnehin knappen Kassen belasten. Egal ob Rathäuser, Bibliotheken oder Schwimmhallen, die energetische Gebäudesanierung gewinnt an Bedeutung. "Die LENA unterstützt und begleitet Vorhaben im Auftrag des Landes", versichert Marko Mühlstein. Sie identifiziert Angebotslücken und Defizite im Markt für Energiedienstleistungen, unterstützt Akteure dabei, diese zu schließen und löst wirtschaftliche Impulse aus. Als Beispiel nennt er die Ausbildung von kommunalen Energiebeauftragten. Reserven gäbe es genug, sagt er und verweist auf die Straßenbeleuchtung. Dimmbare Lampen und LED-Leuchten setzten sich zunehmend durch. Die Landeshauptstadt habe durch diese modernen Möglichkeiten ihre "Stadtautobahn" wieder ins rechte Licht gerückt, nachdem jahrelang diese Trasse aus Kostengründen im Dunkeln lag.

Kleine und mittelständische Betriebe (KMU) zwischen Arendsee und Zeitz brauchen Unterstützung und Begleitung, schätzt Mühlstein ein. "Ihnen fehlt oft das personelle Hinterland, um zu handeln. Die Potenziale sind da und müssen nur entdeckt werden." Einfache Maßnahmen ließen sich oft sehr schnell verwirklichen, denn "die reifen Früchte hängen manchmal niedrig". Das beginnt bei der richtigen Abdichtung von Kühlhäusern, geht über die Isolierung von Heizungsrohren und endet bei der passenden Beleuchtung von Werkhallen. Ein eigener Fachbereich der LENA vermittelt Wissen zu Energiemanagement und Audit, gibt wertvolle Ratschläge zu Instrumenten wie Zertifizierung, stellt zusätzliche Unterstützungsangebote wie beispielsweise ein Energiemangement-Handbuch oder Benchmarkanalysen bereit. 

Zu den Partnern der Landesenergieagentur gehört der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). "Unsere Mitgliedsunternehmen brauchen diese Begleitung", sagt Peter Martini, Leiter der Wirtschaftsregion Nord. Gemeinsame Informationsveranstaltungen helfen diesen, sich mit der Optimierung ihrer Ausgaben für Energie fundiert zu beschäftigen und wecken das Interesse dafür, auch Energieeffizienz und Prozesse unter die Lupe zu nehmen, so Reserven aufzudecken. "Es geht auch darum, Schwellenängste abzubauen", ergänzt Mühlstein.

Beispiele aus der Praxis macht die LENA zugänglich, vermittelt Kontakte zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Ein Beispiel, wie gut das gelingen kann, ist der kommunale Abwasserbetrieb in Aschersleben. Er kooperiert mit dem Institut für Automation und Kommunikation (ifak) in Magdeburg, das über die notwendigen Erfahrungen zur Prozessanalyse verfügt. Über Simulationen können dessen Experten die Abläufe im städtischen Klärwerk unter die Lupe nehmen, Schwachstellen aufspüren und letztlich die vorhandenen Energieeffizienzpotentiale heben. Mit den Erkenntnissen aus solchen Projekten kann die Verfahrenstechnik optimiert und energetisch deutlich verbessert werden.

Zu den Vorschlägen der ifak-Fachleute gehört, dass überdimensionierte energetische Verbraucher wie Gebläse ausgetauscht werden. Umdenken sei wichtig, soll die Energiewende gelingen. Marko Mühlstein zeigt sich zuversichtlich, das selbst mit kleinen Schritten viel zu erreichen ist. Zum Beweis legt er ein quadratisches Büchlein mit fröhlichen Illustrationen auf den Tisch. "Lena die Energiededektivin" wurde 30.000 Mal gedruckt, 250 Schulen bestellten es und ist damit schon fast vergriffen. "Energie.Kennen.Lernen" lautet das Leitthema im Bildungsbereich, das vorerst an zehn Pilotschulen eine Rolle spielt. LENA-Geschäftsführer Mühlstein zeigt sich zuversichtlich, dass in naher Zukunft flächendeckend Schulen das Thema Energie aufgreifen, schon jetzt gebe es eine Lehrerfortbildung, um Pädagogen auf diesem Gebiet fit zu machen. Der eingangs erwähnte Werkzeugkasten beweist seine Stärke auch durch entsprechende Vielfalt.

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