Die Wiege der Homöopathie stand in Köthen

 

„Hahnemann hat mein Leben verändert“, sagt Dr. Angela Lehmann. Von 2006 bis 2009 absolvierte die Medizinerin eine homöopathische Zusatzausbildung. Die Anästhesistin am Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat schon von Berufs wegen den ganzheitlichen Blick auf den menschlichen Organismus. Zudem hat sie als Mutter von zwei Kindern nach Alternativen zu Antibiotika und Cortison gesucht – und bei Dr. Samuel Hahnemann gefunden. Der Begründer der Homöopathie praktizierte von 1821 bis 1843 in Köthen im heutigen Sachsen-Anhalt und begann dort sein Grundlagenwerk „Organon der Heilkunst“. „Wir Ärzte halten uns heute noch an die klassische Homöopathie“, sagt Angela Lehmann. Vor vier Jahren wurde sie in die Göttinger Gesellschaft homöopathischer Ärzte (GGhÄ) berufen.In die homöopathische Sprechstunde von Dr. Angela Lehmann kommen zumeist Patienten, denen die Schulmedizin nicht den erhofften Heilungserfolg bringt. Die Ärztin verzeichnet aber auch eine zunehmende Zahl derer, die ihren Körper als „Gesamtwerk“ betrachten und ihn auch medizinisch entsprechend behandeln lassen.Ähnlich muss es bei Dr. Samuel Hahnemann (1755-1843) gewesen sein. Als Zeitgenosse u.a. von Goethe und Schiller fällt sein Wirken in eine Epoche aufstrebender wissenschaftlicher Forschung. Patienten, meist aus gebildeten adligen Kreisen, fanden den Weg zu ihm. Herzog Ferdinand von Anhalt-Köthen ließ sich von ihm behandeln. Was an seiner „Heilkunst“ war so revolutionär? „Die damaligen Methoden u.a. von Aderlässen und Schröpfungen, Behandlungen mit toxischen Substanzen wie Quecksilber brachten nicht den erwünschten Erfolg, oft aber den Tod“, sagt Angela Lehmann. „Hahnemanns Gedanken zur Homöopathie waren bahnbrechend.“„Homöopathie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Ähnliches Leiden“. Der chemisch gebildete Hahnemann behandelte als erster Arzt Krankheiten mit Mitteln, die beim gesunden Menschen Beschwerden hervorrufen, die den Symptomen der Krankheit gleichen. „Durch solch ein Mittel“, sagt Angela Lehmann, „bekommt der Organismus des Kranken einen energetischen Anstoß, seine Lebenskraft und damit seine Abwehrkräfte selbst zu stärken.“Homöopathische Arzneien werden aus pflanzlichen und tierischen Stoffen sowie aus Mineralien in hochverdünnter Form hergestellt. Doch das „eine“ Heilmittel für „eine“ bestimmte Erkrankung, so wie in der Schulmedizin, gibt es in der Homöopathie nicht. Eine der Grundlehren Hahnemanns: „Man betrachtet nicht ein einzelnes erkranktes Organ, sondern sieht immer die Summe der Symptome von Kopf bis Fuß inklusive der Psyche. Daraus erschließt sich das homöopathische Mittel“, sagt Dr. Lehmann. „Was bei dem einen bei Neurodermitis hilft, kann beim anderen die begleitende Unterstützung zur Krebsbehandlung sein. In einem langen Anamnese-Gespräch tasten wir uns an das Wesen des Menschen und an seine Lebensumstände heran.“ Die Lebensumstände übrigens seien auch ein Grund, warum die Hahnemannschen Erkenntnisse immer weiter entwickelt werden müssen. „Schließlich sind wir Menschen heute ganz anderen Umwelteinflüssen ausgesetzt als die im 18./19. Jahrhundert“, betont Angela Lehmann. Sie muss zum Beispiel auffallend häufig Kummer- und Kränkungsmittel verabreichen, was sie mit den Nachwende-Biografien in Zusammenhang bringt. Obwohl in der Homöopathie die Ursache der Krankheit über die Einheit von Körper, Geist und Seele erschlossen werde, könne sich doch jeder eine homöopathische Hausapotheke für bewährte Indikationen bei Akutfällen zulegen, sagt Dr. Lehmann und nennt als Beispiele Arnika bei Verletzungen und Blutergüssen, Belladonna (Tollkirsche) gegen Erkältungskrankheiten oder Apis, das Gift der Honigbiene bei Insektenstichen. Hahnemann selbst führte zwischen 1790 und 1805 zirka 60 Arzneimittelprüfungen durch. In Hahnemannscher Tradition setzt die Göttinger Gesellschaft homöopathischer Ärzte die Arzneimittelprüfungen fort – um Hahnemanns Erkenntnisse zu bestätigen, beziehungsweise sie auch weiterzuentwickeln. Dazu nehmen gesunde Probanden das zu erprobende Mittel über eine bestimmte Zeit und führen über die Symptome Tagebuch. Die Aufzeichnungen werden dokumentiert und ausgewertet. Angela Lehmann erwähnt, dass die homöopathisch arbeitenden Ärzte die Mittel auch an sich selber testen, um ein Gefühl für die Wirkung der Stoffe zu bekommen. Als ein neues homöopathisches Mittel wurde jüngst der Raps getestet. Mit wachsendem Anbau dieses „nachwachsenden Rohstoffes“ würden auch die Allergien gegen den Pollen zunehmen, begründet Dr. Lehmann diese Arzneimittelprüfung.Woran lag es, dass die Homöopathie zwischenzeitlich unpopulär war? „Durch Entdeckungen zum Beispiel von Bakterien oder des Penicillins konnte die Schulmedizin viele Krankheiten schnell und erfolgreich behandeln. Da trat die Homöopathie in den Hintergrund“, sagt Angela Lehmann. Außerdem könne das Wirkungsprinzip der homöopathischen Mittel bislang nicht befriedigend mit wissenschaftlichen Methoden erklärt werden. Dagegen erweise sich die heilende Wirkung homöopathischer Mittel in der Praxis ja immer wieder. Die Homöopathie blicke nicht nur in eine 200-jährige Tradition, sie werde auch künftig als „individuelle Medizin“ immer mehr Beachtung finden, prognostiziert der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte. Der DZVhÄ hat im Hahnemann-Haus in Köthen eine Praxis eingerichtet und in dessen Nachbarschaft ein modernes Gebäude für die Europäische Bibliothek für Homöopathie errichtet. Es wurde 2009 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA 2010 eröffnet. In Köthen wird wieder praktiziert und geforscht. Hier finden regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen statt, hier wird im Hahnemannschen Sinne der Dialog zwischen Hochschulmedizin und moderner Naturwissenschaft gepflegt.Autorin: Kathrain Graubaum (Text/Foto)Kontakte:Dr. Angela LehmannFachärztin für Anästhesie und ausgebildete HomöopathinTel.: +49 391 53587889E-Mail: dr.a.lehmann@t-online.deGöttinger Gesellschaft homöopathischer ÄrzteDietrich-Berndt-Institut GöttingenTel.: +49 551 485354Web: www.dietrich-berndt.deEuropäische Bibliothek für HomöopathieWallstraße 4806366 KöthenTel.: +49 3496 512893E-Mail: hombib-koethen@dzvhae.deWeb: www.hombib-dzvhae.de

 

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