Herausforderung der Zukunft sind künstliche Gelenke ohne Verschleiß

Alt werden bei hoher Lebensqualität – zu dieser Idealvorstellung gehört auch die Erhaltung der Mobilität bis ins hohe Alter. Was unter anderem die Medizintechnik vor große Herausforderungen stellt. Insbesondere die Gelenke, im Verlaufe eines langen Lebens hoch beansprucht, müssen zunehmend durch künstliche ersetzt werden. Wissenschaftler des Instituts für Maschinenbau an der Hochschule Magdeburg-Stendal entwickeln eine Technologie, mit deren Hilfe ein Verfahren zur Feinstbearbeitung von Oberflächen aus dem Maschinenbau auf die Medizintechnik übertragen werden kann. Neue Maschinen, ausgerüstet mit der in Magdeburg entwickelten Hart- und Software, können dann künstliche Gelenke herstellen, die sich nicht abnutzen und demzufolge nicht erneuert werden müssen.

Professor Dr. Harald Goldau von der Hochschule Magdeburg-Stendal hat beeindruckendes Zahlenmaterial des statistischen Bundesamtes parat: 2010 wurden in Deutschland 209.000 Hüftimplantationen durchgeführt und 175.000 künstliche Kniegelenke eingesetzt. Die Kosten pro Eingriff betragen ungefähr 7.400 Euro.

„Im Laufe der steigenden Lebenserwartung werden Krankheiten wie Arthrose zunehmen. Und die Betroffenen müssen sich wohl mehrmals einen entsprechenden Gelenkersatz einsetzen lassen“, vermutet der Experte für Fertigungstechnik, denn die Verschleißrate der Implantate sei relativ hoch. Woran das liegt? „An der Oberflächenbeschaffenheit des künstlichen Gelenks“, sagt der Professor. „Durch Abrieb verändert sich das Implantat, was mit zunehmender Passungenauigkeit auch dessen Lockerung zur Folge hat.“

Das „verschleißlose Gelenk“ ist erklärtes Ziel der forschenden Wissenschaftler vom Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Industriedesign.

Goldau verfolgt die Idee, Entwicklungen aus dem Maschinenbau, an denen er einst in Wuppertal mitgewirkt hatte, auf die Medizintechnik zu übertragen. Mittels einer speziellen Oberflächen-Endbearbeitung, dem so genannten Super- oder Micro-Finishen, war den Maschinenbau-Ingenieuren ein Qualitätssprung zur verschleißfreien Funktionsoberfläche gelungen – zwecks Anwendung in der Automobilindustrie zum Beispiel. „Je leichter etwa ein Kugellager rollt, um so energieeffizienter arbeitet die Maschine“, sagt der Professor und führt auch den umweltfreundlichen Aspekt mit an.

Professor Goldau legt ein künstliches Kniegelenk vor sich auf den Tisch; eine herkömmliche Endoprothese, wie sie derzeit eingesetzt wird. In ihrer titanlegierten Oberfläche kann man sich spiegeln. „Das Finishen ist ein spezielles Verfahren, das der Oberfläche durch Bewegungsüberlagerung beim Schleifen noch bessere Gleiteigenschaften verleiht“, erklärt der Professor. Sie wird also noch glatter gemacht? Der Professor formuliert es lieber so: „Das Finishen gibt der Oberfläche eine andere Mikrostruktur; eine Riefenstruktur, die den körpereigenen Gleitstoff aufnimmt und gezielt in Richtung des Kniegelenks bewegt.  

Einige Unternehmen aus dem Maschinenbau und Anwender aus der Automobilindustrie ließen sich schon von Goldaus zukunftsweisenden Forschergedanken mitreißen. Gemeinsam knüpfen sie ihr Netzwerk „FumOFin – Funktionale mikrostrukturierte Oberflächen durch Finishen“ und sind interessiert an immer neuen Partnerschaften mit weiterführenden Anknüpfungspunkten.

Ein wichtiger Partner vor Ort ist die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. In dieser Zusammenarbeit geht es vor allem um die medizinische Begründung einer Feinstbearbeitung der Endoprothetik.

„Wir haben Gewebeproben aus dem Umfeld von künstlichen Kniegelenken untersucht und in ihnen Abriebpartikel von den Prothesen festgestellt. Ein Hinweis dafür, dass sich die Oberfläche der künstlichen Gelenke nicht optimal verhält“, sagt Professor Goldau. „Zum einen können diese Partikel Entzündungen hervorrufen, zum anderen siedeln sich auf der abgeriebenen Oberfläche der Prothesen Bakterien an.“ Beides könne bei einer verschleißlosen Oberfläche nicht passieren, betont der Wissenschaftler.

Um ihre innovative Forschung vor allem auch den „Anwendern“ aus der Medizintechnik überzeugend zu demonstrieren, entwickelten die Magdeburger Wissenschaftler die Technologie für eine Maschine, die derzeit in Trossingen (Baden-Württemberg) gebaut wird. Im November wird der Prototyp an der Fachhochschule Magdeburg-Stendal sehnlichst erwartet. Vom Gussrohling bis zum fertigen Knieimplantat kann dann in diesem „Schleif-Finish-Center“ die völlig neue Bearbeitungskette anschaulich vorgeführt werden.


Autorin: Kathrain Graubaum (Text/Foto)

Kontakt:
Prof. Dr. Harald Goldau
Hochschule Magdeburg-Stendal
Institut für Maschinenbau
Breitscheidstraße 2
39114 Magdeburg
Tel: +49 391 8864410
E-Mail: harald.goldau.ignore@hs-magdeburg.de

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