Pflanzenforscher feiern Jubiläum

In diesen Tagen machen Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) in Halle überregionale Schlagzeilen: Gemeinsam mit Kollegen der Martin-Luther-Universität haben sie eine wissenschaftliche Entdeckung gemacht, die so wegweisend ist, dass sie im renommierten Fachblatt „Nature“ publiziert wird. Damit machen die Forscher der zur bundesweit agierenden Leibniz-Gemeinschaft gehörenden Einrichtung nicht zum ersten Mal international auf sich aufmerksam. Denn das IPB, das in diesem Monat den 20. Jahrestag seiner Neugründung feiert, gehört längst in die Spitzenliga der weltweiten Pflanzenforschung. Report INVEST  sprach darüber mit dem Geschäftsführenden Direktor der Einrichtung Professor Ludger Wessjohann.

Das IPB besteht seit 20 Jahren. Ist das für Sie ein Grund zu feiern?
Wessjohann:
Auf jeden Fall. Noch in diesem Monat wird es eine große Festveranstaltung mit viel Prominenz geben. Außerdem fällt unser traditionelles Mitarbeiterfest in diesem Jahr etwas größer als sonst aus. Gründe zum Feiern gibt es mehr als genug. Da wäre einerseits unser 20. Institutsgeburtstag. Das IPB ist 1992 als Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft – damals noch „Blaue Liste“ genannt -  aus der Taufe gehoben worden. Allerdings basierte die Neugründung auf einer großen Tradition im Bereich Pflanzenforschung, die es hier bereits viel früher gab. Schon im Jahr 1958 wurde an unserem heutigen Standort im Auftrag der damaligen Akademie der Wissenschaften das Institut für Biochemie der Pflanzen gegründet, das ebenfalls hohes internationales Renommee besaß.

Das IPB ist seit seiner Gründung ständig gewachsen. Welches waren die Eckpunkte der Entwicklung?
Wessjohann: Ich bin vor zehn Jahren aus Amsterdam ans Institut gekommen, habe also die Hälfte der Zeit mitgestalten können. Und ich habe diesen Schritt niemals bereut. Denn ich bin in dieser Zeit nicht nur in der Stadt Halle heimisch geworden. Zu meiner Freude ist es auch im Institut immer vorangegangen. Das betrifft sowohl die Infrastruktur als auch die wissenschaftlichen Resultate und die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Heute gehören wir in die Spitzenliga der internationalen Pflanzenforschung. Immerhin sind hier über 180 Mitarbeiter, davon etwa 90 Wissenschaftler tätig. In den vergangenen Jahren sind bei uns renommierte Forschungsarbeiten entstanden. Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit zählt unter anderem die Gewinnung von Naturstoffen aus Pflanzen und deren Nutzung für Arzneimittel. Außerdem untersuchen wir umweltbedingte Einflüsse auf Pflanzen, gehen also der Frage nach, wie sie auf Infektionen oder anderen Stress reagieren.

Pflanzen können Stress haben?
Wessjohann:
Ja. Allerdings in etwas anderer Form als wir Menschen. Stress bedeutet für eine Pflanze zum Beispiel das Eindringen von Schädlingen oder die zunehmende Trockenheit im Frühsommer. Uns interessiert, welche Wirkung diese Einflüsse auf Pflanzen haben und wie man trotzdem eine hohe Produktion erreicht. Denn durch die Klimaänderung werden Landwirte zunehmend mit solchen Phänomenen konfrontiert.

Forscher des IPB haben gerade durch eine Veröffentlichung im Fachblatt „Nature“ auf sich aufmerksam gemacht. Was hat es damit auf sich?
Wessjohann:
Unser Mitarbeiter Dr. Marcel Quint konnte gemeinsam mit Professor Ivo Große von der Uni Halle zeigen, dass das so genannte Sanduhr-Modell der embryonalen Entwicklung auch in der Pflanzenwelt gilt. Sie wiesen anhand der Modellpflanze Ackerschmalwand nach, dass die Entwicklung von einer befruchteten Eizelle zum reifen Embryo eine Phase höchster genetischer Kontrolle durchläuft. Dabei werden evolutionär junge, noch sehr wandelbare Gene, vorübergehend stillgelegt, während ältere, weniger wandelbare Gene, in Bakterien und Algen aktiv bleiben. Diese Erkenntnis ist ein Meilenstein. Sie zeigt, dass sich die Evolution in voneinander unabhängigen Systemen wie der Tier- und Pflanzenwelt ähnlicher Entwicklungsprinzipien bedient.

Pflanzenforscher des IPB machen nicht zum ersten Mal überregional auf sich aufmerksam. Worauf führen Sie diese Exzellenz zurück?
Wessjohann:
Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits ist das Institut exzellent ausgestattet. Ein Beispiel: Für Experimente mit Pflanzen können wir hochmoderne Phytokammern nutzen. Das sind, wenn man so will, High-Tech-Gewächshäuser, in denen sich ganz unterschiedliche Klimaszenarien simulieren lassen. Derart leistungsfähige Kammern haben nur wenige Institute auf der Welt zu bieten. Andererseits versuchen wir natürlich die besten Köpfe nach Halle zu holen. Die Konkurrenz um die fähigsten Forscher ist groß. Insofern freut es uns, dass der Anteil ausländischer Wissenschaftler inzwischen bei rund 20 Prozent liegt. Außerdem stimmt an unserem Standort das Forschungsumfeld. Das Institut befindet sich mitten auf dem Gelände des Technologieparks Weinberg-Campus, der zum Beispiel im Zusammenschluss „Wissenschaftscampus Pflanzenbasierte Bioökonomie“ viele Möglichkeiten für wissenschaftliche Zusammenarbeit bietet, und inzwischen auch deutschland- und europaweit als Zentrum der Pflanzenforschung wahrgenommen wird.

Was wäre aus Ihrer Sicht wünschenswert für die weitere Entwicklung des IPB und des Standorts?
Wessjohann:
Ich freue mich immer wieder darüber, dass hier so viel Neues entstanden ist. Aber ich wundere mich auch, dass es selbst heutzutage noch Vorurteile gegen den Standort Halle gibt. Wir spüren das, wenn wir unter deutschen Studenten Nachwuchs suchen. Ganz gleich, ob Sie aus West oder Ost stammen. Ich wünsche mir, dass sich da etwas in den Köpfen bewegt. Ausländische Bewerber sind da schon viel weiter. Sie machen diesen Unterschied längst nicht mehr. Schließlich muss man sagen: Wer zu uns kommt, fühlt sich hier in aller Regel ausgesprochen wohl. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass hier aufgrund der wissenschaftlichen Arbeitsbedingungen, der Lage und der Geschichte des Instituts eine ganz besondere Atmosphäre herrscht. All das macht es einem leicht, sich mit der Einrichtung zu identifizieren.


Autorin/Foto: Ines Godazgar

Kontakt:
Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie
Weinberg 3
06120 Halle (Saale)
Geschäftsführender Direktor
Prof. Ludger Wessjohann

Anfragen an:
Sylvia Pieplow
E-Mail: pr.ignore@ipb-halle.de
Web: www.ipb-halle.de
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