Innovativster Nachwuchswissenschaftler der Logistikbranche kommt aus Magdeburg

Monsunfluten in Asien legen für kurze Zeit die Fertigung von Festplatten lahm. Aschewolken eines Vulkans lassen Nachschub für die Produktion von Automobilherstellern zur Zitterpartie werden. Streikende Arbeiter in Südafrika erreichen mit ihren Aktionen ähnliche Auswirkungen. Selbst langwierige Zollkontrollen können Lieferketten unterbrechen. Solche Szenarien gehören in einer zunehmend globaleren Welt zum Alltag. Stockende Fertigungsprozesse sind ein Thema für die Forschung geworden, um Logistikprobleme leichter beherrschbar zu machen.

Lösungen lassen sich mit Hilfe von Spezialisten aus dem Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg finden. Dr. Tobias Reggelin hat in seiner Dissertation sogenannte mesoskopischen Simulationsmodelle entwickelt. Sie beruhen auf Abstraktionsebenen, die es in deutlich kürzerer Zeit logistische Flusssysteme analysieren lassen, als bislang.

Für seine Dissertation ist Reggelin inzwischen ausgezeichnet worden. Er erhielt in diesem Jahr den zum vierten Mal ausgelobten DHL Innovation Award der Deutsche Post DHL. Das Unternehmen würdigte mit diesem Preis den innovativsten Nachwuchswissenschaftler des Landes. Der 34-jährige lacht zufrieden über diese Anerkennung. Jahrelanges Forschen hat sich für ihn gleich mehrfach ausgezahlt. Mit seinem neuen Simulationswerkzeug lassen sich Prozesse in Logistikströmen so darstellen, dass sich die Modelle nicht allein für die Planung solcher Abläufe eignen. Sie beweisen ihre vielfältigen Möglichkeiten auch in der realen Betriebsphase, wie bei der Steuerung von logistischen Abläufen. Diese Simulationsmodelle bilden dann die Grundlage für effiziente Versorgungsketten und ganzen Logistikprozesse.

Die Grundidee dieses so genannten mesoskopischen Ansatzes besteht in der Darstellung logistischer Flussprozesse auf einer verdichteten Ebene. Diese erlaubt es, Modelle schneller erstellen und berechnen zu können. Das geschieht mit einem Ansatz, der nicht einzelne Elemente sondern ganze Mengen von Waren oder Material eines Prozesses in die Untersuchungen einbezieht. Nicht jedes Detail zählt dabei sondern der Warenstrom an sich. Als Vorteil dieser Anwendung im Vergleich zu klassischen Verfahren gilt, dass die Simulation parallel zum realen Prozess erfolgt und deshalb sofort in der Praxis umgesetzt werden kann. Dabei wird permanent auf neuste Daten zurückgegriffen, die eine aktuelle Simulation gewährleisten. Auf diese Weise entsteht letztendlich so etwas wie ein Frühwarnsystem, das auf unterschiedlichste Störungen oder Probleme reagieren kann. Das erhöht die Effektivität und Flexibilität der Überwachung von Prozessen. Letztendlich haben  Anwender die Möglichkeit, beispielsweise komplexe Fertigungsabläufe besser handhaben zu können.  

Projekte wie das von Dr. Reggelin prägen das Magdeburger IFF traditionell, das einen Teil seiner Forschungsmittel durch Aufträge aus der Industrie erwirtschaftet. Der Preisträger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter sowohl am Fraunhofer-Institut als auch am Lehrstuhl Logistische Systeme der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Die räumliche Nähe beider Einrichtungen erleichtert solche Verknüpfungen von Aufgabenbereichen. Institutsleiter Professor Michael Schenk freut sich als Doktorvater des Preisträgers ganz besonders über den Erfolg. "Die Verleihung eines so wichtigen internationalen Preises beweist, dass wir in Magdeburg gute Arbeit leisten. Die Arbeit von Dr. Reggelin erleichtert es uns beispielsweise komplexe, internationale Transportabläufe zu verstehen. Das hilft den Unternehmen, künftig nicht mehr nur auf die vielen hier oft negativ einwirkenden Indikatoren reagieren zu müssen. Stattdessen erlaubt sie den verschiedenen Partnern solcher komplizierten Netzwerke, nun stärker aktiv zu agieren und die logistischen Prozesse optimal zu gestalten. Das ist der Weg zur intelligenten Logistik", sagt Schenk.

Reggelin ruht sich auf Lorbeeren keineswegs aus. Gegenwärtig arbeitet der Wissenschaftler in Russland. Projekte seines Instituts begleitet er an Ort und Stelle. Ein Moskauer Industrieunternehmen mit weitreichenden Kooperations- und Lieferbeziehungen bis nach Asien und Europa will seine Materialflüsse optimieren und sich auf mögliche logistische Probleme oder Schwankungen im Absatz einstellen. Bei einer geplanten Wachstumsrate von 30 Prozent im Jahr ist eine solche Strategie letztendlich verständlich. "Es gibt in der Region lange und harte Winter. Probleme bei der Zollabfertigung können ebenso dazu kommen wie Verzögerungen beim Transport", sagt der Magdeburger. Die spezielle Software der Fraunhofer-Spezialisten werde nun für diese Aufgabe angepasst und erprobt. Mit dem Tool ließen sich die unterschiedlichen Informationen zur Fertigung und Lieferung, kurz der gesamten Logistik, sammeln sowie auswerten. In der Konsequenz bestehe die Möglichkeit, beispielsweise Fertigungsschritte zu verlagern, Material von anderen Produktionsstätten oder Lagern zu ordern. Auf diese Weise ließen sich Störungen frühzeitig erkennen und Abwehrmaßnahmen einleiten.


Autor/Foto: Klaus-Peter Voigt

Kontakt:
Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
Sandtorstraße 22
39106 Magdeburg
Tel.: +49 391 4090259
E-Mail: Tobias.Reggelin.ignore@iff.fraunhofer.de
Web: www.iff.fraunhofer.de
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