Führungswechsel bei Börde-Käse - Projekt „NeLE“ gibt Hilfestellung und Anregungen

Seit 22 Jahren präsentiert sich die Börde Käse GmbH auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Doch nicht allein von immer neuen Käsesorten und immer neuen geschäftlichen Kontakten hängt die Existenz des kleinen Unternehmens ab. Im 22. Jahr nach der Wende denkt die Geschäftsführung in Vahldorf – wie auch die in vielen anderen damals (neu) gegründeten Unternehmen – daran, den Staffelstab zu übergeben. Aber an wen? Eine schwierige Frage angesichts der demografischen Entwicklung. Die Antwort findet das durch die Europäische Union und das Land Sachsen-Anhalt geförderte Projekt „NeLE“. Es gibt Hilfestellungen und Anregungen in Sachen Nachwuchsentwicklung und Laufbahnplanung.

„Wir sind in diesem Jahr in der Sachsen-Anhalt-Halle 23B. Dort wird viel verkostet“, sagt Mike-Sören Dietrich und reicht seine jüngste Pressemitteilung über den Tisch. Sie fasst die Erfolge des zurück liegenden Jahres zusammen: drei Goldmedaillen auf der „International Cheese Show“ in Nantwich, ebenfalls Gold in der Kategorie bester Räucherkäse auf der „World Cheese Award“ in Birmingham.

Im Schrank des Chefzimmers der Börde Käse GmbH in Vahldorf stapeln sich die Urkunden aus vielen Jahren und die schmucken Medaillen, die es dazu gab. Im gekühlten „Tresorschrank“ daneben wird derzeit noch geheim gehalten, was die Vahldorfer in diesem Jahr in Berlin Neues präsentieren. Nur so viel wird verraten: Der Geschmack geht in Richtung „pikant“ – etwas für die moderne Küche.

Die weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau ist für den familiengeführten Betrieb eine lebenswichtige Kontaktbörse. Mike-Sören Dietrich ist verantwortlich für das Marketing und leitet den Geschäftsbereich „Export“. Der junge Mann, „Baujahr ‘76“, wie er sagt, erzählt von seinen Märkten vor allem in den neuen Bundesländern, aber auch denen in England, Japan, Korea, Spanien, Dubai ...

Mit deren Ess-Traditionen hat er sich beschäftigt, um sich dort mit dem richtigen Käse-Geschmack zu etablieren. Der rauchige Bördespeck zum Beispiel munde den Engländern besonders gut, sagt er. „Unsere Stärke aber ist die Nische“, betont Mike-Sören Dietrich. Will sagen: Gemeinsam mit Kunden werden Produkte nach deren Vorstellungen und Wünschen entwickelt. Beispielsweise für einen Pizzahersteller ein spezieller Käse, der nicht schwarz wird beim Aufbacken. Oder für eine Kinokette einen Käse, der stundenlanges Erhitzen verträgt. Zur Fußball-WM gab es für eine Supermarkt-Kette herzhaften Börde-Käse im Fußball-Design. Besonders erwähnenswert für die Vahldorfer sind die geschäftlichen Kontakte nach Dubai. Dort zählen Hotels, größtenteils unter der Leitung von österreichischen oder schweizerischen Spitzenkräften, zu den Kunden. Über Catering-Firmen kam Börde-Käse auch auf die Spezialitätenplatte für Business Class-Reisende der „Emirates Airlines“.

10 bis 15 neue Käsevariationen aus der Börde kommen pro Jahr auf den Markt. Alle Rezepturen werden selbst entwickelt – zu Hause im Betrieb in Vahldorf. Dabei federführend ist der Geschäftsführer und studierte Lebensmittelingenieur Hans-Peter Dietrich. Gemeinsam mit Rosemarie Appel hatte er den Traditionsbetrieb nach der Wende in eine GmbH überführt. Beide denken jetzt daran, die Geschäfte in jüngere Hände zu geben.

In diesem Zusammenhang hat die Börde Käse GmbH bereits in den ersten Tagen des neuen Jahres 2012 einen Vertrag abgeschlossen. Die MA&T Organisationsentwicklung GmbH – die Buchstaben stehen für das Zusammenwirken von Mensch, Arbeit und Technik – wird dem Betrieb in den nächsten anderthalb Jahren bei Fragen der Nachwuchs- und Laufbahnentwicklung zur Seite stehen. MA&T ist Träger eines Projektes, das von der Landesregierung initiiert wurde. Es heißt „NeLE“ - Demografieorientierte Nachwuchsentwicklung und Laufbahnplanung in Unternehmen der Ernährungswirtschaft Sachsen-Anhalts. Denn gerade diese personalintensivste Branche des verarbeitenden Gewerbes in Sachsen-Anhalt ist von der demografischen Entwicklung stark betroffen.

MA&T-Geschäftsführer Oliver Lilie sitzt in den kommenden 18 Monaten als Berater mit an den Geschäfte führenden Tischen der Börde Käse GmbH. „Wie in den meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen der Ernährungsbranche sieht es auch hier in Vahldorf so aus, dass hervorragende Produkte hergestellt werden, auch das Marketing stimmt, aber für eine langfristige Personalentwicklung reicht das strategische und praxisnahe Know-how nicht aus“, sagt Oliver Lilie.

Da es in den nächsten Jahren nur sehr wenige junge Fachkräfte geben wird, müssen sich die Unternehmen als attraktive Arbeitgeber darstellen. Für die meisten wird es erforderlich sein, Schlüsselpositionen aus den eigenen Reihen (nach) zu besetzen. „Was auch Konfliktpotenzial in sich birgt“, weiß der Personalexperte. „Die schrittweise Übernahme von geschäftsführenden Tätigkeiten bedeutet zum einen, dass diese Fachkraft an anderer Stelle entlastet werden muss. Zum anderen sollte sich die altbewährte und erfolgreich arbeitende Geschäftsführung aufgeschlossen zeigen gegenüber neuen Sichtweisen und Methoden des jungen Nachwuchses.“

Oliver Lilie bringt die individuell angepassten „Hilfsinstrumente“ mit und die Sicht von außen, um derart innere Probleme allseits zufrieden stellend zu lösen.

In der Börde Käse GmbH ist er willkommen. Hier soll es beim familiengeführten Betrieb bleiben. Konkret geht es auch um die Laufbahnplanung von Mike-Sören Dietrich. Gemeinsam mit dem Projekt NeLE in persona von Oliver Lilie werden nun intern die nächsten Schritte aufgestellt, die alle Beteiligten in aussichtsreiche Richtungen führen.

„Nachwuchstalent“ Dietrich lenkt seine persönlichen Schritte schon einmal Richtung Kaufland und Rewe. Die Geschäftsführung hat ihm die alleinige Betreuung dieser beiden Handelsketten anvertraut.

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