Mensch und Roboter Hand in Hand

Das Fraunhofer-Institut IFF in Magdeburg forscht im europäischen Projekt COVR für Robotersicherheit zu kollaborativer Technologie und unterstützt damit die weitere Digitalisierung der Produktionsprozesse

Die Industrieroboter der nächsten Generation ist kein Roboter, sondern ein Cobot. Diese Cobots – die Silbe Co stammt vom englischen collaboration - arbeiten mit dem Menschen ohne trennende Schutzeinrichtung zusammen. Diese Nähe stellt auch eine neue Herausforderung an den Schutz des Menschen dar. Am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg in Sachsen-Anhalt wird in einem einzigartigen europäischen Projekt der Aspekt „Sicherheit“ der kollaborativen Robotik in der Praxis erforscht und gefördert.

Roboter besitzen Kraft, Genauigkeit und Ausdauer; Menschen verfügen über Urteilsvermögen, Kreativität und Erfahrung - diese Eigenschaften der beiden „Arbeitskollegen“ verbindet der Einsatz von Cobots in besonderer Weise. Der Begriff setzt sich zusammen aus „Collaboration“ und „Robot“ und bezeichnet genau dies: Im Gegensatz zu herkömmlichen Industrierobotern, die hinter einem Schutzzaun stehen und über Jahre eine identische Arbeit erledigen, arbeiten Cobots in direkter Nähe mit dem Menschen zusammen. Und mehr noch: Die neuartigen, elektronischen „Mitarbeiter“ können mittels sensibler Sensortechnik sogar auf den Menschen reagieren und mit ihm interagieren.

„Im Zuge der Digitalisierung besteht ein hoher Bedarf an flexiblen Automatisierungslösungen. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter wird deshalb in vielen Bereichen der europäischen Wirtschaft immer wichtiger. Diese wachsende Bedeutung wirft jedoch unweigerlich Fragen der Sicherheit auf, also des Schutzes des Menschen in einem gemeinsamen Arbeitsraum“, sagt Dr. José Saenz. Der Wissenschaftler leitet die Gruppe Assistenz-, Service- und Industrieroboter am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg. Das in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts ansässige Fraunhofer-Institut ist eines der weltweit führenden Einrichtungen für das Thema Automatisierung und Sicherheit.

100 Partnerorganisationen aus 14 europäischen Ländern

Das IFF ist auch Mitinitiator des europäischen Projekts „Sicherheit bei kollaborativen und vielseitigen Robotern in gemeinsam genutzten Räumen (COVR)“, das die Mensch-Roboter-Kollaboration unter dem Aspekt der Sicherheit erforscht und die Anwendung in der Praxis fördert. Ziel von COVR ist die Unterstützung eines breiteren Einsatzes von kollaborativen Robotern in einer Vielzahl von Branchen und Bereichen. „Im Rahmen des Projekts werden mehr als fünf Millionen Euro an Fördermitteln für Dritte aus der Robotikbranche bereitgestellt, die unsere erarbeiteten standardisierten Protokolle zur Sicherheits-Überprüfung mit ihren spezifischen Anwendungsfällen testen. So werden Hintergrundforschung und experimentelle Daten für die Ermittlung von Best Practices bereitgestellt. Insgesamt werden 60, Experimente’ mit über 100 Partnerorganisationen aus 14 europäischen Ländern finanziert“, sagt Dr. José Saenz.

In kollaborativen Arbeitssituationen reichen klassische Schutzvorrichtungen nicht mehr aus. So müssen Kräfte, Geschwindigkeiten und Bewegungen der kollaborativen Roboter überwacht, beschränkt und die Cobots bei Bedarf gestoppt werden. In einem der geförderten und begleiteten COVR-Projekte wurde beispielsweise durch die Firma MRK Systeme GmbH ein innovatives Sicherheitssensorsystem entwickelt, das Personen in unmittelbarer Nähe des Roboters im gemeinsamen Arbeitsraum erkennt und den Roboter rechtzeitig stoppen kann, bevor es zu einem körperlichen Kontakt mit ihnen kommt. Im Test wurde der Roboter dafür mit bestimmten verschiedenen Zielgeschwindigkeiten bewegt. In Abstimmung mit dem Fraunhofer IFF entwickelte MRK Systeme unter anderem für den Test eine spezielle Elektrode, die ein Sensorverhalten ähnlich das einer menschlichen Hand hervorruft. „Das Unternehmen ist nun in der Lage, neue Sensorprototypen und Kombinationen aus Sensor und Roboter selbstständig zu testen, ohne dass einen Menschen mit seinem eigenen Körper als Testobjekt dienen muss.

Sicherheitsrichtlinien kommen Endanwendern zugute

Dies ist ein Beispiel dafür, wie das von der EU geförderte COVR-Projekt des Fraunhofer-IFF die kollaborative Robotiktechnologie vorantreibt. unterstützt. „Denn für Endanwender, Hersteller von Robotik-Komponenten und Systemintegratoren stellt das Thema Sicherheit bisher oft ein Hindernis dar“, sagt  Dr. José Saenz. Die europäische Gesetzgebung stelle den Schutz von Arbeitnehmern allem voran. Deshalb bestehe aus Sicht der Unternehmer dringender Bedarf an einer „Zertifizierung“, d.h. an Richtlinien zur Einhaltung verbindlicher und grundlegender Anforderungen an Sicherheit und Gesundheit. „Gerade der Nachweis der Einhaltung stellt besonders für kleinere Unternehmen eine große Hürde dar.“

Diese bestehenden Schranken will COVR systematisch abbauen. Das Projekt bietet verschiedene Möglichkeiten zur Unterstützung der Unternehmen. Neben der direkten Förderung wurde eine frei verfügbare Website mit Fallbeispielen für Cobot-Anwendungen, relevanten Normen und Richtlinien und Risikoanalysen entwickelt. Zudem wurden 20 Protokolle in Form von einfach zu befolgenden Schritt-für-Schritt-Anleitungen geschrieben, um auf der Grundlage des jeweiligen Gerätetyps und der konkreten Sicherheitsanforderungen den Unternehmen eine eigene Validierungsmessung von Anwendungen zu ermöglichen. Insbesondere für Unternehmen aus Sachsen-Anhalt und der Umgebung stellt der Zugang zu den Sicherheitslabors des IFF sowie Schulung und Unterstützung rund um die Themen Digitalisierung mit kollaborativen Robotern eine Art Heimvorteil dar. Aus nächster Nähe können Firmen kollaborative Robotik erleben und hilfreiche Tipps und Rat für ihre Anwendungen bekommen.

Wichtiger Baustein der Industrie 4.0.

Das COVR wird von fünf Forschungs- und Technologieorganisationen vorangetrieben. Das sind das Dänische Technologische Institut, der Italienische Nationale Forschungsrat, die französische Kommission für alternative Energien und Atomenergie sowie Roessingh Research and Development aus den Niederlanden - und das IFF in Sachsen-Anhalt. Mit der Interaktiven Mensch-Roboter-Kollaboration unterstützt das Institut aus Magdeburg einen wichtigen Baustein der Entwicklung Industrie 4.0. Denn die Cobots sind wichtig für die Digitalisierung der Produktionsprozesse.

Autor: Michael Falgowski/IMG Sachsen-Anhalt 


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