Unabhängig. Und individuell. Gamification als Wegbereiter für die Industrie 4.0

Als erstes Unternehmen in Sachsen-Anhalt hat „Rat King Entertainment“ den Deutschen Computerspielpreis als bestes Jugendspiel gewonnen.

Jana Reinhardt und Friedrich Hanisch entwickeln Indie-Games. In Halle (Saale) hat ihr Unternehmen „Rat King Entertainment“ im Gründer-Hub der Kunsthochschule Burg Giebichenstein seinen Sitz. Ihre Produkte wurden mehrfach ausgezeichnet oder werden auf Festivals gezeigt. Die beiden Entwickler wollen die industrielle Revolution 4.0 in Mitteldeutschland mitgestalten.

Mit dem Gewinn des Deutschen Computerspielpreises in der Kategorie „Bestes Jugendspiel“ für das Spiel „TRI: Of Friendship and Madness“ hat sich „Rat King Entertainment“ in der deutschen Games-Branche einen Namen gemacht. Das Zwei-Mann-Unternehmen aus Halle (Saale) war der erste Gewinner aus Sachsen-Anhalt überhaupt. „TRI“ gewann außerdem den Preis in der Sparte „Best Indie Game 4 Kids“ beim mitteldeutschen Filmfestival „Goldener Spatz“. „TRI“ ist ein First-Person-Game, in dem die Spieler in einer seltsamen Welt der Götter  mit Hilfe von magischen Dreiecken einen verrückten Fuchs fangen müssen. Ein Freestyle First-Person-3D-Puzzle-Erkundungs-Abenteuer , wie die Entwickler es selber beschreiben. „Das Spiel ist ausgesprochen durchdacht gestaltet und beinhaltet zahlreiche, intelligent gemachte Puzzle“, urteilte die Jury bei der Verleihung des Computerspielpreises.

Unabhängig und individuell

Drei Jahre lang haben Jana Reinhardt und Friedrich Hanisch „TRI“ entwickelt. Die beiden haben sich beim Studium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle kennengelernt. Multimedia|VR-Design haben sie studiert, während dieser Zeit mehrere Spielprototypen entwickelt und, nachdem sie Feuer gefangen hatten, nach ihrer Ausbildung an einem Gründerkurs teilgenommen. 2011 dann wurde „Rat King Entertainment“ gegründet. In Halle, sagen beide, sei das kreative Umfeld ihrer Arbeit förderlich; im Designhaus Halle, dem Existenzgründerzentrum der Kunsthochschule, hat das Start-up ein Büro bezogen.

Die Geschichten für ihre Spiele, Game- und Leveldesign entwickeln beide gemeinsam, ansonsten besteht Arbeitsteilung: Jana Reinhardt ist für die Grafik zuständig, Friedrich Hanisch fürs Programmieren.

Ihre Produkte zählen zu den Indie-Games. „Das bedeutet für uns aber nicht nur Independent“, sagt Friedrich Hanisch, „sondern auch individuell.“ Das passt - Indie bezeichnet schließlich die Realisierung eigener Ideen durch Einzelentwickler auf eigene Faust, von Anfang bis zum Ende unabhängig. Was manchmal allerdings auch bedeutet, ohne das Geld eines großen Publishers auskommen zu müssen. Für „TRI“ haben die Hallenser einen kleinen Vorschuss von „Rising Star Games“ bekommen, die dafür wiederum zeitlich begrenzt die Verkaufsrechte nebst Anteil an den Verkäufen bekamen. Nicht  aber die Rechte an der IP. Nicht immer ganz einfach sei das mit der Finanzierung, sagen Reinhardt und Hanisch, immerhin dauere allein die Produktion eines Prototypen ein halbes bis ein ganzes Jahr. Ihre Spiele verkaufen sie selbst, unter anderem über die Plattform „Steam“.

Himmelsscheiben-App

Vier große Spiele hat „Rat King“ bereits produziert und viele kleine dazu. Ein neues Projekt wurde erst kürzlich fertiggestellt: In Zusammenarbeit mit dem Animationsfilmstudio „Motionworks“, ebenfalls ein hallesches Unternehmen, entstand die App „Der Bronzene Himmel“. Deren Thema ist die Himmelsscheibe, die älteste konkrete Darstellung des Sternenhimmels überhaupt. Vor 3600 Jahren wurde sie vergraben, aus Bronze und Gold, und ist heute im Landesmuseum für Archäologie in Halle ausgestellt. Mit der App  sollen Kinder und Jugendliche spielerisch an deren Geschichte herangeführt werden, indem sie in die Bronzezeit eintauchen - und „Rat King“ hat dafür ein rundenbasiertes Überlebensspiel beigesteuert.

Zwar führt das Unternehmen das Entertainment im Namen, der Übergang zum Edutainment ist aber auch bei seinen Produkten fließend. In einer Auftragsarbeit entwickelten Reinhardt und Hanisch ein Spiel, in dem es um Biodiversität geht. Für die Zentrale für politische Bildung Thüringen wiederum wird zurzeit an einem Spiel gearbeitet, das Jugendliche über Wahlen informiert und voraussichtlich im September erscheinen wird. Ihr Spiel „High Five Romance Race“ - ein rasantes Rennspiel, bei dem zwei Spieler ihre Wagen steuern, indem sie sich High fives geben und bei dem nicht nur die eigene Reaktionsfähigkeit, sondern vor allem Teamgeist gefordert ist - wird häufig auf Ausstellungen gezeigt. In Leipzig und Berlin, zweimal sogar auf dem mitteldeutschen Wissenschaftsfestival „Silbersalz“, das in Halle stattfindet.

Wegbereiter für 4.0

Wenn es möglich ist, widmen sich Jana Reinhardt und Friedrich Hanisch auch nichtkommerziellen Projekten. Ihr Spiel „Solitune“, ein eskapistisches, sehr persönliches kleines Kunst-Spiel, konnten sie dank der Förderung durch die Kunststiftung Sachsen-Anhalt erstellen. Das Spiel war für eine Auszeichnung beim deutschen Festival A MAZE nominiert.

Noch ist die Spiele-Entwicklerszene in Sachsen-Anhalt recht übersichtlich, sagt Jana Reinhardt. Aber sie entwickle sich zu einer Zukunftsbranche. Ihr technologiegetragenes interaktives Potential macht Games zum Wegbereiter des Einsatzes von Virtual Reality, Augmented Reality, Mixed und Extended Reality. Gamification findet als Arbeitsmittel und Produktionsfaktor in anderen Wirtschaftsbranchen, wie dem Automobil-, dem Gesundheits- und dem IT-Sektor und in der Forschung Anwendung.

Um die Digitalisierung, die industrielle Revolution 4.0, mit voranzutreiben, haben Jana Reinhardt und Friedrich Hanisch den Verein „Games & XR Mitteldeutschland e. V.“ mitgegründet. Dessen Ziel ist die aktive Teilnahme an der Strukturgestaltung der mitteldeutschen Region durch Vernetzung, Weiterbildung und Wissenstransfer in andere, gamesferne Branchen. 

Autorin: Anja Falgowski

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