Sachsen-Anhalts Ernährungswirtschaft weiter auf Wachstumskurs

Auch, wer kleine Brötchen backt, kann steile Karriere machen

Am Anfang wurden „kleine Brötchen gebacken“: Vor 25 Jahren wurde in Mansfeld die Kern & Sammet GmbH gegründet, 1993 startete die Produktion mit 15 Mitarbeitern. Werk II in Eisleben wurde 1997 eingeweiht, und mit dem Einstieg der Klemme AG folgten weitere Spatenstiche, Grundsteinlegungen und Inbetriebnahmen. Die schweizerische ARYZTA AG mit weltweit führender Position im Bereich Spezialitäten-Backwaren schreibt als Investor die Erfolgsgeschichte fort: Derzeit entsteht mit Werk VII am Standort Eisleben eine der modernsten Bäckereien der Welt. ARYZTA beschäftigt in den Klemme-Großbäckereien in Sachsen-Anhalt rund 1550 Frauen und Männer und ist damit ein Schwergewicht der Ernährungswirtschaft des Landes.

Fast 10.000 Tonnen Mehl und 700 Tonnen Butter werden Monat für Monat in den Werken in Eisleben und Mansfeld verarbeitet. Kurze Transportwege für den Hauptrohstoff Mehl in einer Region mit leistungsfähiger Landwirtschaft waren einer der Hauptgründe für die Standortwahl. Mehr als 120 mit Tiefkühl-Backwaren beladene Lastwagen passieren täglich die Werkstore. 60 Prozent sind für Kunden in Deutschland bestimmt, 40 Prozent der Produktion gehen in den Export, vor allem in das europäische Ausland, in die USA, nach Japan und Australien. „Wir wollen klarer Qualitätsführer sein“, sagt Frank Kleiner vom Europa-Management der ARYZTA AG.

Die meisten Betriebe des Ernährungsgewerbes in Sachsen-Anhalt haben vor 25 Jahren, nach dem Zusammenbruch des Marktes für ostdeutsche Produkte, erst einmal „kleine Brötchen gebacken“. Mitte der 90er Jahre habe sich die Lage dann stabilisiert, sagt Dr. Michael Heinemann, Vorsitzender des Sprecherrates des Netzwerks Ernährungsgewerbe Sachsen-Anhalt Süd und Geschäftsführender Gesellschafter der 1991 gegründeten WHG Weißenfelser Handels-Gesellschaft mbH. „Die Unternehmen haben ihre Produktion neu strukturiert, gewaltig in Betriebsstätten und Technologien, Produkte und Verpackungen sowie in die Qualitätssicherung investiert und neue Marketingstrategien entwickelt“, so Heinemann. Typische Ostmarken sind erhalten geblieben. „Es ist uns gelungen, hochwertige Produkte und vielfach ausgezeichnete Qualität in den Markt zu bringen.“ Vor allem im Osten hätten die Unternehmen gut fußgefasst, in den westlichen Bundesländern liege noch Wachstumspotenzial. Die Mitwirkung im Netzwerk hat mit dazu beigetragen, Forschungspotenziale zu bündeln und Reserven auf bildungspolitischem Gebiet zu erschließen sowie in der Zusammenarbeit mit Entscheidungsträgern die Rahmenbedingungen und Infrastrukturentwicklung zu erschließen. 

Unter den Branchen des verarbeitenden Gewerbes in Sachsen-Anhalt ist die Sparte der Nahrungs- und Futtermittelherstellung seit vielen Jahren der Primus. Im ersten Halbjahr 2015 haben die 103 Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten einen Gesamtumsatz von 2,9 Milliarden Euro erwirtschaftet, davon 542 Millionen Euro (18,5 Prozent) im Ausland. Der Auslandsumsatz hat sich seit 2002 verdoppelt.

Mit gemeinsamen Marketingaktionen wie zum Beispiel dem Neuheitenregal zum Produkttest im Supermarkt wurden Unternehmen in den vergangenen Jahren dabei unterstützt, Neuentwicklungen im Handel zu platzieren, berichtet, Dr. Thomas Lange, Netzwerkmanager des Netzwerkes Ernährungswirtschaft Sachsen-Anhalt und Geschäftsführer der Agrarmarketinggesellschaft Sachsen-Anhalt, in Magdeburg. „Um den Export anzukurbeln haben sich Markterkundungsreisen bewährt mit Besuchen internationaler Messen und Gesprächen mit Importeuren.“ Die Innovationskraft der Unternehmen wird durch die Kooperation mit den Hochschulen, insbesondere mit der Hochschule Anhalt gestärkt. „Wir holen uns Studenten in die Unternehmen, vergeben Themen für Bachelor- und Master-Arbeiten und beziehen die jungen Leute in die Produktentwicklung mit ein“, sagt Michael Heinemann. Auch in die Mitarbeiterqualifizierung müsse ständig investiert werden. Hierzu hat das Netzwerk im Landessüden mit der IHK Halle-Dessau eine Meisterausbildung organisiert, die an den Wochenenden stattfindet. Größte aktuelle Herausforderung ist jedoch die Nachwuchsgewinnung, stellt Thomas Lange fest: „Viele Ausbildungsplätze in der Branche sind unbesetzt.“

Den zur ARYZTA AG gehörenden Betrieben der Klemme AG ist es mit ihrer Ausbildungsoffensive gelungen, trotz des Rückgangs der Schulabgängerzahlen in den Werken in Eisleben und Mansfeld mit der Rekordzahl von 105 Azubis in das Ausbildungsjahr 2015/2016 zu starten.  Für alle Ferientermine werden Schnupper- und Berufspraktika angeboten und für Schulklassen werden Werksführungen organisiert. Auch die Erkenntnis, dass ein Traumberuf vielleicht doch nicht das Wahre sei, „ist von großer Bedeutung auf dem Weg durch den Berufsfindungs-Dschungel“, meint Klemme-Personalchefin Cathleen Schlüter. Auf der Ausbildungsmesse am 29. und 30. Oktober in Sangerhausen ist das Unternehmen wieder mit einem eigenen Messestand präsent. „Wir informieren dort aus erster Hand durch unsere Auszubildenden selbst, wie die Ausbildung bei ARYZTA läuft und was unser Unternehmen ausmacht“, betont der betriebliche Ausbilder Matthias Nolte. Unter anderem werden Fachkräfte für Lebensmitteltechnik, Mechatronik und Lagerlogistik, Industriekaufleute oder Fachinformatiker für Systemintegration ausgebildet. Im Bereich Mechatronik ist auch ein duales Studium möglich.

Die Großbäckereien der Klemme AG haben inzwischen zum zweiten Mal das IHK-Gütesiegel „Top-Ausbildungsbetrieb“ erhalten. „Wir sind einer der attraktivsten Arbeitgeber in Sachsen-Anhalt. Das Siegel hilft uns auch, dass die Menschen im ganzen Land auf uns aufmerksam werden können“, sagt Cathleen Schlüter. Die Qualifizierungsangebote und Karrierechancen für die Mitarbeiter wurden durch den Einstieg von ARYZTA größer, Aufenthalte an den Auslandsstandorten runden die internen Angebote ab.

Hintergrund

Die ARYZTA AG betreibt weltweit mehr als 60 Produktionsstätten und ist ein führender Hersteller für Tiefkühl-Backwaren, Produktpalette reicht vom Frühstücksbrötchen über Croissants, süßem Gebäck, herzhafte Snacks bis hin zu Kuchen und Cookies. Beschäftigt in Europa, Nord- und Südamerika, Asien, Australien und Neuseeland derzeit rund 18.700 Mitarbeiter, Umsatz 2014: über 4,8 Milliarden Euro.

Der Umsatz der 103 Unternehmen der Nahrungs- und Futtermittelherstellung mit mehr als 50 Beschäftigten lag 2014 bei 6,5 Milliarden Euro bei 18.605 Beschäftigten (Auslandsumsatz 1,11 Milliarden Euro). Mit einem Anteil von 16,5 Prozent an den Beschäftigen und 15,4 Prozent am Umsatz im verarbeitenden Gewerbe ist das Ernährungsgewerbe die stärkste Industriebranche. Umsatzstärkste Bereiche sind die schlachtenden und fleischverarbeitenden Betriebe mit 2,5 Milliarden Euro Umsatz bei 4390 Beschäftigten, die Backwarenindustrie mit 0,89 Milliarden Euro Umsatz bei 7213 Beschäftigten und die Hersteller von Milchprodukten  mit 0,78 Milliarden Euro bei 1151 Beschäftigten.

 

Autorin: Bettina Koch

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