Sachsen-Anhalt und die Seidenstraße

Die neue Zugbildungsanlage der Deutschen Bahn in Halle (Saale) ist die modernste Europas. Von hier aus rollt die Fracht bis nach Südosteuropa und China.

Im Süden Sachsen-Anhalts ist einer der größten Rangierbahnhöfe Deutschlands eröffnet worden. 180 Millionen Euro haben Bahn und Bund investiert. Entstanden ist eines der wichtigsten Frachtdrehkreuze in Deutschland und die modernste Anlage ihrer Art in Europa. Bis zu 2.400 Güterwaggons können dort pro Tag zu langen Zügen zusammengestellt werden – beinahe vollständig automatisiert.

Für den Schienengüterverkehr in Mitteldeutschland hat in diesem Jahr eine neue Zeitrechnung begonnen: Ende Juni 2018 hat die Deutsche Bahn die Zugbildungsanlage (ZBA) Halle-Nord in Betrieb genommen. Viereinhalb Jahre haben Umbau und Erweiterung des alten Rangierbahnhofs der Stadt Halle gedauert. Die Großstadt im südlichen Sachsen-Anhalt gehört mit der Modernisierung zu den größten Frachtdrehkreuzen in Deutschland. Hier zentralisiert die Bahn den Güterverkehr in Mitteldeutschland und beseitigt vielerorts veraltete Infrastruktur.

180 Millionen Euro haben Bahn und der Bund investiert. Die Zugbildungsanlage liegt in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs von Halle (Saale), inmitten der Stadt. Ihre Ausmaße sind gewaltig. Gut 42 Kilometer Gleis mit 133 Weichen und insgesamt 75.000 Schwellen wurden verlegt, fast 10.000 Tonnen Stahl sind auf den 260.000 Quadratmetern Fläche verbaut worden.

Sachsen-Anhalt verfügt damit über die modernste Zugbildungsanlage Europas. Das Verfahren, mit dem hier die Züge zusammengestellt werden, ist beinahe vollständig automatisiert. Selbst die Rangierloks, die die ankommenden Güterwagen auf den Ablaufberg schieben, sind auf der ZBA Halle-Nord unbemannt, sie werden vom zentralen Rechner gesteuert. So wie die Waggons: Eine Säule am Gleis scannt den Frachtzettel jedes Wagens mit den Angaben über Herkunft, Zielort, Ladung, Gewicht und Geschwindigkeit. Die Daten werden an das elektronische Stellwerk übermittelt, der Ablaufsteuerrechner dirigiert sie vom Ablaufberg über mehrere Weichen auf eines der 36 Richtungsgleise, wo sie zu neuen Zügen zusammengestellt werden, die eine Länge bis zu 650 Meter erreichen können. Ein derart gebündelter Transport ist wirtschaftlich und umweltschonend.

Der Ablaufsteuerrechner reguliert auch die Geschwindigkeit der rollenden Fracht – sind die Wagen zu schnell, werden sie mit ins Gleisbett eingebauten, automatischen Bremsanlagen verlangsamt. Reicht der Schwung nicht aus, werden sie von gelben Schlitten zum Ziel gezogen. Die neu zusammengesetzten Züge verlassen dann auf zwei Ausfahrgleisen Halle.

Seit der Eröffnung werden täglich 22 Züge zusammengestellt, ab dem Fahrplanwechsel im Dezember sollen bis zu 2.400 Güterwaggons pro Tag sortiert werden - 120 pro Stunde! Nachtarbeit ist bei dieser Zielvorgabe unerlässlich, und auch dafür wurde in Halle Neuland betreten: Erstmals beleuchten LED-Lampen eine Zugbildungsanlage. 653 Lichtmasten, 14 Meter hoch, mit insgesamt 1130 Lampen erhellen in der Dunkelheit das Gleisgewirr und erfüllen die gestiegenen Anforderungen des Eisenbahnbundesamtes, wonach in den Gassen neben den Gleisen und zwischen den Waggons eine Helligkeit von zehn Lux zu garantieren ist.

2006 war es, als die DB Cargo, ein Unternehmen der Deutschen Bahn und zuständig für den Schienengüterverkehr, ihr Geschäftsfeld neu ordnete. Mit neun großen Zugbildungsanlagen wurde geplant; acht gab es bereits in Deutschland. Den Zuschlag erhielt dann Halle (Saale). Entscheidend für die Investition sei die Lage der Stadt im europäischen Streckennetz gewesen, sagt Eckart Fricke, der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Entscheidung für Halle fiel auch, weil die DB derzeit angesichts wachsender Verkehrsströme in Europa eine dritte wichtige Nord-Süd-Route durch Deutschland, neben den beiden bestehenden in Westdeutschland, soll dann auf dem sogenannten Ostkorridor Fracht aus den Nordseehäfen über Stendal - Magdeburg - Halle - Leipzig - Hof - Tschechien/München/Österreich von der Straße auf die Schiene gebracht werden.

Halle ist nunmehr für die Bahn das logistische Zentrum in Mitteldeutschland. Die Güterverkehrsströme fließen von hier aus nach Südost-Europa. Die Fracht rollt in Richtung Norden nach Magdeburg oder Berlin und gen Süden nach Leipzig oder Erfurt und kann von dort in andere Städte Europas und der Welt weitergeleitet werden. Halle soll die zentrale Verteilungsanlage für Güter bis nach Fernost werden - bis nach China. Damit liegt die Stadt an der Saale an der Neuen Seidenstraße. Das Infrastrukturprojekt der Volksrepublik soll die 500 Jahre alte Handelsroute wiederbeleben und Asien, Europa und Afrika miteinander verbinden.

Halle soll vor allem als Umschlagplatz zwischen den Seehäfen sowie Ost- und Südeuropa dienen. Dafür baut die Bahn die entsprechende Güterzugstrecke aus, den sogenannten Ostkorridor, die Strecke von Uelzen (Niedersachsen) über Stendal, Halle und Leipzig nach Bayern, von dort weiter nach Süd- und Osteuropa.

Halle wird damit zur zentralen Güterverkehrsdrehscheibe im Osten Deutschlands. Im Raum Halle kreuzen sich wichtige Schienenwege in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung. Künftig wird DB Cargo in der neuen Zugbildungsanlage die Produktionsabläufe im Einzelwagenverkehr in Mitteldeutschland bündeln und so für die Kunden die Transportzeiten nochmals verkürzen. „Sachsen-Anhalt hat Tradition und Zukunft als Handelsdrehscheibe. Die Zugbildungsanlage eröffnet neue Dimensionen im nationalen und internationalen Güterverkehr. Dieser moderne Rangierbahnhof strahlt auf ganz Mitteldeutschland aus, das gibt wichtige wirtschaftliche Impulse und sichert Arbeitsplätze in der Region“, so Thomas Webel, Sachsen-Anhalts Minister für Landesentwicklung und Verkehr, bei der Eröffnung der Anlage im Juni.

Der Neubau der Zugbildungsanlage ist Teil der Modernisierung des Verkehrskreuzes Halle (Saale) und angebunden an das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8“. Mit dem Aus- und Umbau des Bahnknotens Halle soll dieser für das neue Hochleistungsnetz der Deutschen Bahn fit gemacht werden.

Autor: Anja Falgowski

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