„Die Burg ist ein widerstandsfähiges Biotop“

100 Jahre Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle: Rektor Prof. Dieter Hofmann blickt zurück und voraus.

Die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle feiert 2015 ein großes Jubiläum: Seit 100 Jahren gibt es die Kunsthochschule in Halle (Saale). In diesem zurückliegenden Jahrhundert hat sie sich dessen einschneidenden Ereignissen stellen müssen – das sagt Professor Dieter Hofmann, wenn er die Historie betrachtet. Als Rektor leitet der Fachmann für Industrial Design seit Herbst die Geschicke der Kunsthochschule. Ein Gespräch über die Kunst, die Herausforderungen einer Epoche zu erkennen und Vorreiter für kulturelle Entwicklungen zu sein. 

Was ist für Sie Kunst?
Prof. Dieter Hofmann: Für mich als Designer bedeutet es stets eine große Herausforderung, aber auch ein immenses Vergnügen, mir immer wieder neuen Zugang zu den zeitgenössischen Kontexten der Kunst zu verschaffen.

Verändert sich mit dem Wandel zur digitalen Gesellschaft, mit der Schnelllebigkeit der Zeit auch der Status einer Kunsthochschule?
Eine Kunsthochschule braucht Wandel und Stabilität. Sie lebt einerseits nicht außerhalb der Zeit und sollte nicht nur wie ein empfindlicher Seismograf die Herausforderungen der Epoche erkennen, sondern als Vorreiter kulturelle Entwicklungen einer Gesellschaft entscheidend mitprägen. Andererseits vermittelt eine Kunsthochschule zeitlose Werte und benötigt eine eigene, unveränderbare Position, die sie manch sonderbaren Modephänomenen entgegenhalten muss.

Wie fasst man 100 Jahre Geschichte als Kunsthochschule am besten zusammen?
Bei dieser Frage fühle ich mich schon sehr alt, denn aus eigener Erfahrung kenne ich nur die letzten zehn Jahre der Burg. Während dieser Zeit habe ich die Kunsthochschule als einen Ort des freien Experimentierens erfahren. Sie bietet einen Raum, in dem schöpferisch veranlagte Menschen in einer geschützten und inspirierenden Umgebung ihre künstlerisch-gestalterische Position und ihre Persönlichkeit entwickeln können.

100 Jahre Burg: Welche besonderen Ereignisse kennzeichnen Ihrer Meinung nach die Historie der Burg Giebichenstein?
Wenn ich an die Zeit denke, die ich selbst miterlebt habe, bleibt mir als besonders einschneidendes Ereignis vor allem das verheerende Hochwasser im letzten Jahr in Erinnerung. Das hat uns schwer getroffen hat und die Folgen sind noch immer nicht vollständig beseitigt. Historisch betrachtet hat sich die Burg natürlich den einschneidenden Ereignissen des vergangenen Jahrhunderts stellen müssen: Von den Weltkriegen, über die Teilung Deutschlands bis hin zur Wiedervereinigung hat das alles die Hochschule stark geprägt. Auf der anderen Seite ist es der Burg auch in diesen politisch und gesellschaftlich turbulenten Zeiten immer gelungen, bei sich zu bleiben, sich nicht zum Spielball der Geschichte zu machen, sondern sich den Herausforderungen zu stellen, nach vorne zu schauen und nach dem „Danach“ zu fragen.

Worin sehen Sie für sich als Rektor und für die Burg in den nächsten Jahren die Hauptaufgaben?
Bei einem so großen, von den Vorgänger-Rektoraten sicher geführten Schiff gilt es, erst einmal Kurs zu halten und Richtungsänderungen behutsam vorzunehmen. In einem Meer oder Fluss gibt es stets Strömungen in verschiedene Richtungen. Dort fühlen sich besonders viele unterschiedliche Spezies wohl. Aus dieser Artenvielfalt entsteht ein gesundes und widerstandsfähiges Biotop. Genauso wie in der Natur gibt es diese Vielzahl an Strömungen auch an unserer Hochschule. Das ist Teil der besonderen Qualität der Burg. Sie gilt es zu bewahren und im Idealfall zu einem gemeinsamen Ganzen zusammenzubringen. Die Burg selbst muss ihre gute Position im Konzert der Kunsthochschulen erhalten und ausbauen. Ein wichtiger Eckpunkt ist die Aufgabe, die beiden noch getrennten Standorte der Kunst an der Unterburg und am Hermes-Areal an einem gemeinsamen Campus zu vereinen. Damit könnten wir die bauliche Hochschulentwicklung vorerst zu einem Abschluss bringen.

Was raten Sie Absolventen, die auf der Suche nach einem Standort sind, an dem Sie sich und ihre Kunst verwirklichen können?
Ich kann Absolventinnen und Absolventen, nicht nur aus der Kunst, sondern auch aus dem Design nur empfehlen, den Standort nach den eigenen Bedürfnissen auszusuchen. Nicht immer bietet die extreme Konkurrenzsituation der bekannten Metropolen die besten Startbedingungen. Frogdesign hat für Apple zum Beispiel aus einem kleinen Schwarzwalddorf Produkte gestaltet, und nicht wenige Künstler haben zwar ihre Galerie in großen Städten, leben und arbeiten aber woanders. Viele unserer Absolventen fühlen sich in Halle wohl. Damit diese nach dem Abschluss hier bleiben, ist es aus meiner Sicht wichtig, dass sich eine Region zu ihren Künstlern und Gestaltern bekennt.

Wie wird die Burg das Jubiläum nächstes Jahr begehen?
Wir versuchen, über das ganze Jahr 2015 hinweg die Burg in ihrer ganzen Vielfalt darzustellen, mit Ausstellungen, Events und Aktionen. Dabei kooperieren wir auch mit unseren bewährten Partnern, wie der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt und den Franckeschen Stiftungen, um nur einige zu nennen. Die offizielle Eröffnung des Jubiläumsjahres findet mit einem Festakt am 6. Februar statt. Im Mai gibt es eine gesonderte Festwoche. Wie bei jeder Geburtstagsfeier sind auch einige Überraschungen geplant, denen ich hier nicht vorgreifen möchte. Dabei wird es viele Möglichkeiten geben, mit uns gemeinsam zu diskutieren – und zu feiern. Wir hoffen auf viele Geburtstagsgäste!

Wer bisher noch nicht mit der Burg in Berührung kam – für den ist das Jubiläum ein guter Start?
Es ist natürlich nicht nur im Jahr 100 der Burg spannend, mit uns in Berührung zu kommen. Wichtig sind uns auch die Begegnungen mit der Burg, die nicht sofort mit der Kunsthochschule in Verbindung gebracht werden. Dann, wenn man von Arbeiten unserer Absolventen draußen in der Welt berührt wird. Dennoch wird es in nächster Zeit nicht mehr so oft die Gelegenheit geben, so intensiv etwas über die Geschichte, aber vor allem über die Gegenwart und Zukunftsperspektive der Kunsthochschule zu erfahren und mit uns direkt ins Gespräch zu kommen, wie im Jubiläumsjahr 2015.

Autorin: Manuela Bock
Foto: Matthias Ritzmann
Bildunterschrift: Prof. Dieter Hofmann

Kontakt:
Kunsthochschule Halle
Prof. Dieter Hofmann
Rektor - Professor Industrial Design
Burg Giebichenstein
Neuwerk 7
Telefon: +49 345 7751-930, +49 (0)345 7751-510
Fax +49 345 7751-76930
E-Mail: hofmann.ignore@burg-halle.de
www.burg-halle.de

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