Erfolg für Magdeburger Wissenschaftler!

Das menschliche Immunsystem ist eine komplexe Einsatzzentrale. Droht Gefahr durch unerwünschte Eindringlinge wie Bakterien oder Viren, so sendet es Alarmsignale aus und Botenstoffe in Bewegung, um sie abzuwehren. Wenn es allerdings zu Fehlinformationen unter den Immunzellen kommt, richtet sich diese Abwehrreaktion im schlimmsten Fall gegen den eigenen Körper. Die Folgen sind Entzündungen. „Es ist erwiesen“, sagt Prof. Dr. Burkhart Schraven, „dass Entzündungen für die sogenannten Volkskrankheiten wie Rheuma, Diabetes, Herz-Kreislaufkrankheiten, Magen- und Darmerkrankungen oder Nierenversagen verantwortlich sind. Chronische Entzündungen können auch die Ursache für Krebs sein.“ Schraven ist Direktor des Instituts für Molekulare und Klinische Immunologie am Universitätsklinikum Magdeburg und Sprecher des interdisziplinären Sonderforschungsbereiches „SFB 854“. Hinter dieser Zahl verbirgt sich das Thema „Molekulare Organisation der zellulären Kommunikation im Immunsystem“.

2009 hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Einrichtung dieses Sonderforschungsbereiches an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg bewilligt und für vier Jahre 9,3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Mit der älter werdenden Bevölkerung und der Zunahme chronischer Erkrankungen gewinnt die Erforschung der Zellkommunikation im Immunsystem immer weiter an Bedeutung. Die DFG unterstützt sie auch in den nächsten vier Jahren bis 2017. Zur Verfügung stehen dieses Mal zehn Millionen Euro.

„Wir haben gerade das Leitmotiv für unsere zweite Forschungsetappe festgelegt“, sagt Schraven: „Entzündungen verstehen – Volkskrankheiten heilen“. Am Ende gehe es darum, mit wirksamen Therapieformen genau an den Stellen anzusetzen, wo die Ursachen für die Fehlkommunikation zwischen den Zellen innerhalb des Immunsystems liegen. Jeder Patient könnte somit eine individuell maßgeschneiderte Therapie bekommen.

Die Mediziner und Wissenschaftler in Magdeburg wollen sich unter anderem darauf konzentrieren, wie Entzündungsvorgänge durch Zelltherapien beeinflusst werden können. Prof. Dr. Thomas Fischer, Direktor der Magdeburger Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie, ist mit seiner Klinik einer der Partner im interdisziplinären Forschungsteam. Er und seine Kollegen am Uniklinikum –  sind Spezialisten für Magen-Darmerkrankungen, für Nieren- und Hochdruckleiden, für Herz- und Kreislauferkrankungen – haben in ihrem Klinikalltag genau mit den Fällen zu tun, um die es in dem Sonderforschungsbereich geht. Der Mediziner erklärt das Thema am Beispiel aus seiner Praxis: „Für eine bestimmte Art von Blutkrebs ist seit kurzem ein Medikament auf dem Markt, das auf ein für die Fehlkommunikation verantwortliches Schlüsselmolekül wirkt und die massive Entzündungsreaktion, die den Blutkrebs begleitet, abschalten kann. Auch bei der Stammzelltransplantation von Blutkrebs könnten in der Zukunft die Zellen des Stammzell-Spenders so beeinflusst werden, dass deren Kommunikation mit den Zellen des Patienten auf die Verminderung von Nebenwirkungen zielt – und gleichzeitig auf die Stärkung der Zellen im Kampf gegen den Blutkrebs.

Ein Großteil der Investitionsmittel, die die DFG dem Sonderforschungsbereich zur Verfügung stellt, wurde auf Beschluss des interdisziplinären Forschungsteams in ein Mikroskop investiert, mit dem Reaktionen von Immunzellen in Echtzeit beobachtet werden können. Burkhart Schraven sagt, dass die Probanden bei diesen Untersuchungen Mäuse sindund dass an diesen Tieren die Störmechanismen vieler menschlicher Krankheiten im Grundsatz erforscht werden können. Was allerdings nicht so einfach sei, wie es sich gerade anhört, meint Schraven.Denn neben den molekular- und zellbiologischen Methoden müssten die Forscher auch mathematische Modellierungsmethoden aus den Ingenieurwissenschaften einsetzen, um die Datenmengen aufzubereiten.

Ein wichtiges Schlüsselwort im SFB heißt Transfer. Der Austausch von Technologien und Wissen mit Kooperationspartnern des Sonderforschungsbereiches, beispielsweise dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, der TU Braunschweig, dem Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg, dem Twincore-Zentrum für Infektionsforschung in Hannover oder der Freien Universität Berlin ist für die Magdeburger Entzündungsforscher besonders wichtig.

Die „Molekulare Organisation der zellulären Kommunikation im Immunsystem“ ist ein Forschungsthema mit hohem Entdeckerpotenzial. Keine Frage, dass sich in diesem Zusammenhang viele in- und ausländische Studenten und Doktoranden für den Universitätsstandort Magdeburg interessieren. In den Sonderforschungsbereich ist ein von DFG-gefördertes Graduiertenkolleg integriert, in dem 25 junge Wissenschaftler aus Osteuropa, Asien, Indien und Deutschland auf dem Arbeitsgebiet der Zell-Zell-Kommunikation promovieren und dabei ein SFB-eigenes Ausbildungsprogramm durchlaufen sollen.

Ab Wintersemester 2015/2016, verkündet SFB-Sprecher Schraven, möchten wir an der Medizinischen Fakultät auch einen eigenen Master-Studiengang anbieten, um den wissenschaftlichen Nachwuchs speziell für den Forschungsschwerpunkt „Immunologie und Entzündung“ auszubilden.

Damit nicht genug der Erfolge: Eine Bewerbung der Magdeburger Wissenschaftler bei der Else Kröner Fresenius-Stiftung war erfolgreich. Die Stiftung richtet in Magdeburg ihr siebentes Else-Kröner-Forschungskolleg für junge Ärztinnen und Ärzte ein .„Diese Botschaft“,  „ist gerade erst eingetroffen.“ freuen sich Thomas Fischer und Burkhart Schraven. Am Kolleg sind 20 Wissenschaftler und Ärzte verschiedener Einrichtungen beteiligt. Acht junge Ärzte können hier während ihrer Assistenzarzt-Ausbildung an der Zellkommunikation von Entzündungszellen und ihrer Auswirkung auf die Tumorentstehung forschen. Gleichzeitig arbeiten sie in den entsprechenden Kliniken der Medizinischen Fakultät in Magdeburg. „Unsere Ausschreibung wird sich demzufolge an angehende Fachärzte, die praktisch arbeiten, aber auch in der Wissenschaft tätig sein möchten, richten“, sagt Professor Fischer. Er ist der Leiter des Forschungskollegs.

Text/Foto: Kathrain Graubaum im Auftrag der IMG
BU: Prof. Dr. med. Thomas Fischer, Direktor der Magdeburger Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie (links), und Prof. Dr. med. Burkhart Schraven, Direktor des Instituts für Molekulare und Klinische Immunologie am Universitätsklinikum Magdeburg schauen Jonas Kullak (rechts) über die Schulter. Er promoviert im Sonderforschungsbereich.

Kontakt:
Prof. Dr. med. Burkhart Schraven
Tel: 0391/6715800
EMail: Burkhart.schraven@med.ovgu.de

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