Baumeister mit drei Klicks
3D-Konstruktion ist teuer und etwas für Spezialisten. Ein Magdeburger Softwarehaus hat das geändert und mit seinem „taraVRbuilder“ nicht nur BMW, Audi und VW überzeugt. Wer mit dem Programm der tarakos GmbH arbeitet, lässt im Nu und mit minimalen Vorkenntnissen komplette Werkhallen und Logistikzentren virtuell entstehen.
Elli ist eine kleine, fröhliche Hündin, die sich über jeden Besucher freut. Sie begrüßt Eintretende mit einem Schwanzwedeln und begleitet sie bis zum Büro von Herbert Beesten. Ein Büro mit Blick auf die Elbe und einem überdimensionierten Flachbildfernseher. „Den brauchen wir hier für unsere Präsentationen. In Aktion überzeugt unsere Software zur 3D-Prozessvisualisierung mit Abstand am besten.“
Elli gehört einem Mitarbeiter. Sie steht für die Philosophie der Magdeburger tarakos GmbH. Wohlfühlen sollen sich die Kollegen hier, ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um die fähigsten Köpfe der Region. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten und angemessene Verdienst- und Entwicklungsmöglichkeiten, betont Beesten. Dass dennoch immer wieder Kollegen in große, gestandene Unternehmen wechseln, sieht der Geschäftsführer der tarakos GmbH gelassen. „Wir sehen uns als Haus, in dem man in kurzer Zeit viel lernen und Ideen einbringen kann. Was bleibt, ist ein harter Kern an Mitarbeitern, der schon mehr als zehn Jahre besteht."
Die tarakos GmbH beschäftigt sich seit ihrer Gründung im Jahr 2000 mit der Visualisierung und Präsentation komplexer Fertigungsprozesse. Mit dem taraVRbuilder, einer Software zur Konstruktion virtueller Räume, können Produktions- und Lagerhallen, Montageflächen und Logistikzentren am Rechner aufgebaut werden. „Dazu steht den Anwendern eine Bibliothek aus 500 Objekten zur Verfügung", erklärt Beesten. Los geht es mit statischen Objekten wie Wänden, Pfeilern, Bühnen und Schutzzäunen. Danach können animierte Objekte wie Roboter, Förderbänder, Drehkreuze und komplexe Maschinen eingebaut werden. Der Planer kann Frauen und Männer, Gabelstapler und Lkw positionieren. Auf diese Weise, sagt Beesten, könne eine ganze virtuelle Fabrik entstehen und zum Laufen gebracht werden.
Drei wesentliche Vorteile lassen den taraVRbuiler über klassische 3D-Konstruktionssysteme triumphieren: Die Software ist wesentlich billiger, nach einem Schulungstag schon sicher zu bedienen und benötigt keine Hochleistungsrechner. Sie läuft auf den meisten gängigen PCs. „Damit ist der übliche Anwender kein 3D-Konstrukteur oder Programmierexperte, sondern ein Logistiker, Materialfluss- oder Produktionsplaner“, erklärt Beesten. Das macht die Software insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen interessant.
Steht die erste Version der Produktionsanlage, können allen Elementen Eigenschaften zugewiesen werden. Parametrieren, nennt das der Fachmann. „Wie schnell müssen ankommende Pakete weitergeleitet werden? Wann braucht die Maschine Nachschub? In welche Richtung soll das Bauteil geschoben werden? Solche Messgrößen berücksichtigt dann das Programm.“ Mit einem Klick setzt sich die geplante Anlage in Bewegung und simuliert sämtliche Abläufe. Auf diese Weise werden sofort Schwachstellen, Leerläufe oder Staus sichtbar.
Wenn alles stimmt, ist Zeit zum Abheben. Der Anwender kann virtuell über seiner Werkhalle schweben, durch die Gänge des Hochregallagers fliegen und neben der Frau an der Packstation landen. Solche Visualisierungen seien für tarakos-Kunden wie Planungsbüros und Hersteller von Fördertechnik ein wesentliches Verkaufsargument, sagt Beesten: „Weil deren Auftraggeber genau sehen, was gemeint ist, und dass es exakt zu ihren Anforderungen passt.“ Details wie die Möglichkeit, das Fördergut mit dem Logo des Kunden zu versehen oder 3D-Vorlagen von speziellen Maschinen in das Programm zu integrieren, erhöhen die Authentizität der virtuellen Entwürfe.
Als Schnittstelle zwischen komplexer 3D-Konstruktion und Idee im Kopf hat sich der taraVRbuilder gut am Markt etabliert. Ein neues Produkt soll in die bestehende Anlage integriert werden? Der Materialfluss im Hintergrund der Produktion läuft nicht optimal? Die Laufwege zwischen den Maschinen sind zu lang? Dafür finden auch 3D-Laien mithilfe der Software schnell Lösungen. „Wir verkaufen den taraVRbuilder vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz, erreichen aber inzwischen auch andere europäische Länder und arbeiten mit Vertriebspartnern in den USA, China und der Türkei zusammen", zählt Beesten auf. Etwa 1000 Kunden haben bisher eine Software-Lizenz erworben, jeder Zweite nutzt den taraVRbuilder dauerhaft und kauft auch die jährlichen Update- und Supportpakete.
Die meisten großen europäischen Fördertechnik-Hersteller zählen zu den Kunden, Konzerne wie Audi, BMW, VW und die Daimler AG im Automobilbereich, Logistiker wie die Deutsche Bahn, UPS und die Ottogroup, aber auch Nestle, Degussa, Ikea, REWE und Lidl stehen auf der Referenzliste. Und sogar die Burger-Brötchen, die in einem Lebensmittelkonzern für namhafte Burgerketten herstellt werden, laufen heute über Bänder, die zuerst virtuell im taraVRbuilder entstanden sind. Als handliches Tool für die Lehre hat sich dieMagdeburger Software ebenfalls einen Namen gemacht, viele technische Hochschulen setzen sie für ihre Ausbildung ein.
So erwirtschaftet das Unternehmen mit seinen 14 Mitarbeitern einen jährlichen Umsatz von rund einer Million Euro. Der Gewinn schwankt, auch deshalb will Beesten jetzt den nächsten strategischen Schritt gehen. „Man muss wissen: Unser Produkt verkauft sich nicht durch seinen Namen. Dazu ist die tarakos GmbH zu klein. Das bedeutet, dass unser Marketing sehr umfangreich und teuer ist und der Vertrieb extrem aufwändig.“ Zusammen mit seinem Finanzpartner klopft das Unternehmen nun den Markt auf einen Investor ab, der über sein eigenes, starkes Vertriebsnetz die Produkte der Magdeburger verkauft.
Am Standort im Wissenschaftshafen will hingegen niemand etwas ändern. Die Nähe zur Otto-von-Guericke-Universität und dem Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) sei ein starkes Argument, sagt Beesten. Er profitiere von den Studierenden der Computervisualistik, die im Unternehmen oft über Jahre arbeiten und zu wichtigen Impulsgebern geworden sind.
Gemeinsam mit dem IFF wurde kürzlich eine Bibliothek mit RFID-Objekten programmiert; jener Technologie, bei der Gegenstände mit Hilfe von Radiowellen automatisch und berührungslos identifiziert und lokalisiert werden. Man kennt RFID zum Beispiel vons den Funketiketten in unserer Kleidung: Mit deren Hilfe etwa weiß die zentrale Steuerung eines Lagers jederzeit, in welchem Regal sich welches Produkt befindet.
Für Herbert Beesten ist Magdeburg ein zweites Zuhause geworden. Er stammt aus dem Münsterland, kam von dort Anfang der 2000er-Jahre in die Landeshauptstadt. Als inzwischen 61-Jähriger denkt er daran, das Unternehmen in jüngere Hände zu geben. Aber mit seiner langjährigen Expertise im Verkauf, den wertvollen Kontakten in die Automobilbranche und seiner Leidenschaft für die 3D-Visualisierung ginge mit Beesten ein wichtiger Motor der tarakos GmbH verloren. Und vermissen würde ihn sicherlich nicht nur Elli, das freundliche Begrüßungskomitee.
Autorin: K.Wöhler
Kontakt:
Herbert Beesten
Geschäftsführer Vertrieb
tarakos GmbH
Werner-Heisenberg-Str. 1
39106 Magdeburg
Telefon: 0391 597 495 - 0
Fax: 0391 597 495 - 33
www.tarakos.de