Salzwedeler Baumkuchen international ein Verkaufsschlager
Forschungsprojekt verlängert Haltbarkeit von Feingebäck aus der Stendaler Landbäckerei.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Baumkuchen aus dem altmärkischen Salzwedel regelmäßig an den preußischen Königshof geliefert. Heutzutage erfreut sich das Feingebäck breiter Beliebtheit und legt weite Wege auch über Deutschlands Grenzen hinaus zurück. Das stellt große Herausforderungen an seine Haltbarkeit. Die Stendaler Landbäckerei GmbH brachte gemeinsam mit Studenten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ein diesbezügliches Forschungsprojekt zum Erfolg und löste nicht nur das Frischeproblem.
Nach überliefertem Originalrezept werden Eier, Butter, Zucker schaumig gerührt, hinzu kommen Mehl und Maisstärke - und ein gut gehütetes Geheimnis, das zur gewohnt feuchten Konsistenz und zum traditionellen Geschmack des Salzwedeler Baumkuchens beiträgt. Andreas Bosse, Inhaber und Geschäftsführer der Stendaler Landbäckerei GmbH, schweigt und genießt allein schon in Gedanken an die Herstellung des Teigs. Frische Eier werden einzeln aufgeschlagen; das Eiweiß zu Schnee geschlagen und unter die Masse gehoben. Nach dem Abbacken wird der Baumkuchen portioniert und mit Schokolade oder Fondant überzogen. "Konservierungsstoffe haben nach wie vor nichts zu suchen in unserem Traditionsgebäck. Die Haltbarkeit wird hauptsächlich über den Backprozess beeinflusst", sagt Andreas Bosse und tippt damit auch ein Problem an: Dass frisches Feingebäck auf weite Auslandsreisen geht, ist nicht unbedingt üblich. Bei den Baumkuchen beträgt der Exportanteil etwa fünf Prozent.
Was schon am preußischen Königshof schmeckte, ist heute eine sogenannte "regionale Marke". Mit wachsender Mobilität der Menschen gelangt die Köstlichkeit zur Berühmtheit über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinweg. Der Name "Salzwedeler Baumkuchen" ist buchstäblich in aller Munde - in Regensburg, Hamburg, Wien, Paris ... . "Von den 85 Tonnen Jahresproduktion 2014 wurden allein in der Weihnachtszeit über 27 Tonnen Baumkuchen hergestellt", sagt der Firmenchef und dass im Online-Shop Bestellungen aus Tschechien, Belgien, Österreich und aus der Schweiz, aus Japan, Italien, Spanien, Großbritannien sowie aus den USA eingingen. "Am Ende ihrer Reise sollen die Baumkuchen immer noch ihren vertrauten Geschmack haben und leicht auf der Zunge zergehen", ist der Anspruch des Landbäckers an sein Feingebäck. Mehr noch: "Wenn sie unsere Bäckerei verlassen haben, sollten die feuchten Kuchen nicht zu sensibel und mit Schimmelbildung auf veränderte klimatische Verhältnisse oder Lagerbedingungen reagieren."
Hat Unternehmensleiter Andreas Bosse ein fachliches Problem zu lösen, vertraut er auf ein bewährtes Rezept: Er mischt traditionelles handwerkliches Können mit jungen innovativen Ideen. Und er sorgt im Vorfeld dafür, dass entsprechende "Zutaten" im Hause sind. Soll heißen: In der Landbäckerei ergänzen sich langjährige Berufserfahrung und modernes Hochschulwissen. Die 30-jährige Judith Perlberg kam 2006 in den Betrieb - zunächst, um hier ihre Diplomarbeit zum Thema der Qualitätssicherung zu schreiben. Betriebschef Bosse behielt die junge Ökotrophologin in seinem Unternehmen. "Wäre doch schade gewesen, wenn das für die Landbäckerei entwickelte Qualitätsmanagement nicht zur praktischen Umsetzung gekommen wäre", lacht Bosse. Zudem übertrug er seiner jungen Mitarbeiterin die Verantwortung für ein vom sachsen-anhaltischen Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft gefördertes Forschungs- und Entwicklungsprojekt: "Erzeugnisentwicklung von Feinbackwaren mit verbesserter Lagerfähigkeit". "Der Erfolg am Ende war Teamwork", will Judith Perlberg betont wissen. Mitarbeiter des Stendaler Landbäckerei GmbH, Studenten der Verfahrenstechnik von der Magdeburger Otto-von-Guericke Universität und die Anhaltische Verfahrens- und Anlagentechnik GmbH in Magdeburg hatten gemeinsam geforscht.
Judith Perlberg und Andreas Bosse müssen schmunzeln in Erinnerungen an die verkabelte Baumkuchenbäckerei. Luftströme wurden vermessen, unzählige Wärmebilder gemacht und analysiert. Was das wohl solle, hatten manches Mal die Bäcker gefragt, die an den bis zu 90 Grad heißen Öfen ihrem körperlich schwerem Handwerk nachgehen: Bis zu 55 Grad heiß wird es in der Backstube, wenn die Flammen aus der Brennerlanze lodern, vor der sich die Walze dreht. Schicht für Schicht wird hier der Teig aufgetragen und durch das Drehen vor dem Feuer abgebacken. Beim späteren Schneiden sehen die Schichten wie die Jahresringe eines Baumes aus, was dem Kuchen seinen Namen gab. Nach vielen Messungen und Analysen, wie sich die warme Luft im Raum bewegt, wurde innerhalb des Forschungsprojektes ein neues Lüftungskonzept nebst Anlage entwickelt. "Die Luftzirkulation im Raum wird nun gesteuert, ohne die Fenster zu öffnen, wodurch auch die mikrobiologischen Bedingungen bei der Herstellung von Feinbackwaren verbessert werden", erklärt die Ökotrophologin. "Die neue Anlage senkt die Raumtemperatur um bis zu 10 Grad." Firmenchef Bosse freut sich: "Jedes einzelne Grad weniger trägt zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei. Und hilft uns somit, Nachwuchs zu finden für die Baumkuchenbäckerei." Im Frühjahr 2014 wurde eine eigens für den Baumkuchen entwickelte Brennerlanze installiert. Sie optimiert die Flamme und gewährleistet ein gleichmäßiges und intensiveres Ausbacken der Teigschichten. Außerdem hatten diverse Tests unter Extrembedingungen in der Klimakammer ergeben, dass Temperaturschwankungen für Baumkuchen schädlich sind wie auch für Biskuitböden und Rührkuchen der Stendaler Landbäckerei. Infolge richtete das Unternehmen für seine verpackten Feinbackwaren einen separaten Lagerraum ein. Zirka 50.000 Euro hat die Landbäckerei bisher in Maßnahmen investiert, die aus den Erkenntnissen des Forschungsprojektes resultieren. Die Haltbarkeit des Baumkuchens und anderer Feinbackwaren konnte um zwei Tage von 16 auf 18 verlängert werden. "Das ist für Frischeprodukte enorm viel", betont Judith Perlberg. Ihr Chef ergänzt: "Noch suchen wir nach einem geeigneten Verpackungsmaterial, in dem ein Mikroklima entsteht, das unser Gebäck nicht austrocknen und auch nicht schwitzen lässt."
Autorin: Kathrain Graubaum (Text/Foto)
BU: Ökotrophologin Judith Perlberg und Andreas Bosse, Inhaber der Stendaler Landbäckerei GmbH, präsentieren ihren international beliebten "Salzwedeler Baumkuchen".
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