Sachsen-Anhalt setzt auf Leichtbau-Technologie

In Haldensleben stellt die IFC Composite GmbH  serienmäßig glasfaserverstärkte Blattfedern für Nutzfahrzeuge her. Das ist weltweit einmalig. Die Recitel Automobilsysteme GmbH in Schönebeck schäumt in einem Werkzeug komplette Innenraum-Baugruppen einschließlich Verstärkungen und Befestigungen. Enercon in Magdeburg fertigt unter anderem Rotorblätter großer Windkraftanlagen. Die P-D Aircraft Interior GmbH Bitterfeld produziert Bauteile für Inneneinrichtungen von Flugzeugen.

Diese Unternehmen eint, dass sie sich auf einem Feld bewegen, das immer wichtiger wird. Sie stellen hoch belastbare so genannte Hybridteile her. Die Leichtbau-Technologie wird zunehmend im Fahrzeug- und Flugzeugbau, aber auch in der Medizintechnik, im Maschinen- und Anlagenbau sowie bei den Elektrogeräteherstellern angewendet.  Besonders im Flugzeug- und im Kraftfahrzeugbau wird von ihnen ein bedeutender Beitrag zur Gewichtsreduzierung erwartet.

„Hybridteile  bestehen aus mindestens  zwei verschiedenen Werkstoffen. Sie  zeichnen sich durch bessere Eigenschaften aus als ihre Teilkomponenten. Mit Hochleistungs-Kunststoffverbunden können je nach Belastungsfall Gewichtseinsparungen bis 50  Prozent gegenüber konventionellen Stahlbauweisen erreicht werden“, erläutert Andreas Dockhorn von der isw Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung gemeinnützige Gesellschaft mbH Halle. Die isw GmbH ist Koordinator und Ausrichter des Innovationsforums „Hybridteile: Innovative Technologien für den Leichtbau - ein branchen- und netzwerkübergreifender Ansatz in Mitteldeutschland“. Gefördert wird das  im Oktober gestartete und bis Ende März laufende Projekt im Rahmen des  „Förderprogramms Unternehmen Region ,Innovationsforen' des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für die neuen Länder.“ Derzeit laufe bei einer Fülle von Veranstaltungen ein breit angelegter Erfahrungsaustausch, berichtet Dockhorn.

Das Innovationsforum soll helfen, dass  Mitteldeutschland zu einem Zentrum der Hybridtechnologie wird. Im März sollen während einer zweitägigen Tagung zusammenfassend die Potenziale neuer Werkstoffkombinationen mit Forschern, Entwicklern, Herstellern und Kunden erfasst und diskutiert werden. Daraus sollen weitere Aufgaben, Prozesse und Projekte entwickelt werden. Dadurch könne ein qualitativer Sprung in der Leichtbau-Technologie erreicht werden, sagt Dockhorn.   Aus dieser Forcierung dieses Themas  sollen heimische Firmen nachhaltige wettbewerbliche Vorteile, auch im Weltmaßstab, gewinnen.

Das Forum soll nach Angaben der isw GmbH neue Impulse  für die Entwicklung der Hybridtechnologie in Mitteldeutschland geben. Konzentriert wird sich dabei vor allem auf Felder mit hohem Spareffekt, bei denen  konstruktive Entwicklungen der Erzeugnisse und ihre Herstellung höchste Anforderungen stellen. Das betrifft  vor allem das Gewicht, die Zeit und den Aufwand.  Damit soll die Marktposition der beteiligten Unternehmen  im globalen Wettbewerb gesichert werden.

Um dies zu erreichen haben sich die Organisatoren des Innovationsforums folgende Ziele gesteckt:

Intensiviert werden soll die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie. Notwendig ist ein länder-, branchen- und netzwerkübergreifenden Ansatz. Die Aus- und Weiterbildung in der Branche ist auf die Hybridtechnologie zu orientieren. Das neue Institut  für Kompetenz in AutoMobilität (IKAM) soll sich auf dem Gebiet des Leichtbaus profilieren.

Dockhorn ist optimistisch, dass dies alles zu erreichen ist, denn die Technologie Hybridteile ist in der Region populär. 50 Unternehmen und 20 wissenschaftliche Einrichtungen hatten sich bereits beim Auftakt des Innovationsforums für das Thema interessiert. Es zeichne sich ab, so Dockhorn bei einer Zwischenbilanz, dass sich viel mehr Unternehmen mit diesem Thema beschäftigen. Das Potenzial ist größer als erwartet. „Das Thema ist auf ein so großes Interesse gestoßen, weil es total aktuell ist“, beschreibt er die Resonanz.

Das bestätigt auch Heiko Kempe, Gruppenleiter Konstruktion und Berechnung bei IFC Composite in Haldensleben.  „Unsere Kunden fordern immer weitere Gewichtsreduzierungen, um Kraftstoff zu sparen und die Umwelt zu schonen“, sagt er. Notwendig sei aber auch die Entwicklung neuer Materialien und neuer Technologien in der Leichtbauweise, um die Technologieführerschaft zu sichern und teure Exporte zu vermeiden.  Für sein  Unternehmen wie für das Innovationsforum sieht  Kempe dabei gute Chancen. Es gebe in der Region gut ausgebildete Leute, die mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen diese Technologie entscheidend voranbringen können. „Die Potentiale, die hier vorhanden sind, müssen wir auch nutzen“, fordert Kempe.

Tatsächlich verfügt Mitteldeutschland auf dem Gebiet des Entwurfs und der Konstruktion von Hybridteilen über eine Reihe von Institutionen mit vielfältigen Kompetenzen. Dazu gehört neben speziellen Instituten an den Technischen Universitäten Chemnitz, Ilmenau und Dresden auch das Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg. Hinzu gekommen ist das 2010 gestartete Forschungsinstitut für Kompetenz in Automobilität   an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (IAKM).  Es werde unter anderem auch neuartige Werkstoffe und Materialien für den Leichtbau entwickeln, hieß es bei der Gründungsveranstaltung.

Für den Erfolg des Innovationsforum Hybridteile spricht auch, dass es  von drei starken  Säulen der regionalen Wirtschaft getragen wird. Das ist das Zukunftscluster Chemie/Kunststoffe Mitteldeutschland. Es stellt eine Plattform des Länder übergreifenden Zusammenwirkens für Unternehmen dieser Branche, deren Verbände, Bildung- und Forschungseinrichtungen, Dienstleister sowie Politik und Verwaltung dar. Ein zweiter Partner ist das Cluster MAHREG Automotive. In ihm engagieren sich neben etwa 70 Vereinsmitgliedern weitere 100 Firmen und Einrichtungen aus Sachsen-Anhalt. Schließlich ist als dritte Säule dabei der Verein „POLYKUM e. V. - Fördergemeinschaft für Polymerentwicklung und Kunststofftechnik in Mitteldeutschland“. Er ist ein Kooperationsnetzwerk aus Polymerherstellern und -verarbeitern, universitären und außeruniversitären wissenschaftlichen Einrichtungen, Kunststoff-Maschinenbauern, Werkzeug- und Formenbauern, Dienstleistern und wirtschaftsnahen Einrichtungen zur Kunststofftechnik.

Dockhorn macht auch darauf aufmerksam, dass das Innovationsforum „Hybridteile - Technologien für den Leichtbau“ die Chance bietet, das thematische Profil im gegenseitigen Austausch weiter zu schärfen, die strategische Zusammenarbeit zwischen regionalen und überregionalen Kompetenzen auszubauen und damit nachhaltige Impulse für einen erfolgreichen Innovationsprozess in der Region zu setzen. Er verweist dabei auf das Engagement der Länder und Kommunen ebenso wie auf den länder-, branchen- und netzwerkübergreifenden Ansatz. Damit werde  ein wichtiger Beitrag geleistet, die angestoßenen Prozesse langfristig zu verankern, unterstreicht Dockhorn.

Kontakt:
Andreas Dockhorn
isw GmbH
Hoher Weg 3
06120 Halle
E-Mail: info@hybrid-mitteldeutschland.de
www.hybrid-mitteldeutschland.de

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