3D-Autos aus dem Twinner-Space

Die junge Firma DCI Digital Car Institute GmbH aus Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt digitalisiert erstmals die Fahrzeug-Begutachtung

In Sachsen-Anhalt hat DCI eine einzigartige Technologie entwickelt, mit der erstmals ein gesamtes Fahrzeug vollständig digital erfasst und die Begutachtung automatisiert wird. Dabei nutzt DCI Techniken der Künstlichen Intelligenz.

Im Twinner Space ist es gleißend hell. Die 70 Quadratmeter große Scanner-Station, in die das Auto hineinrollt, ist gleichmäßig ausgeleuchtet. Wenn die Tür geschlossen ist, wird die Anlage mit weißem Licht und bis zu 20.000 Lux erleuchtet, normales Tageslicht beginnt bei 3.500 Lux. Acht Minuten dauert es, dann haben etwa 40 Sensoren und Kameras das Fahrzeug rundum vermessen, gescannt und fotografiert - und seinen Zustand genauestens erfasst. Auch UV- und Infrarot-Aufnahmen gehören zu den Analysemethoden im Twinner Space. Mit UV-Licht beispielsweise lässt sich feststellen, an welcher Stelle das Fahrzeug nachlackiert wurde. Vom Innenraum entstehen 360 Grad-Bilder. Und auch die Unterseite wird hochauflösend abgebildet, das Fahrzeug muss dafür nicht auf eine Hebebühne. „Die Maschine misst alle Parameter, die das Äußere des KFZ betreffen: Zustand der Karosserie, Reifen, Unterboden, Kratzer, Dellen, sonstige Beschädigungen. Es ist eine äußere Betrachtung, die aber für die Bewertung des Fahrzeuges 90 Prozent ausmachen“, erläutert Geert Peeters, Geschäftsführer der 2017 gegründeten DCI Digital Car Institute GmbH aus Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt.

Twinner wird durch künstliche Intelligenz besser

Alle erfassten Daten werden in der Twinner-Cloud zusammengeführt: Fotos und Scans mit den Fakten zum Fahrzeugtyp. Daraus entsteht ein vollständiges digitales Abbild des Fahrzeugs. Und aus der Analyse des 3D-Modells und dem Abgleich mit dem auch bislang verwendeten Schadenskatalog wird dann ein Wertgutachten erstellt – automatisch, schnell und kostengünstig. Die entwickelte DCI-Software nutzt dafür Künstliche Intelligenz: „Die im Twinner Space erzeugten Daten pro Digitalisierung werden in unseren Machine Learn-Systemen aufgenommen. Dabei werden die Daten so analysiert, dass einzelne Schadensbilder erkannt und automatisch zugeordnet werden. Je mehr Datensätzen wir dabei in unserem System analysieren, desto mehr lernt unser System, um die Genauigkeit der Bewertungen zu optimieren und desto höher wird der Grad der Automatisierung“, sagt Geert Peeters. Heute entstünden in Deutschland 5,5 Millionen Fahrzeug-Gutachten im Jahr, weitestgehend manuell. „Der Markt für eine automatisierte Begutachtung von Fahrzeugen existiert noch gar nicht. Wir betreiben also gerade Marktentwicklung“, sagt Geert Peeters. Man hoffe, sagt Geert Peeters, auf einen Marktanteil von 25 bis 30 Prozent. Dieser Grad an Automatisierung verspreche eine bessere Qualität von Begutachtungen, eine höhere Effizienz und dadurch eine maßgebliche Kosteneinsparung.

Fertiges Gutachten liegt nach zwölf bis 13 Minuten vor

Wo bisher ein Gutachter um das Fahrzeug herumlief, Kreuzchen auf seinem Laufzettel machte und dafür insgesamt rund 35 Minuten brauchte, benötige der Twinner für die Aufnahmen des Zustandes gerade einmal acht Minuten, wie Geschäftsführer Geert Peeters sagt. Das fertige Gutachten liege bereits nach zwölf bis 13 Minuten vor, in Abhängigkeit von der Menge an eingespeisten Daten. „Ein großer Vorteil der Anlage ist außerdem, dass kein Experte mehr vor Ort sein muss, sondern der Datensatz sofort am Bildschirm sichtbar ist, für den Händler und den Kunden.“

Mit dem innovativen Konzept einer kompletten digitalen Erfassung des gesamten Fahrzeugs und der automatisierten Begutachtung möchte DCI in diesem Jahr durchstarten: „Im Juni 2018 ist die erste Version unseres Produktes erschienen. Derzeit haben wir sechs Anlagen aufgestellt, zwei davon in China“, sagt Peeters. Auf 80 Anlagen in Deutschland soll 2019 erweitert werden. Ziel ist es, so viele Digitalisierungen wie möglich zu realisieren, weil auf deren Basis Gutachten erstellt werden können.

Land Sachsen-Anhalt setzt auf innovative Technologie

Das Land Sachsen-Anhalt fördert die erste automatisierte digitale Fahrzeugbegutachtung. Die DCI GmbH ist eine Beteiligung der APi International AG aus Leipzig und den IBG-Fonds, dem Risikokapitalfonds des Landes Sachsen-Anhalt. Die IBG-Fonds stellen jungen innovativen Technologieunternehmen mit nachhaltigem und überdurchschnittlichem Wachstumspotential im Land Kapital zur Verfügung. DCi hat seinen Sitz in der Stadt Halle mit derzeit etwa 20 Mitarbeitern. Im April 2019 werden es mehr als 50 sein. Noch in diesem Jahr soll die Zahl der derzeit 70 Mitarbeiter auf 100 ansteigen, sagt Geert Peeters, der auch Geschäftsführer der APi ist. Beide Firmen werden demnächst als Twinner GmbH zusammengelegt; das Land Sachsen-Anhalt hat seine Beteiligung erweitert.

Sachsen-Anhalt ist die Heimat des „Twinners“: In Halle (Saale) arbeitet bereits ein Twinner Space: im Autohaus König. Das Autohaus bezahlt nicht die Anlage direkt, sondern eine Transaktionsgebühr pro Nutzung, die sämtliche Investitionen abdeckt. Kosten des Händlers für Fotografen, Gutachter und Autohausmitarbeiter entfallen somit fast vollständig. Für Geschäftsführer Peeters steht fest, dass die Zukunft der Bewertung von Fahrzeugen in der Digitalisierung liegt. Das Bedürfnis nach einfachen sowie zeit- und kosteneffizienten Möglichkeiten zur Digitalisierung von Fahrzeugdaten steige ständig. 80 Prozent aller Fahrzeuge würden auf Börsen wie mobile.de oder autoscout24 gehandelt. Dafür werden Bilder in guter Qualität benötigt, damit das Fahrzeug gut dargestellt werden kann. Und auch die Daten wie Motor, Ausstattung, Farbe, Ledersitze, Beleuchtung, Klima können automatisch mitermittelt werden; die Ergebnisse der Begutachtung werden also so aufbereitet, dass sie auch wieder für den Verkaufsprozess genutzt werden können.

Anlage dürfte auch für Fertigungsindustrie interessant sein

Mit dem Twinner erhalten Fahrzeugflottenmanager, Leasinggesellschaften, Versicherungen, Gebrauchtwagenhändler und viele andere die Möglichkeit, ihr Geschäft neu zu definieren. Besonders für den Bereich Fahrzeug-Remarketing öffnen sich neue Möglichkeiten hin zu einer ganzheitlichen Online-Vermarktung. Unter anderem kann der Kunde das Auto virtuell jederzeit in Augenschein nehmen, objektiv, rund um die Uhr, weltweit. Doch auch ein industrieller Einsatz der Twinner-Technologie ist perspektivisch denkbar: Die Anlage dürfte auch für die Fertigungsindustrie im Bereich Automotive interessant sein. Immerhin 30 Prozent der ausgelieferten Fahrzeuge haben bereits einen Schaden, kleine Kratzer am Außenspiegel zum Beispiel, der in der Fertigung zunächst nicht auffällt.

Autor: Michael Falgowski

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