An der Wiege von Handschuhkästen für "Golf & Co."

Altmärkischer Kunststoffverarbeiter im Verbund der besten VW-Zulieferer.

Die Wiege von Handschuhkästen, Zierleisten oder Airbagabdeckungen für PKW liegt in der Altmark. Etwa 200 Kunststoffteile sind im Innenraum eines Fahrzeugs verbaut. Gerade die Elemente, die ständig sichtbar sind, gehören für deren Hersteller zu den besonderen Herausforderungen.

Da zählt nicht die Genauigkeit beim Spritzguss allein. Die Oberflächen sollten nahezu perfekt sein und sich keinesfalls auf den ersten Blick als Kunststoff offenbaren. Im Metallic-Look oder in einer Holzoptik sind sie zunehmend gefragt. Die Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH (BKD) in Gardelegen stellt sich den hohen Ansprüchen, sagt Geschäftsführer Paweł Surówka. „Das sei Voraussetzung, um auf dem heiß umkämpften Markt der Autozulieferer bestehen zu können.“

Täglich müsse BKD sich beweisen, denn 2.500 unterschiedliche Teile gehören zum Sortiment und werden in dieser Vielfalt zu einer ständigen Herausforderung. Bis zu 100 LKW verlassen in Spitzenzeiten täglich den Betrieb, um die Bestellungen der einzelnen Autowerke "just in time" auszuliefern. Neben Qualität zählt deshalb die Liefertreue, um die Autofertigung zu sichern, berichtet Paweł Surówka. Außer dem VW-Konzern zählen unter anderem auch Mercedes und General Motors zu den Kunden der altmärkischen Kunststofftechniker.  . Die meisten Entwicklungen entstehen dabei in enger Zusammenarbeit zwischen den Autobauern und den Spezialisten in Gardelegen. Allein in der Abteilung Projektmanagement/ Konstruktion sind rund 50 Mitarbeiter tätig, die wissen, wie unterschiedliche Materialien kombiniert werden oder wie Oberflächen ihr richtiges Aussehen erhalten.

80 Prozent der Fertigung der Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH geht an die Volkswagen Gruppe bis nach China und Mexiko. Die ganze Region rund um Gardelegen lebt vom „Lieblingskind der Deutschen“, denn nicht nur das Unternehmen profitiert von der Nähe zu Volkswagen in Wolfsburg. Frauen und Männer pendeln täglich ins nahe Niedersachsen und haben dort ihren Arbeitsplatz gefunden. Der Zulieferer gehört mittlerweile zur Boryszew Automotive Plastics Gruppe, der gerade erst von VW die Auszeichnung „Global Champion“ verliehen wurde. "Wir sind deshalb besonders stolz, dass uns VW in diesem Jahr mit diesem Group -Award ausgezeichnet hat", zeigt sich der Geschäftsführer sichtlich zufrieden. 18 Premium-Lieferanten des Konzerns erhielten diese Ehrung. Dieser sei "wie eine kleine automobile Weltmeisterschaft", versicherte Vorstandvorsitzender Martin Winterkorn. "Wer hier dabei ist, der gehört zu den Besten der Welt", sagte er. BKD trug auch mit dem Engagement seiner russischen Tochter Boryszew Plastik RUS (BPR) zu diesem Erfolg bei. Volkswagen honoriert damit auch, dass das Zulieferunternehmen den „Global Footprints“ folgt.

Von seinem Standort in der Nähe großer Autobauer hatte das Unternehmen kurz nach der Wende profitiert. Dem einstigen Kombinatsbetrieb des Nähmaschinenherstellers Textima brachen damals innerhalb kürzester Zeit die Aufträge weg. Die Produktion von bis zu 350.000 Nähmaschinen im Jahr in Wittenberge lief aus. Sie waren einst ein Exportschlager nicht nur im Osten, selbst Versandhäuser der alten Bundesrepublik verkauften die Geräte. Die Gardeleger Spezialisten lieferten neben Plasteteilen  für die Verkleidung auch komplette Baugruppen zu. Das aus einer Knopffabrik entstandene Unternehmen war in den 70er Jahren neu gebaut worden.

Das Unternehmen kann auf lange Kontakte zu VW verweisen. Bereits seit 1991 liefert es für Fahrzeuge, wie den Golf. Die Krise in der Automobilbranche hatte vor drei Jahren die Fertigung in ein turbulentes Fahrwasser gebracht und zur Insolvenz geführt. Auslöser dafür waren Liquiditätsengpässe. Neue Aufträge konnten nicht mehr vorfinanziert werden. Der börsennotierte polnische Konzern Boryszew S.A. übernahm in dieser angespannten Situation die Altmärker Kunststofftechnik. Mit seinem Engagement sicherte die polnische Unternehmensgruppe den Fortbestand des größten Arbeitgebers in der Altmark. Der neue Eigentümer investierte 20 Millionen Euro am Standort Gardelegen.

Die Boryszew-Gruppe ist seit 1996 an der Warschauer Wertpapierbörse (WIG) notiert. Sie gehört zu den größten industriellen Holding-Gruppen Polens. Sie besteht aus rund 80 Produktions- und Handelsgesellschaften in Polen, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Brasilien und China mit zusammen mehr als 85.000 Mitarbeitern. Der Jahresumsatz liegt nach eigenen Angaben bei 1,2 Milliarden Euro jährlich. Boryszew setzt vor allem auch auf die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten und will sie weiter ausbauen. Auch die "hochmotivierte Belegschaft" habe den Kauf sinnvoll erscheinen lassen, erklärte Paweł Surówka. Zudem hätten viele Kunden zu AKT gehalten und damit den Fortbestand der Firma ermöglicht. Sie soll künftig nicht nur auf dem europäischen Markt, sondern weltweit tätig sein. Das Konzept hat seine Tragfähigkeit längst bewiesen. Mittlerweile entstand im Firmenverbund die Boryszew Automotive Plastics, welche mit insgesamt 2.500 Mitarbeitern einen Umsatz von 260 Millionen Euro verzeichnet.

Autor: Klaus-Peter Voigt

Kontakt:
Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH
Stendaler Chaussee 3-5
39638 Gardelegen
Telefon: 03907-7170
www.akt-ag.de

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